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Durch das Kirchenjahr: Wer ist er?

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... mit Benedikt:

 

31. Sonntag im Jahreskreis C - Lukas 19,1-10

Zachäus will Jesus sehen. Der Zöllner aus Jericho hat von Jesus gehört, der nun seine Stadt besucht. Aber mehr noch: Zachäus will sehen, "wer er sei" (19,3). Hier klingt ein wenig mehr an als die reine Neugierde. Dieser Zachäus will nicht nur mit eigenen Augen sehen, wie der Mann aus Nazareth ist. Groß oder klein, dünn oder dick, wirkt er sympathisch oder unsympathisch? Die Frage, "wer er sei", geht tiefer. Ist das nicht die Frage, die auch wir uns stellen, die sich zweitausend Jahre christlicher Geschichte vor uns stellten? Wer ist denn dieser Mann, der predigend durch Israel zieht, am Kreuz stirbt und dann von den Toten auferstanden sein soll, wie seine Jünger bezeugen?

Wer ist denn dieser Mann? Ein Hochstapler und Gotteslästerer, wie die Anklageschrift vor dem Hohen Rat letztlich lauten wird? Oder ein Unruhestifter, wie im selben Prozess der Vorwurf lautet, der vor dem römischen Statthalter Pilatus ausgebreitet wird? Ist er ein begnadeter Redner, ein Visionär, vielleicht gar ein Prophet? Oder ist er der Sohn Gottes, das Wort Gottes, das Fleisch geworden ist? Diese Frage beschäftigt die Evangelien von der ersten bis zur letzten Seite. Sie fragen: Wer ist er eigentlich dieser Mann aus Nazareth?

Wenn Lukas die Formulierung wählt, Zachäus wollte sehen, "wer er sei", spielt das an. Es geht um mehr als nur einen ersten Eindruck - doch selbst der wird dem Zöllner aus Jericho verwehrt. Die Menschenmenge versperrt ihm die Sicht und der Mann greift zu einer List: Er klettert auf einen Baum, um von dort aus einen Blick auf den Herrn zu erhaschen. Stellt man sich das vor, dürfte man die Reaktionen der Umstehenden erahnen können. Zachäus ist nicht irgendein kleiner Junge, keine beliebige Person; er ist der reichste Mann der Stadt und der oberste Zollpächter noch dazu. Ein Mann mit Ansehen, zu dessen normalen Verhaltensweisen das jugendhafte Besteigen von Bäumen kaum gezählt haben dürfte.

Er tut es dennoch. Er, der von Jesus eigentlich noch nicht sonderlich viel gehört zu haben scheint, wird offensichtlich von einer gewissen Unruhe ergriffen. Sein Einsatz wird belohnt. Jesus sieht ihn und erkennt ihn. So wenig die Suche des Zachäus nach Jesus oberflächlich war, so wenig nimmt Jesus Zachäus nur am Rande wahr. Er sieht nicht nur einen Menschen auf einem Baum, er sieht tiefer, sieht die Schuld des Mannes, sieht die Verletzungen. Er sagt: "Zachäus, komm schnell herunter. Denn ich muss heute in deinem Haus bleiben." (19,5) Nicht nur, dass er den Namen ausspricht, er drängt den Mann direkt, herunter zu kommen. Jesus "muss" bei Zachäus zu Gast sein - das drückt wiederum mehr als nur eine oberflächliche Notwendigkeit aus, als gäbe es keinen anderen Mann in Jericho, bei dem der Herr hätte verweilen können. Es ist gerade eine innere Notwendigkeit, dass Jesus bei diesem Mann bleibt; bei ihm, der vielen wohl als der größte Sünder vor Ort gegolten haben dürfte.

Zöllner waren unbeliebte Menschen. Sie kooperierten nicht nur mit den römischen Besatzern, sondern verlangten vielfach auch mehr Zoll als ihnen zustand. Zachäus selbst sieht das ein: "Siehe, Herr, die Hälfte meines Vermögens gebe ich den Armen, und wenn ich von jemandem zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück." (19,8) Damit spielt der Zöllner selbst auf eine Regelung aus dem Buch Levitikus (5,20 ff.) an, der zufolge nach einer Erpressung das erpresste Geld, zusätzlich aber noch ein Fünftel der Summe zurückgegeben werden muss. Statt des Fünftels will Zachäus gar das Vierfache zurückgeben. Die Begegnung mit dem Herrn hat zu einer tiefen Bekehrung des Mannes geführt.

Den Stadtbewohnern will das natürlich wieder nicht so recht passen. Sie wollen es sich nicht gefallen lassen, dass Jesus ausgerechnet beim Sünder zu Gast ist: "Er ist bei einem Sünder eingekehrt." (19,7) Sie haben einmal mehr die Botschaft Jesu nicht verstanden. Er ist nicht bei Zachäus eingekehrt, obwohl dieser ein Sünder war - sondern gerade deswegen. Diese Botschaft wird im Lukasevangelium immer und immer wieder betont und wiederholt: Jesu Mission ist es nicht, die Frommen und Heiligen zu besuchen. Seine Mission ist es, die Sünder zu rufen. Dabei geht er immer den ersten Schritt. So, wie Jesus Zachäus vom Baum herabruft, steht der barmherzige Vater schon vor der Türe, als der verlorene Sohn zurückkehrt, sucht die für Gott stehende Witwe die verlorene Geldmünze unermüdlich, bis sie gefunden ist. Jesus ist der gute Hirte, der dem einen verlorenen Schaf nachsteigt - auch wenn das bedeutet, die übrigen 99 zurückzulassen. Und so schließt die Perikope dieses Sonntags auch mit einer Zusammenfassung: "Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist." (19,10)



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