Regensburg, 2. November 2024
Der Predigttext für den kommenden Sonntag, den 31. im Jahreskreis, kommt aus dem Hebräerbrief. Er steht dort im siebten Kapitel, es handelt sich um die Verse 23 bis 28. Ein weiteres Mal geht es um den Charakter des Priestertums. Die Einzigartigkeit des Priestertums Christi ist Gegenstand der Betrachtung, denn er ist ein für alle Mal für die Sünden aller gestorben, hat sich dargebracht und ist nach Lösung aller Bande, die an die Sünde ketten können, am dritten Tage auferstanden. Alle Menschen, auch die von ihm eingesetzten Priester, sind Geschöpfe in der Sünde. Nur er, Jesus Christus, die Personifizierung der Reinheit von Sünde.
31. Sonntag im Jahreskreis B – Hebräer 7, 23 – 28
23Im ersten Bund folgten viele Priester aufeinander, weil der Tod sie hinderte zu bleiben; 24Jesus aber hat, weil er in Ewigkeit bleibt, ein unvergängliches Priestertum. 25Darum kann er auch die, die durch ihn vor Gott hintreten, für immer retten; denn er lebt allezeit, um für sie einzutreten. 26Ein solcher Hohepriester ziemte sich in der Tat für uns: einer, der heilig ist, frei vom Bösen, makellos, abgesondert von den Sündern und erhöht über die Himmel; 27einer, der es nicht Tag für Tag nötig hat, wie die Hohepriester zuerst für die eigenen Sünden Opfer darzubringen und dann für die des Volkes; denn das hat er ein für alle Mal getan, als er sich selbst dargebracht hat. 28Das Gesetz nämlich macht Menschen zu Hohepriestern, die der Schwachheit unterworfen sind; das Wort des Eides aber, der später als das Gesetz kam, setzt den Sohn ein, der auf ewig vollendet ist.
Einmal mehr vergleicht der Hebräerbrief in dem Ausschnitt, den wir an diesem Sonntag hören, Christus mit dem Hohepriester. Viele Priester folgten aufeinander; weil sie starben, mussten immer neue Priester bestellt werden. Christus aber lebt in Ewigkeit, er hat daher „ein unvergängliches Priestertum.“ Für den Hebräerbrief ist Christus der Hohepriester schlechthin. Immer wieder wird er mit den menschlichen Hohepriestern verglichen, nur um ein ums andere Mal festzustellen, dass dieser Vergleich hinkt. Es gab viele Hohepriester, aber es gibt nur einen Christus. Die Priester starben, aber Christus lebt in Ewigkeit. Die Priester brachten Opfer für die Sünden dar – „zuerst“ mussten sie „für die eigenen Sünden Opfer“ darbringen, da sie als Menschen ja selbst Sünder waren. Anders Christus: Er ist heilig, „frei vom Bösen, makellos, abgesondert von den Sündern und erhöht über die Himmel“. Die Priester mussten täglich Opfer darbringen, Christus aber nur ein einziges Mal, „als er sich selbst dargebracht hat.“
Mit diesem Satz wird das Bild des Opfergottesdienstes endgültig gesprengt. Die Priester brachten ein Opfertier dar und richteten dieses Opfer an Gott. In Christus fallen alle drei Punkte zusammen: Er ist der Priester, der opfert, gleichzeitig aber das Opfertier selbst. Als Sohn Gottes und göttliche Person ist er gleichzeitig auch der Adressat des Opfers selbst. Christus hat sich selbst zum Opfertier gemacht.
Diese Aussage findet sich noch an anderer Stelle im Neuen Testament. Für die vier Evangelisten ist der chronologische Ablauf des Leidens, Sterbens und Auferstehens Jesu eindeutig: Am Donnerstagabend feierte er ein Mahl mit seinen Jüngern, am Freitag starb er, am Sonntagmorgen war das Grab leer. Die vier Evangelisten sind sich zudem einig, dass dieser Tod im Zusammenhang mit dem Pessachfest steht. Die drei ersten Evangelisten datieren den ersten Festtag von Pessach auf den Freitag; das letzte Mal am Donnerstagabend ist damit ein Pessachmahl. Das Johannesevangelium sieht das anders: Der erste Festtag sei erst am Samstag gewesen, das Pessachmahl habe daher erst am Freitagabend stattgefunden. Diese kleine zeitliche Verschiebung des religiösen Festkalenders öffnet die Tür für eine theologische Aussage: Jesus stirbt danach zu eben der Stunde, als im Tempel die Lämmer für das Pessachmahl geschlachtet werden.
Am Kreuz hängt Christus, unser Pessachlamm. Er hat sich selbst zum Opfer gemacht. Das Opfer ist für den Glauben Israels nie die Besänftigung eines zürnenden Gottes, der sich irgendetwas aus möglichst großen Blutmengen machen würde. Es ist eine Art der Kontaktaufnahme mit dem Urheber des Lebens. Das Opfer ist ein Ort der Begegnung mit Gott. Christus macht sich selbst zum Opfer und damit zu diesem Ort der Begegnung. Am Kreuz begegnet uns Gott, wie er ist: Grenzenlose, in den Tod gehende Liebe. Diese Liebe rettet uns für immer, wie der Hebräerbrief sagt.
Text: Benedikt Bögle
(sig)