Durch das Kirchenjahr: Bist du der, der kommen soll?
… mit Benedikt:
Dritter Adventssonntag A – Matthäus 11,2-11
So langsam rückt Weihnachten immer näher. Der ein oder andere dürfte schon alle Geschenke beisammen haben. Wer nicht, der könnte langsam in Panik verfallen. Eine Woche noch, dann beginnt die ruhige Woche, der Höhepunkt des Jahres, die große Feier. Zeit, den Blick auf das Wesentliche zu richten – das geht immer und ist immer nötig. Das Evangelium des dritten Adventssonntags zeigt uns das noch einmal ganz deutlich.
Der Täufer Johannes sitzt im Gefängnis. Dort hört er, was Jesus tat, er hört von seinen Heilungen. Und da schickt er seine Jünger zu Jesus und lässt sie fragen: „Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ (11,3) Diese Frage erscheint mehr als seltsam. Johannes und Jesus waren sich ja bereits begegnet. Als Jesus zu Johannes an den Jordan kam, um sich taufen zu lassen, scheint dieser die Bedeutung Jesu gerade als einziger verstanden zu haben. Er bekennt: „Ich müsste von dir getauft werden und du kommst zu mir? (Matthäus 3,13) Schließlich wird der Täufer noch Zeuge einer Stimme aus dem Himmel, die spricht: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.“ (3,17)
Und jetzt plötzlich kommen Johannes Zweifel? Oder ist es mehr eine rhetorische Frage, die der ohnehin schon Überzeugte noch einmal stellt? Wichtiger scheint mir der Kern der Frage: „Bist du der, der kommen soll?“ (11,3) Zwei Wochen des Advents liegen nun hinter uns; zwei Wochen, in denen diese Frage uns begleitet hat: Wer ist Jesus, auf dessen Ankunft wir uns vorbereiten? Was bedeutet er für mich, für mein Leben? Was ändert seine Geburt, seine Existenz, sein Leben, Sterben und Auferstehen ganz konkret in mir?
Wir treten nun in die „heiße Phase“ des Advents ein: Ab dem 17. Dezember beginnt die letzte Woche vor dem Weihnachtsfest. Die Kirche hat eine sehr schöne Tradition für diese Woche, die sogenannten „O-Antiphonen“. In der Vesper, dem Abendgebet der Kirche, wird an jedem Tag des Jahres das Magnificat gebetet, der Lobpreis Mariens, in der die Jungfrau die Größe des Herrn preist. Eingerahmt wird das Magnificat – wie auch alle Psalmen und anderen Gesänge aus der Heiligen Schrift im Stundengebet der Kirche – von einer „Antiphon“, einer Art Kehrvers. In der letzten Woche vor Weihnachten sind diese Antiphonen ganz besonders ausgestaltet. Sie beginnen jedes Mal mit einem staunenden „O“, das eine der Eigenschaften Jesu besingt. So heißt es am ersten Tag etwa „O Weisheit“, am letzten „O Immanuel, unser König und Lehrer“. Am Ende steht immer der gleiche Ruf: „O komm“.
Wir heute verstehen diesen Ruf vielleicht nicht mehr als drängend. Aber er ist es. Der Schrei nach Gott ist der Schrei aller hungernden und dürstenden Menschen, es ist der Schrei der Menschen, deren Heimat zerstört wird, die vertrieben werden und in anderen, fremden und fernen Ländern Zuflucht suchen. Es ist der Schrei der verfolgten und gefolterten Christen der ganzen Welt, der Schrei aller, denen täglich Unrecht getan wird. „Komm“, Herr, komm. Dieser Schrei erinnert uns nicht nur an die Ankunft Jesu an Weihnachten, er erinnert uns Christen daran, dass wir noch immer auf seine Wiederkunft am Ende der Zeiten warten, auf die Heilung der Welt – auch wenn das bisweilen in Vergessenheit gerät.
Wenn wir nun so kurz vor Weihnachten noch einmal die Frage nach Jesus gestellt bekommen, soll das nicht der Unsicherheit dienen. „Bist du der, der kommen soll“ ist eine Anfrage an unser Leben. Wer ist er denn für uns, dieser Jesus, dieses Kind in der Krippe von Bethlehem? Ist er der, dessen Ankunft wir ersehnen?