Durch das Kirchenjahr: Hat Gott einen Namen?
… mit Benedikt:
3. Sonntag der Fastenzeit – Ex 3,1-8a.10.13-15
Einen Namen haben, das heißt: Ansprechbar sein. Ja, Du bist gemeint! Würden wir keine Namen tragen, wäre Kommunikation fast unmöglich. Wer wüsste schon, wer gemeint ist? Wer ist wer? Namen können eindeutig Personen benennen. Wenn der Vorname nicht reicht, hilft der Nachname weiter. In offiziellen Kontexten möglicherweise noch das Geburtsdatum – spätestens dann aber ist ein Mensch ganz konkret und zweifelsfrei bezeichnet. Man weiß jetzt, wer gemeint ist.
Wie aber ist das mit Gott? Vor dieser Frage steht Mose in der ersten Lesung dieses Sonntags. Im brennenden Dornbusch begegnet er dem unvergänglichen Gott. Der Herr teilt mit, er habe das große Leid seines geliebten Volkes Israel gesehen. Mose soll zum Werkzeug seines Heilshandelns werden, den Exodus aus Ägypten und den Zug in das gelobte Land anführen. Da bekommt Mose es mit der Angst zu tun. „Gut, ich werde also zu den Israeliten kommen und ihnen sagen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt. Da werden sie mich fragen: Wie heißt er? Was soll ich ihnen sagen?“ Diese Sorge des Mose wirkt etwas seltsam. Es geht doch, wie er selbst sagt, um den „Gott eurer Väter“. Da werden die Israeliten doch wohl wissen, wer das ist!
Die Israeliten vielleicht schon. Aber die Ägypter? Die Machthaber, die das Volk Gottes unterdrücken, glauben an viele Götter. Im Polytheismus ist es mit den Göttern wie bei den Menschen: Sie brauchen einen Namen, um sie voneinander abzugrenzen. Wer an viele Götter glaubt, kann nicht einfach sagen: „Ich glaube an Gott.“ Oder: „Ich bete zu meinem Gott.“ Es wäre ja gar nicht klar, welchen der Götter man nun genau meint. Also haben sie alle Namen. Und der Gott Israels? Der hat eigentlich keinen Namen. Was nun?
Gott, sagt man, offenbart am Sinai dem Mose seinen Namen. Er nennt sich der „Ich-bin“. Im Hebräischen steht hier ein ganzer Satz, der sich eigentlich jeder Übersetzung entzieht, am ehesten vielleicht noch mit „Ich bin der, der ich bin“ wiedergegeben werden kann. Nach einem Namen klingt das nicht wirklich. Andererseits hat Gott in der Bibel einen Namen, den wir meistens mit „Jahwe“ wiedergeben. Im Judentum ist es seit sehr langer Zeit Brauch, diesen Namen nicht auszusprechen. Warum das so ist, bleibt in der Wissenschaft umstritten. Aus Ehrfurcht? Möglicherweise hatte man Angst, eines der zehn Gebote zu verletzen, das vorschreibt, den Namen Gottes nicht zu verunehren. Was heißt schon „verunehren“? Möglicherweise wurde der Gottesname aus Vorsicht daher gar nicht mehr ausgesprochen. Die neue Einheitsübersetzung orientiert sich aus Ehrfurcht vor dem Gottesnamen und dem Judentum an dieser Tradition.
Das heißt aber auch: Gott hat eigentlich gar keinen Namen. Mose will den Namen Gottes erfahren, um klar sagen zu können, in wessen Auftrag er handelt. Die Antwort Gottes ist eben keine Offenbarung seines Namens. Gott nutzt einen etwas kryptischen Satz, um sein Wesen zu umreißen – ein Wesen, das eigentlich gar nicht benannt werden kann. Als Mose vor dem Dornbusch steht, sagt Gott: „Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden.“ Der Boden vor dem Heiligen – Gott – ist heilig. Das hebräische Wort für „heilig“ kann in einer ursprünglichen Bedeutung auch „anders“ meinen.
Gott ist der ganz Andere. Er ist der, der sich einem klaren Namen entzieht. Das tut er nicht, um Kommunikation mit ihm zu verhindern. Ganz im Gegenteil! Aus freien Stücken teilt sich Gott dem Mose mit, aus freien Stücken führt er Israel aus der Sklaverei. So einfach verfügbar ist dieser Gott aber nicht. Er ist immer der Andere, der unsere gewöhnlichen Denkstrukturen durchbricht. Alleine schon das Geschehen am Sinai: Gott erscheint dem Mose in einem brennenden, aber nicht verbrennenden Dornbusch. Was für ein gewöhnliches, ja beinahe schon hinfälliges Zeichen! Im Unerwarteten erscheint der Ungewöhnliche; der, an den man sich nie so einfach wird gewöhnen können.