Regensburg, 15. Juni 2024
Die Lesung für morgen, den elften Sonntag im Jahreskreis, kommt aus dem zweiten Korintherbrief. Sie steht im fünften Kapitel, dort sind es die Verse 6 bis 10. Es geht um die Orientierung des Menschen auf das Kommende, auf das Reich Gottes. Das benennt er als das eigentliche Ziel, dem auch der Weg, auf dem sich alle Menschen befinden, untergeordnet sein soll. Indirekt bringt der Apostel Paulus, der Autor, auch zum Ausdruck, dass dieser Weg jeden Menschen betrifft, dass die Hinwendung zu Gott also eine Notwendigkeit ist.
Elfter Sonntag im Jahreskreis B – Zweiter Korintherbrief 5, 6 – 10
„Schwestern und Brüder! 6Wir sind immer zuversichtlich, auch wenn wir wissen, dass wir fern vom Herrn in der Fremde leben, solange wir in diesem Leib zu Hause sind; 7denn als Glaubende gehen wir unseren Weg, nicht als Schauende. 8Weil wir aber zuversichtlich sind, ziehen wir es vor, aus dem Leib auszuwandern und daheim beim Herrn zu sein. 9Deswegen suchen wir unsere Ehre darin, ihm zu gefallen, ob wir daheim oder in der Fremde sind. 10Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit jeder seinen Lohn empfängt für das Gute oder Böse, das er im irdischen Leben getan hat.“
Der Apostel Paulus bringt eine Grunderfahrung christlichen Glaubens auf den Punkt: „Denn als Glaubende gehen wir unseren Weg, nicht als Schauende.“ Das heißt: Wir haben noch nicht die volle Erkenntnis. „Glauben heißt, nicht wissen“, sagt ein Sprichwort, das so falsch gar nicht liegt. Diese Spannung zwischen Sehen und Glauben begegnet uns schon an Ostern. Der Apostel Thomas war bei der ersten Erscheinung des Auferstandenen nicht anwesend und verlangt nun als Beweis für die Botschaft von der Auferstehung, den Herrn zu sehen. Der Wunsch geht in Erfüllung und doch sagt Jesus: „Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig, die nicht sehen und doch glauben.“ (Joh 20,29).
Der Hebräerbrief überliefert uns folgende Definition: „Glaube aber ist: Grundlage dessen, was man erhofft, ein Zutagetreten von Tatschen, die man nicht sieht.“ (Hebr 11,1). Selbst der Apostel Paulus definiert sich in diesem Sinne als „Glaubender“, nicht als „Schauender“ – und das, obwohl ihm selbst der Auferstandene begegnet war und er den Herrn gesehen hatte (vgl. Apg 9,1-22). Paulus bleibt ein Glaubender, der sich noch auf dem Weg weiß. Wenn der Apostel schreibt, wir gingen „unseren Weg“ als Glaubende, zeigt er uns, dass das christliche Leben eine Reise hin zu einem Ziel ist, das wir eben noch nicht erreicht haben. Der Christ ist nicht bereits endgültig angekommen; er ist noch auf dem Weg.
Von daher kann Paulus auch schreiben, dass wir „in der Fremde leben“. Das ganze christliche Leben ist so verstanden ein Leben im Exil: Unsere Heimat ist doch in Christus, wir wollen „daheim beim Herrn sein“. Paulus schreibt in diesem Abschnitt über den Tod: Wir sind zuversichtlich, „solange wir in diesem Leib zuhause sind“ und wissen doch, dass unser letztes Ziel nicht dieser Leib, nicht dieses irdische Leben sind. Wir sind auf dem Weg in ein anderes Leben, von dem wir jedoch noch durch den Tod getrennt sind. In dieser Zuversicht „ziehen wir es vor, aus dem Leib auszuwandern“ – also dieses Leben hinter uns zu lassen und zu sterben.
Auf diesem Weg befinden wir uns: Von diesem Leben in das Leben der kommenden Welt; vom Zustand des Glaubens hin zum Schauen der Herrlichkeit Gottes. Mit einem entscheidenden Stichwort beschriebt Paulus diese Reise: Mit der „Zuversicht“. Am Ende dieses Weges wartet ja kein Unbekannter, sondern der Herr, bei dem wir daheim sind. In dieser Zuversicht sind wir berufen, unser ganzes Leben zu gestalten – voller Vorfreude auf die Begegnung mit dem Auferstandenen.
Text: Benedikt Bögle
(sig)