Regensburg, 23. Juni 2023
In unserer Themenreihe zur Kirchengeschichte schauen wir heute auf das Wormser Konkordat von 1122 und wie es den Investiturstreit beendete.
Im Verhältnis von Kirche und Staat ist der sogenannte „Investiturstreit“ ein dramatischer Höhepunkt: Berühmt sind Darstellungen des deutschen Königs Heinrich IV., der in Schneegestöber und Bettlergewand vor der Burg Canossa wartet, bis Papst Gregor VII. ihm vergeben möge (Gang nach Canossa). Im Zentrum der Auseinandersetzungen stand die Rolle der weltlichen Herrscher bei der Amtseinsetzung von Bischöfen und Äbten, vor allem die Übergabe von Ring und Stab an den geistlichen Würdenträger durch den Landesherrn.
Doch der Reihe nach: Schon mit den Franken war das Papsttum eine enge Verbindung eingegangen. Seither lebten Staat und Kirche in einer engen Symbiose. Die Bischöfe waren oftmals auch weltliche Herren mit einem eigenen Machtbereich, der Papst hatte dafür auch im politischen Bereich eine gewichtige Stimme.
Das Ziel des Papstes: Die Freiheit der Kirche
Dieses Kräfteverhältnis war immer wieder mit Schwierigkeiten belastet: Immer wieder waren entweder König oder Kirche ein wenig mächtiger. Im elften Jahrhundert begann in Rom eine Reformbewegung, die nach Papst Gregor VII. als „gregorianische Reform“ bezeichnet wird. Das Ziel dieser Reform war die „Libertas Ecclesiae“, die „Freiheit der Kirche“. Die Kirche sollte auf vom Einfluss der weltlichen Herrscher befreit werden. Zwei Missstände standen besonders im Fokus: Laieninvestitur und Simonie.
Die Laieninvestitur, die Einsetzung von Bischöfen durch Herrscher, die keine geistlichen Weihen hatten und die im frühen Mittelalter aufgekommen war, wurde angefochten. Die Laieninvestitur war im Umfeld des Feudalsystems entstanden, in dem geistliche Würdenträger oft zugleich weltliche Herrscher und damit Vasallen des Königs waren. Kaiser und Könige versuchten, die reichen und mächtigen geistlichen Würdenträger an sich zu binden, indem sie ihnen im Gegenzug Schutz anboten. Den weltlichen Landesherren war die Loyalität der Bischöfe und Äbte meist wichtiger als deren moralische Integrität.
Unter Simonie ist die Käuflichkeit kirchlicher Ämter zu verstehen. Es war im elften Jahrhundert üblich, dass die vom König vorzunehmende Investitur letztlich gegen eine Geldzahlung erfolgte und kirchliche Ämter damit käuflich wurden. Auch das war ein Missstand, den die Reform zu beseitigen suchte.
Die Auseinandersetzung erreichte ihren Höhepunkt, als König Heinrich IV. und Papst Gregor VII. aufeinandertrafen. Heinrich sah sich – wie auch die Könige und Kaiser vor ihm – als „Rex et Sacerdos“, als „König und Priester“. Er hatte seiner Vorstellung nach eben nicht nur staatliche Aufgaben, sondern auch kirchliche. Papst Gregor VII. dagegen war streng den Zielen der Reform verpflichtet: Er kämpfte für die Unabhängigkeit der Kirche vom Reich. Seinen neuen Anspruch legte Gregor VII. 1075 in einem Schreiben dar, bekannt als „Dictatus Papae“. Demnach dürfe der Papst Bischöfe ernennen, er könne im Zweifel sogar einen König oder Kaiser absetzen.
Der König wird exkommuniziert
Es kam zum Streit. 1072 hatte Heinrich IV. in die Besetzung des Bischofsstuhles von Mailand eingegriffen. Gregor VII. sah sich daher veranlasst, 1075 auf einer Synode festzustellen, dass der König keine Macht bei der Ernennung von Bischöfen hätte. Heinrich wandte sich deswegen gegen den Papst und ließ ihn 1076 absetzen. Papst Gregor VII. reagierte umgehend mit der Exkommunikation Heinrichs, ein damals unvorstellbarer Akt: Es war undenkbar, dass in einer beinahe vollständig vom Christentum durchwirkten Gesellschaft der König außerhalb der christlichen Gemeinschaft stand. Die Fürsten des Reiches konnten und wollten diesen Zustand nicht akzeptieren: Sie stellten den König vor eine Wahl. Er sollte binnen eines Jahres die Rücknahme der Exkommunikation erwirken oder sie würden einen neuen König wählen. Heinrich hatte jetzt den Papst und die eigenen Fürsten gegen sich.
Showdown vor Canossa
So machte sich Heinrich IV. auf nach Rom. Zeitgleich war der Papst von Rom aufgebrochen und machte Station auf der Burg Canossa. Dort stellte sich nun Heinrich 1077 drei Tage nacheinander vor die Mauern und wartete auf Einlass – im Januar, nur mit einem Büßergewand bekleidet. Ihm gelang auf diese Weise die Rücknahme der Exkommunikation. Einen langfristigen Frieden brachte das jedoch nicht. Obwohl Heinrich binnen Jahresfrist die Rücknahme der Exkommunikation erreicht hatte, wählten die Fürsten einen neuen König, Heinrich musste seine Machtansprüche in einem Bürgerkrieg verteidigen. 1080 kam es abermals zum Streit mit dem Papst: Heinrich wurde wieder exkommuniziert, ernannte nun einen Gegenpapst. Gregor VII. musste aus Rom fliehen und starb 1085 in Salerno, südlich von Neapel.
Das grundlegende Problem blieb bestehen: Wer sollte die Bischöfe einsetzen? Eine erste Idee wurde zwischen Papst Paschalis II. und Heinrich V. diskutiert: Hätte die Kirche ihre Pfründe, ihre weltlichen Machtbereiche aufgeben können? Der Widerstand war groß. 1122 bestimmte das Wormser Konkordat daher folgende Lösung: Das Domkapitel sollte den Bischof wählen, der König sollte ihn nach wie vor in seine weltlichen Rechte einsetzten, aber nicht mehr eingreifen in den geistlichen Bereich. In Italien und Burgund erfolgte die Einsetzung in die weltlichen Rechte nach der Bischofsweihe, in Deutschland davor. Der Streit war beendet.
Foto: Burgruine von Canossa © Canva
Text: Benedikt Bögle
(SSC)