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Ein Blick in die Kirchengeschichte – Teil 15

Aufklärung und Säkularisation

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Regensburg, 1. September 2023

Im 16. Jahrhundert erfolgte eine Aufspaltung der mittelalterlichen christlichen Kirche. Reformation, Gegenreformation und die Entstehung verschiedener Konfessionen waren überlappende Prozesse, die die Kirche in Westeuropa tiefgreifend verändert hatten.Eng im Zusammenhang mit den kirchlichen Veränderungen standen politische Interessen bei der Ausbildung des frühmodernen Staates. Heute geht es in unserer Themenreihe zur Kirchengeschichte um das Zeitalter der Aufklärung und um die Säkularisation.

Mit der Reformation und Gegenreformation trat die Kirche in das sogenannte „konfessionelle Zeitalter“ – jene Zeit, die durch das Nebeneinander verschiedener Konfessionen gekennzeichnet ist. Für die Katholische Kirche waren in der Zeit nach der Reformation und dem Konzil von Trient mehrere Weichenstellungen von großer Bedeutung. Auch in dieser Epoche stellte sich einmal mehr die Frage nach dem Verhältnis von Staat und Kirche, aber auch nach der Hierarchie von Papst und Bischöfen.

Zunächst lässt sich nach dem Konzil von Trient (1545 bis 1563) eine gewisse Konzentration auf Rom feststellen. Die Kurie gewann an Einfluss. Das gefiel nicht allen: In Frankreich etwa entwickelte sich die Strömung des „Gallikanismus“: Dieser forderte erhebliche Rechte für die französische Kirche ein – so sollte Frankreich etwa eigenständige Nationalkonzilien abhalten dürfen. Das Konzil - so der Gallikanismus - stehe über dem Papst. Diese Vorstellung verbreitete sich auch in Deutschland: Dort betonte der „Episkopalismus“ die starke Rolle der Bischöfe, der Einfluss des Papstes sollte zurückgedrängt werden.

Geistesgeschichtliche Revolution: Die Aufklärung

Eine besonders große Rolle spielte im 18. Jahrhundert die Aufklärung. Diese philosophische Bewegung verfolgte – wie Immanuel Kant es definierte – die Befreiung des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. „Sapere aude“ war ein Schlagwort der Zeit – „wage es, zu denken“.  Im Zentrum stand der Mensch als vernunftbegabtes Wesen, das seine Vernunft auch gebrauchen sollte. Die Aufklärung führte zu einer geistesgeschichtlichen Revolution in Europa. Sie veränderte nicht nur die Philosophie selbst, sondern hatte auch erheblichen Einfluss auf die Gesellschaft – und damit auf die Kirche. Der Aufklärung ist es letztlich zu verdanken, dass Hexenprozesse ein Ende fanden. Im Zuge der Aufklärung wurden erst in Amerika, dann auch in Frankreich allgemeine Menschenrechte formuliert.

Was ist eine vernünftige Religion?

Allerdings wurde die Aufklärung auch zur Herausforderung für die Kirche. Zahlreiche Denker forderten ein Christentum, dass sich an die Vorgaben der Vernunft halten sollte. Das Christentum war seit frühester Zeit eine Religion, die den vernunftgemäßen Dialog nicht scheute. Große Theologen wie Augustinus, Bonaventura, Albertus Magnus oder Thomas von Aquin sind Kronzeugen einer Religion, die ihre Grundlagen auf die Vernunft stellen wollte und nach der Vernünftigkeit des Glaubens fragte. Im Zuge der Aufklärung aber entwickelten sich Stimmen, die eine rein vernünftige Religion forderten und sich damit auch gegen die Offenbarung stellten. Dabei war für die Kirche immer klar gewesen, dass Vernunft und Offenbarung sich ergänzen und Hand in Hand gehen mussten. Der „Deismus“ propagierte dagegen eine rein vernünftige Religion, die jedem Menschen natürlich angeboren sei und keiner besonderen Offenbarung mehr bedürfe.

Der Josephinismus reformiert Österreich

Die Aufklärung setzte sich auch in der Politik durch und führte zu einer neuen Form des „Staatskirchentums“. Beispielhaft dafür ist der „Josephinismus“ in Österreich. Unter dem Einfluss der Aufklärung machten sich Kaiserin Maria Theresia und ihr Sohn Joseph II. im 18. Jahrhundert daran, die Kirche zu reformieren. Sie griffen in den Bereich der Religion ein und wandten sich beispielweise gegen eine aus zahlreichen Traditionen und Bräuchen lebende Frömmigkeit. Allerdings richtete sich diese Reform auch gegen die Klöster: Joseph II. soll Schätzung nach bis zu 800 Klöster aufgehoben haben, die keinen direkten Dienst in Seelsorge, Schule oder Caritas verrichteten. Dafür wurden aber auch viele Pfarreien gegründet und das Studium der Priester gefördert.

Enteignungen der Kirche

Zum größten Umbruch führte jedoch die Französische Revolution ab 1789. In ihren Anfängen richtete sie sich noch nicht gegen die Kirche. Große Teile der Geistlichen solidarisierten sich mit der Revolution. Kurz darauf jedoch wurde die Kirche enteignet, Klöster und Orden wurden aufgelöst und ebenfalls enteignet. Die Kirche verzichtete letztlich auf diese Güter, dafür übernahm unter Napoleon der Staat die Finanzierung etwa der Pfarrer und Bischöfe. Dieses Modell fand auch nach Deutschland. Nachdem Napoleon die Gebiete links des Rheins für Frankreich gewonnen hatte, sollten die jeweiligen Herrscher für ihre Verluste entschädigt werden. Das traf zahlreiche katholische Herrschaftsgebiete, die nun aufgelöst wurden. Das war letztlich möglich, weil noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts viele Inhaber kirchlicher Ämter auch weltliche Herrscher waren: Viele Bistümer und Klöster bestanden nicht nur aus der kirchlichen Amtsführung, sondern auch aus weltlichen Besitztümern als eine Folge des mittelalterlichen Systems der „Reichskirche“. 

Folgen der Säkularisation

1803 wurde mit dem Reichsdeputationshauptschluss in Regensburg die Säkularisation beschlossen. Sie enteignete neben vielen Bistümern auch Klöster und Ordensgemeinschaften. An vielen Orten wurden nicht nur blühende Orte des kirchlichen Glaubens verwaist, sondern auch Kulturschätze großen Werts entwendet – beispielsweise die Bibliotheken der Klöster Mallersdorf, Metten oder Waldsassen. Im Gegenzug musste nun aber der Staat die Kirche finanzieren. Das war nicht in erster Linie eine Entschädigung für erlittenes Unrecht. Vielmehr hatten sich die Bistümer bisher beispielsweise aus ihren weltlichen Besitztümern finanziert. Wenn sie darüber nicht mehr verfügen konnte, musste nun der neue Eigentümer für die Finanzierung aufkommen – der Staat. Folgen dieses Systems sind bis heute bestimmte staatliche Finanzierungen für die Kirche.

Mit Aufklärung und Säkularisation wurde eine weitere Reform der Kirche vorangetrieben. Die Säkularisation veränderte die Struktur der Kirche. Bereits der Josephinismus hatte die Eigenständigkeit der Kirche beschnitten. Während über Jahrhunderte umstritten war, wer im Zweifel das Sagen habe – Staat oder Kirche –, führte die Aufklärung in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen dazu, die weltliche Macht der Kirche zu kürzen.

Text: Benedikt Bögle

(SSC)



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