Regensburg, 3. August 2024
Die Lesung für morgen, den achtzehnten Sonntag im Jahreskreis, kommt aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Ephesos im ionischen Griechenland, heutzutage türkisch besiedelt, und sie steht dort im vierten Kapitel. Paulus ermahnt dort, in den Versen 17 sowie 20 bis 24, die Gläubigen zur Einhaltung von Moral und Gerechtigkeit. Grundlage dafür soll der neue Lebenswandel sein, den Christus vorgelebt und gepredigt hat.
18. Sonntag im Jahreskreis B – Epheserbrief 4,17 und 20 – 24
„Schwestern und Brüder! 17Das also sage ich und beschwöre euch im Herrn: Lebt nicht mehr wie die Heiden in ihrem nichtigen Denken! 20Ihr habt Christus nicht so kennengelernt. 21Ihr habt doch von ihm gehört und seid unterrichtet worden, wie es Wahrheit ist in Jesus. 22Legt den alten Menschen des früheren Lebenswandels ab, der sich in den Begierden des Trugs zugrunde richtet, 23und lasst euch erneuern durch den Geist in eurem Denken! 24Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit!“
„Lebt nicht mehr wie die Heiden“, ruft der Autor des Epheserbriefs seinen Lesern entgegen. Für den Epheserbrief ist das Miteinander von Juden und Heiden ein großes Thema; ausführlich begründet er an anderer Stelle, dass durch Christus Juden und Heiden nicht mehr voneinander getrennt sind (vgl. Eph 2,11-22). Wir dürfen daher annehmen, dass sich sein Brief auch an sogenannte Heidenchristen wendet, an Menschen also, die zunächst Heiden waren, dem Glauben an viele Götter anhingen, und nun Christen geworden sind. „Lebt nicht mehr wie die Heiden“ ist damit eine Erinnerung an die eigene Vergangenheit: „Lebt nicht mehr wie früher, als ihr noch Heiden wart“, könnte der Autor ebenfalls schreiben.
In der frühen Kirche war die Entscheidung, als Christ zu leben und die Taufe zu empfangen, eine Entscheidung, die das ganze Leben auf den Kopf stellen konnte. Als Christ lebte man tatsächlich in einem ganz neuen, anderen Leben. Das war nicht selten schwierig: Viele der zum christlichen Glauben gekommenen Heiden mussten beispielsweise ihren Beruf aufgeben, weil er mit dem Christentum nicht mehr vereinbar war – etwa die Soldaten. Der Ruf in die Nachfolge Christi konnte das ganze Leben auf den Kopf stellen. Für uns ist das kaum mehr nachzuvollziehen. Die meisten von uns sind bereits seit Kindertagen Christen und müssen daher nicht mehr zum Glauben an Christus kommen und folglich das bisherige Leben vermeintlich auch nicht mehr ändern.
Geht uns dann dieser Abschnitt aus dem Epheserbrief überhaupt etwas an? Ja, mit Sicherheit. Der Autor schildert den Prozess des Christwerdens als Übergang: Vom Heidentum zum Christentum, vom „alten Menschen“ zum „neuen Menschen“, von einem Leben, das den Heiden entspricht, zu einem Leben in Gott. Wenn der Autor des Briefes diese Aussage als Aufforderung gestaltet, zeigt er doch gleichzeitig, dass dieser Prozess der Verwandlung in seiner Gemeinde noch nicht ganz abgeschlossen ist: „Zieht den neuen Menschen an“, schreibt er und setzt damit offenbar voraus, dass noch nicht alle endgültig diesen neuen Menschen angezogen haben.
Das Bild, die Christen würden einen „neuen Menschen“ anziehen, hat Eingang in die Taufe gefunden. Wenn dem Täufling ein weißes Kleid angezogen wird, hat diese Deutung der Taufe einen Grund in diesem Bild des Epheserbriefes. Wer getauft wird, gehört ganz zu Christus; er muss sich nun anders „kleiden“, ein anderes Leben führen, sich einer anderen Existenz vergewissern. Nicht alles in unserem Leben entspricht dieser Würde, die wir in der Taufe empfangen haben; nicht alles wird der Tatsache gerecht, dass wir „nach dem Bild Gottes geschaffen“ sind. Wenn wir eine Kirche betreten, machen wir mit dem Weihwasser ein Kreuzzeichen; dieses Kreuzzeichen soll uns an die Taufe erinnern. Unser ganzes Leben als Christen muss immer wieder eine Übung sein, dieses Taufkleid jeden Tag neu anzuziehen und seiner Bedeutung gerecht zu werden. Als Christen sind wir auf dem Weg. Das letzte Ziel haben wir noch nicht erreicht. Haben wir, dürfen wir uns jeden Tag fragen, wie Christen gelebt oder wie die „alten Menschen“? Haben wir Christus verinnerlich, ja, ihn angezogen wie ein Kleid?
Text: Benedikt Bögle
(sig)