Regensburg, 24. August 2024
Die Lesung für morgen, den einundzwanzigsten Sonntag im Jahreskreis, kommt aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Ephesos im ionischen Griechenland, heutzutage türkisch besiedelt, und sie steht dort im fünften Kapitel. Paulus deutet dort, in den Versen 21 bis 32, die Liebe Gottes, die durch die Ehe zwischen Mann und Frau hindurchscheint, in ihr sichtbar wird und sie zu einem Sakrament der katholischen Kirche macht.
21. Sonntag im Jahreskreis B – Epheserbrief 5,21 – 32
„Schwestern und Brüder! 21Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Furcht Christi! 22Ihr Frauen euren Männern wie dem Herrn; 23denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist. Er selbst ist der Retter des Leibes. 24Wie aber die Kirche sich Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen in allem den Männern unterordnen. 25Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, 26um sie zu heiligen, da er sie gereinigt hat durch das Wasserbad im Wort! 27So will er die Kirche herrlich vor sich hinstellen, ohne Flecken oder Falten oder andere Fehler; heilig soll sie sein und makellos. 28Darum sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. 29Keiner hat je seinen eigenen Leib gehasst, sondern er nährt und pflegt ihn, wie auch Christus die Kirche. 30Denn wir sind Glieder seines Leibes. 31Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein. 32Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche.“
Dieser Abschnitt aus dem Epheserbrief dürfte zu den schwierigsten Stellen des Neuen Testaments für unsere modernen Ohren gehören. Die Frauen sollen sich den Männern unterordnen, „denn der Mann ist das Haupt der Frau“. Nach einer partnerschaftlichen Beziehung auf Augenhöhe klingt das nicht gerade. Wie können und sollen wir heute mit einer solchen Stelle umgehen? Dürfen wir sie als überholt abtun und ignorieren?
Der Schlüssel dieser Stelle liegt wohl in ihrem letzten Satz: „Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und seine Kirche.“ Der Autor des Epheserbriefes schreibt über die Beziehung von Mann und Frau, deutet diese Beziehung aber ganz ausdrücklich auf das Verhältnis von Kirche und Christus. In dieser Stelle finden wir erste Grundzüge der katholischen Ehelehre. Für die Kirche ist die Ehe ein Sakrament. Allen Sakramenten ist gemeinsam, dass die sogenannte „Realsymbole“ sind: Sie bezeichnen – wie ein Symbol – eine Wirklichkeit bei Gott; sie vermitteln diese Wirklichkeit aber gleichzeitig und sind insofern „reale“ Symbole.
Die Eucharistie beispielsweise ist ein Symbol für die Gegenwart und Hingabe Christi. Ein solches Symbol ist aber auch jedes Kreuz, dass wir in unseren Wohnungen aufhängen. Als Sakrament und als Realsymbol bezeichnet die Eucharistie nicht nur die Gegenwart Christi, sondern vermittelt sie auch – durch die Eucharistie wird Christus nicht nur bildlich, sondern wahrhaftig gegenwärtig. Das Sakrament der Versöhnung ist nicht nur ein Symbol für die Vergebung Gottes, sondern vermittelt sie, spricht die Vergebung wirksam zu. Im Sakrament der Firmung sehen wir nicht nur ein Bild für die Sendung des Heiligen Geistes, sondern verstehen das Sakrament als diese Geistgabe selbst.
So liegt es auch mit der Ehe. Die Liebe von Mann und Frau ist ein Symbol für die Liebe Christi zu seiner Kirche – aber als Sakrament eben noch mehr, nicht nur ein Bild dieser Liebe. Die Ehe lässt die Liebe Christi wirksam werden und ist daher wie alle anderen Sakramente ein „Realsymbol“. Diese Idee der Sakramente wurde in dieser Form vor allem im Mittelalter entwickelt, einen ersten Schritt dazu finden wir aber bereits im Hebräerbrief. Christus ist das Haupt der Kirche, die Kirche aber soll sich Christus unterordnen. Christus liebt seine Kirche. Diese Beziehung überträgt der Epheserbrief auf die Ehe und kommt daher zum Schluss, der Mann sei das Haupt der Frau, die Frau solle sich dem Mann unterordnen und der Mann solle seine Frau lieben. Das heißt: Die Eheleute sollen die Liebe Gottes zur Kirche und zur Menschheit im Kleinen leben und gegenwärtig werden lassen.
Vielleicht ist das der Schlüssel dafür, wie wir heute diese Stelle aus dem Epheserbrief verstehen dürfen. Die Rede davon, die Eheleute sollten die Beziehung zwischen Christus und Kirche widerspiegeln, ist bleibend gültig. Dass wir angesichts einer menschlichen Beziehung auf Augenhöhe nicht mehr in den Kategorien einer einseitigen Unterordnung denken und sprechen dürfen, versteht sich von selbst. Heute dürfen wir betonen: Wie Christus die Kirche liebt und die Kirche Christus, so sollen sich Mann und Frau lieben. Wie die Kirche ein Ort des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe sein soll, so soll es auch die christliche Ehe sein. Bleibend gültig ist auch der Schluss des Epheserbriefes: „Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche.“
Text: Benedikt Bögle
(sig)