News Bild Ein Blick in die Kirchengeschichte – Teil 13
Ein Blick in die Kirchengeschichte – Teil 13

Die Reformation

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Regensburg, 18. August 2023

Berühmt und bekannt ist der Thesenanschlag Martin Luthers, der als Auslöser der Reformation gilt. Aber hat der überhaupt so stattgefunden? Und worum ging es Luther bei seiner Lehre? Das erfahren Sie in unserer Themenreihe zur Kirchengeschichte.

Kaum ein Ereignis spielte für die Kirchengeschichte eine so große Rolle wie die Reformation. Mit ihr endete die Einheit der Kirche im Westen. Auslöser der Reformation waren die 95 Thesen Martin Luthers gegen den Ablasshandel. Es blieb aber nicht bei dieser Kritik. Dazu kam eine theologische Differenz, die sich um die Frage der „Rechtfertigung“ drehte. Bald schon trennten immer mehr Punkte die Reformatoren von der römisch-katholischen Kirche. All das begann nach landläufiger Ansicht mit einem Ereignis, das vermutlich gar nie stattgefunden hat: Dem Anschlag von 95 Thesen an die Wittenberger Kirchentüre am 31. Oktober 1517. Berühmte Bilder stellen diesen geschichtsträchtigen Augenblick dar: Der Mönch Martin Luther nagelt seine Thesen an die Kirchentüre und entfesselt damit einen Sturm, der die konfessionelle Einheit Europas beenden sollte. Vermutlich hat dieser Thesenanschlag aber so nie stattgefunden. Luther war zu diesem Zeitpunkt Augustiner-Eremit und Professor für Bibelwissenschaften in Wittenberg. 1483 geboren, sollte er eigentlich Jurist werden. Als er ein bedrohliches Unwetter überstand, versprach, er Mönch zu werden. Luther studierte Philosophie und Theologie, er wurde zum Priester geweiht. In Wittenberg hielt er Vorlesungen über die Heilige Schrift, etwa über die Psalmen oder den Römerbrief.

Ablass als Finanzierungsmodell

1517 verfasste er seine berühmten Thesen über den Ablass, die er an Kollegen an den Universitäten schickte, vor allem aber an Albrecht von Brandenburg, den Erzbischof von Magdeburg und Mainz. Dahinter stand eine mittelalterliche Praxis, die man unschwer als Missbrauch bezeichnen kann. Dem Ablass liegt eine grundsätzlich richtige Vorstellung zugrunde. Wer gesündigt hat, soll Buße tun. Das wird noch heute im Sakrament der Versöhnung deutlich, wenn dem Beichtenden eine – meist kleine – Buße auferlegt wird. Diese Buße konnte auch in der Zahlung einer Geldsumme bestehen; für den Büßenden ist das ein merkliches Opfer, mit dem im Idealfall auch noch Gutes getan werden kann. Nur: Diese Praxis geriet in Deutschland außer Rand und Band. Bußprediger zogen durch das Land und verkauften Ablässe; sie erweckten damit im Volk den Eindruck, auf eine wirkliche Buße komme es gar nicht an – Hauptsache die Geldsumme war hoch genug. Dann konnte man tatsächlich auch noch einen Verstorbenen aus dem Fegfeuer freikaufen.

Die Thesen verbreiten sich schnell

Dass Luther seine Thesen, mit denen er sich gegen die Ablasspraxis wandte, an Albrecht von Brandenburg schickte, war kein Zufall. Albrecht war Erzbischof zweier Bistümer. Das Kirchenrecht sieht das nicht vor, der Papst dispensierte Albrecht allerdings von diesem Verbot. Nicht umsonst: Albrecht musste eine gewaltige Geldsumme für diesen Dispens bezahlen, die ihm von den Fuggern in Augsburg geliehen wurde. Abbezahlt werden sollte sie mit Einnahmen aus dem Ablasshandel. Die Frage war damit nicht nur religiös, sondern auch politisch. Luther verschickte nun also seine Thesen als Grundlage einer wissenschaftlichen Diskussion. Dass er sie auch an die Kirchentüre nagelte, ist unwahrscheinlich. Jedenfalls war das noch nicht der Akt des Aufstands, zu dem die Tat später stilisiert wurde. Es ist durchaus denkbar, dass in Universitätsstädten wie Wittenberg die Kirchentüre als eine Art „schwarzes Brett“ fungierte. Der Anschlag am Tag vor Allerheiligen, als viele Gläubige zum Gottesdienst erwartet wurden, hätte dann vor allem den Effekt gehabt, die Thesen rasch zu verbreiten.

Wie wird der Mensch gerecht?

Luther ging es aber nicht nur um den Ablasshandel. Der Mönch aus Wittenberg stellte sich intensiv die Frage, wie der Mensch gerecht werden könnte. Luther befand sich zeitweise in einer tiefgreifenden Glaubenskrise. Wie kann sich der sündige Mensch mit seinen Werken vor Gott rechtfertigen? Das schien Luther unmöglich. Er rang mit seinem Gottesglauben: Musste der Mensch nicht ganz verloren sein? Im sogenannten „Turmerlebnis“ kam er zu der Überzeugung: Rechtfertigung und Rettung geschehen allein durch den Glauben und durch Gnade, nicht durch die Werke des Menschen. Ein erstes Prinzip der Reformation war geboren: „sola fide“ – „nur durch Glaube“. Dieser Ansatz Luthers betraf nun aber bei weitem nicht nur den missbräuchlichen Umgang mit den Ablässen – es ging vielmehr um die katholische Lehre.

Sola scriptura: Nur die Schrift

Luthers Lehre verbreitete sich rasch. Dem diente vor allem der erst jüngst erfundene Buchdruck, der die Schriften Martin Luthers im ganzen Land zugänglich machen konnte. Gleichzeitig betonte Luther aber, allein die Heilige Schrift sei Grundlage des Christentums – „sola scriptura“, „nur die Schrift“. Damit aber stellte sich Luther gegen die Autorität des Papstes und die große Bedeutung der Tradition in der katholischen Kirche.  Seine Rückbesinnung auf die Bibel als Quelle des Glaubens passte zudem zu den Bestrebungen der Humanisten, die sich wieder vermehrt dem Studium der antiken Quellentexten widmeten. So begeisterte Luther die Gläubigen im ganzen Land. Versuche, die Wogen zu glätten, scheiterten. Weder auf dem Augsburger Reichstag 1518 noch bei der Leipziger Disputation 1519 konnte eine theologische Einigung gefunden werden. 1520 schließlich wurde Luther vom Papst exkommuniziert. In der Folge wandte sich Martin Luther auch gegen den Zölibat, heiratete schließlich selbst. Die Messfeier wurde wegen ihres Opfergedankens abgelehnt, neue liturgische Formulare geschaffen. Auch auf den Reichstagen 1521 und 1530 wurde eine Einigung angestrebt; sie scheiterte jedes Mal. Als die katholische Kirche auf dem Konzil von Trient ab 1545 Reformen in Angriff nahm, waren die Fronten bereits zu verhärtet und jeder Weg zurück hinter die Kirchenspaltung verschlossen.

Vielfältige Reformation

Das lag auch daran, dass die „Reformation“ keinen geschlossenen Block bildete. Vielmehr traten in der Folge Luthers viele Theologen auf, die eigene Schwerpunkte setzen. Huldrych Zwingli führte die Reformation in Zürich ein. Mehrere Theologen begründeten die „Täuferbewegung“, die die Taufe von Kindern ablehnte und Erwachsene – nochmals – taufte. In Genf prägte Johannes Calvin die Reformation. In England schließlich spaltete sich König Heinrich VIII. von Rom ab: Weil der Papst die Annullierung seiner Ehe verweigerte, bestimmte der König sich selbst zum Oberhaupt der Kirche von England. Damit war zunächst zwar keine andere Lehre verbunden. Strukturen und Liturgie blieben in England anfangs katholisch – nach Heinrichs Tod jedoch hielten immer mehr reformatorische Aspekte Einzug.

Ende der westlichen Einheit

Binnen weniger Jahre hatte auf diese Weise die konfessionelle Einheit Westeuropas geendet. In Deutschland waren zahlreiche Regionen protestantisch geworden, ebenfalls Teile der Schweiz, auch in Frankreich breitete sich die Reformation aus – unter teilweise schweren Verfolgungen. Ganz England war nicht mehr römisch-katholisch. Die Ursachen sind vielfältig. Auf der einen Seite standen Missstände in der katholischen Kirche, die zu lange toleriert und von den Reformatoren zurecht angegriffen wurden. Auf der anderen Seite standen aber auch neue theologische Standpunkte, die zu einem immer größeren Graben führte. Umstritten waren die Liturgie und die Sakramente, Zölibat, Mönchstum und Struktur der Kirche, die Rolle von Papst und Tradition. Zudem hatte Rom die Bewegung am Beginn unterschätzt. Als eine Einigung noch denkbar gewesen wäre, verweigerte sich Rom. Als auch die Päpste Reformen in Angriff nahmen, war eine Einigung unmöglich geworden.

Text: Benedikt Bögle

(kw)



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