Regensburg, 22. Juni 2024
Die Lesung für morgen, den zwölften Sonntag im Jahreskreis, kommt aus dem Buch Ijob, auch bekannt als Buch Hiob. Sie steht dort im 38. Kapitel. es sind die Verse eins und acht bis elf. Gott zeigt sich hier dem Hiob in seiner allumfassenden Macht, indem er ihm vor Augen führt, dass die Gewalt hat über die Wellen der Ozeane und die Winde, also die mächtigsten Naturgewalten. Er reagiert damit auf die Theodizee-Frage, die Hiob aufgeworfen hatte.
Zwölfter Sonntag im Jahreskreis B – Ijob 38,1.8-11
„1Der HERR antwortete dem Ijob aus dem Wettersturm und sprach: 8Wer verschloss das Meer mit Toren, als schäumend es dem Mutterschoß entquoll, 9als Wolken ich zum Kleid ihm machte, ihm zur Windel dunklen Dunst, 10als ich ihm ausbrach meine Grenze, ihm Tor und Riegel setzte 11und sprach: Bis hierher darfst du und nicht weiter, hier muss sich legen deiner Wogen Stolz?“
Ijob „war untadelig und rechtschaffen“ (Ijob 1,1). Er lebt, wie es Gott gefällt. Da will der Satan eine Wette mit dem Herrn abschließen. Er meint: Ijob lebt nur gottesfürchtig, solange es ihm gut geht; nähme man ihm alles, so würde er sich von Gott abkehren. Gott, der Herr, geht im Buch Ijob auf diese Wette des Satans ein. Alles darf der Teufel Ijob nehmen: Besitz, Gesundheit, die Familie. Ijob ist am Boden zerstört. Er versteht die Welt nicht mehr und will wissen, warum er dieses Leid verdient hat. „Warum starb ich nicht vom Mutterschoß weg, kam ich aus dem Mutterleib und verschied nicht gleich?“ (Ijob 3,11). Sein ganzes Leben bereut der arme Mann.
In dieser Erzählung reflektiert das Alte Testament eine menschliche Grundfrage: Warum gibt es das Leid? Und warum scheint Glück und Leid so ungleich verteilt zu sein? Wie kann der liebende und allmächtige Gott das Leid der Welt hinnehmen? Wieso tut er nichts? Einige Freunde besuchen Ijob und haben allesamt eine sehr einfache Lösung: Ijob muss gesündigt haben; sein Leid kann nur die Strafe Gottes sein. „Wohin ich schaue: Wer Unrecht pflügt, wer Unheil sät, der erntet es auch“, spricht einer der Freunde (Ijob 4,8). Der Leser des Buches freilich weiß, dass das nicht stimmt: Ausdrücklich wurde Ijob ja als fromm und gerecht bezeichnet; das ihn treffende Leid ist keine gerechte Strafe.
Über viele Kapitel geht der Disput zwischen Ijob und seinen Freunden – Gott aber schweigt. Am Ende erst erhebt er seine Stimme: „Wo warst du, als ich die Erde gegründet?“ (Ijob 38,4). Der Klage des Ijob setzt Gott seine Ewigkeit entgegen: Er war von Anfang an und hat diese Welt ins Dasein gerufen. Aus dieser Rede stammt nun auch der Abschnitt dieses Sonntags: Wo war denn Ijob, als Gott das Meer gründete und ihm Grenzen setzte? „Alles unter dem Himmel ist mein“, spricht Gott später (Ijob 41,3). Der menschlichen Klage über das Leid setzt Gott seine eigene Anwesenheit entgegen. Er, der die Welt erschaffen hat, hat ihren Gang nicht aus der Hand gegeben. Und wenn das Leid noch so groß erscheint: Gott ist da, alles ist sein.
Im Evangelium dieses Sonntags hören wir, wie Jesus den Sturm besänftigen kann, der die Jünger untergehen zu lassen droht (vgl. Mk 4,35-41). Da fragen die Jünger: „Wer ist denn dieser, dass ihm sogar der Wind und das Meer gehorchen?“ (Mk 4,41). Die Antwort schient die Lesung aus dem Buch Ijob zu geben: Es ist dieser, der dem Meer „Tor und Riegel setzte“. Der Herr, der die Welt erschuf, ist mit seinen Jüngern im Boot. Diese Zuversicht vermag unsere Klage über das Leid der Welt nicht zum Verstummen zu bringen. Doch wir haben eine Hoffnung: Dass in allen Stürmen unseres Lebens der mit im Boot sitzt, der Herr über die Stürme ist; dass das bedrohliche Wasser nicht die letzte Macht über unser Leben erringen kann, wenn der an unserer Seite ist, der das Wasser erschaffen hat.
Text: Benedikt Bögle
(sig)