Regensburg, 25. Januar 2025.
Das Evangelium für den kommenden Sonntag, den dritten im Jahreskreis, steht im Brief des Apsstels Paulus an die Gemeinde in Korinth. Zu finden ist die vergleichsweise sehr lange Passage im zwölften Kapitel, dort sind es die Verse 12 bis 31a. Der Apostel erläutert hier sein zentrales Anliegen an einem sehr ausgefeilten und mit einer ganzen Reihe von Argumenten ausgemalten Beispiel, das aber seinen Zuhörern unmittelbar einleuchten konnte. Worum geht es? Um die Feststellung, dass jeder Mensch ein jünger Jesu sein könne und eben nicht nur Angehörige der jüdischen Gemeinde. Mit dieser gewaltigen Idee des Paulus tritt das Christentum seinerzei überhaupt erst aus dem Schatten der klassisch tradierten jüdischen Riten hinaus. Und das Beispiel? Das konnte jeder Leser buchstäblich nachfühlen, an sich selbst, an seinem eigenen Leib.
Dritter Sonntag im Jahreskreis C – Erster Korintherbrief 12,12-31a
„Schwestern und Brüder! 12Wie der Leib einer ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus. 13Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt. 14Auch der Leib besteht nicht nur aus einem Glied, sondern aus vielen Gliedern. 15Wenn der Fuß sagt: Ich bin keine Hand, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört er doch zum Leib. 16Und wenn das Ohr sagt: Ich bin kein Auge, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört es doch zum Leib. 17Wenn der ganze Leib nur Auge wäre, wo bliebe dann das Gehör? Wenn er nur Gehör wäre, wo bliebe dann der Geruchssinn? 18Nun aber hat Gott jedes einzelne Glied so in den Leib eingefügt, wie es seiner Absicht entsprach. 19Wären alle zusammen nur ein Glied, wo bliebe dann der Leib? 20So aber gibt es viele Glieder und doch nur einen Leib. 21Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht. Der Kopf wiederum kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht. 22Im Gegenteil, gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich. 23Denen, die wir für weniger edel ansehen, erweisen wir umso mehr Ehre und unseren weniger anständigen Gliedern begegnen wir mit umso mehr Anstand, 24während die anständigen das nicht nötig haben. Gott aber hat den Leib so zusammengefügt, dass er dem benachteiligten Glied umso mehr Ehre zukommen ließ, 25damit im Leib kein Zwiespalt entstehe, sondern alle Glieder einträchtig füreinander sorgen. 26Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle Glieder mit. 27Ihr aber seid der Leib Christi und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm. 28So hat Gott in der Kirche die einen erstens als Apostel eingesetzt, zweitens als Propheten, drittens als Lehrer; ferner verlieh er die Kraft, Machttaten zu wirken, sodann die Gaben, Krankheiten zu heilen, zu helfen, zu leiten, endlich die verschiedenen Arten von Zungenrede. 29Sind etwa alle Apostel, alle Propheten, alle Lehrer? Haben alle die Kraft, Machttaten zu wirken? 30Besitzen alle die Gabe, Krankheiten zu heilen? Reden alle in Zungen? Können alle übersetzen? 31aStrebt aber nach den höheren Gnadengaben!“
In dem Abschnitt aus dem ersten Korintherbrief, den wir am vergangenen Sonntag hörten (1 Kor 12, 4 - 11), betonte der Apostel Paulus die Einheit der verschiedenen Geistesgaben: Alle Christen haben unterschiedliche Gaben vom Geist empfangen, der Urheber all dieser Gaben ist aber derselbe – der Heilige Geist. Dieses Thema der Einheit greift der Apostel nun mit einer in der Antike bekannten Fabel auf. Bereits der römische Geschichtsschreiber Tacitus berichtet, dass im Jahr 494 v. Chr. die einfachen Bürger die Stadt Rom verlassen hätten, weil sie sich von den herrschenden Adligen ungerecht behandelt fühlten. Diese sandten einen Unterhändler zu den Bürgern. Der Unterhändler erzählt eine einfache Fabel: Einst waren die Körperteile erbost auf den Magen. Alle Körperteilte versuchten, möglichst viel Nahrung für den Magen herbeizuschaffen. Dieser aber tat nichts anderes als diese Nahrung zu verdauen. Da wurden die übrigen Körperteile zornig auf den vermeintlich faulen Magen und beschlossen, ihn zu boykottieren: Sie schafften keine Nahrung mehr heran. Doch mit dem Magen wurden auch sie immer schwächer und mussten einsehen, dass der Magen von ihnen, sie aber auch vom Magen abhängig waren. Die Fabel war erfolgreich, die Menschen kehrten in die Stadt zurück. Sie sollen verstanden haben, dass sie vom Adel, der Adel aber auch von ihnen abhängig war.
Dieses geläufige Bild greift Paulus auf: „Wie der Leib einer ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus.“ Der Leib lebt von der Unterschiedlichkeit seiner einzelnen Teile. Es kann nicht alles Auge sein oder Ohren – der Körper braucht seine verschiedenen Teile, sie alle aber sind Teil des eines Körpers. Dieses Bild lässt sich auch auf die christliche Gemeinde übertragen: Mit ihren unterschiedlichen Begabungen gehören alle Christen zur Gemeinde. Diese Gemeinde muss die Spannung von Vielfalt in Einheit aushalten: Alle sind anders, aber eins.
Dieses Bild nun ließe sich natürlich auf jeden mehr oder weniger festen Verbund von Menschen übertragen. Jeder Fußballverein lebt von unterschiedlichen Begabungen, die sich gegenseitig ergänzen. Mit Blick auf die christliche Gemeinde kann man aber noch einen Schritt weitergehen: „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt.“ Wir sind nicht nur Teil einer menschlichen Vereinigung. Der Leib, zu dem wir als Körperteile gehören, ist der Leib Christi selbst: „Ihr aber seid der Leib Christi und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm.“
Auch auf diesen Leib aber trifft das Gleichnis vom Körper zu. Wir alle haben unterschiedliche Berufungen und wurden von Gott an verschiedene Orte gesetzt. Die einen sind Apostel, andere Propheten oder Lehrer. Keiner von uns ist verzichtbar und in der Kirche wird es wie mit den Körperteilen sein, bei denen doch gerade die zentralen Organe wie das Herz von außen nicht sichtbar sind. Wir mögen die Bischöfe und Priester zurecht als unverzichtbare Körperteile des Leibes Christi wahrnehmen; die alten Gläubigen etwa, die im Gebet verharren, sind es aber ebenso. Christliche Gemeinde kann nur gelingen, wenn wir uns das vor Augen halten: Dass jeder von uns unverzichtbar ist mit den Begabungen, die er vom Heiligen Geist erhalten hat, weil wir durch die Taufe Anteil erhalten haben an Christus und Teil seines Leibes geworden sind. Wir gehören zu Christus, dem Haupt des Leibes. Der Heilige Augustinus sagte mit Blick auf die Eucharistie: „Empfange, was du bist: Leib Christi. Werde, was du empfängst: Leib Christi!“ Wir sind Teil des Leibes Christi und empfangen diese Gnade immer neu aus der Hand des Herrn.
Text: Benedikt Bögle
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