Durch das Kirchenjahr
... mit Benedikt
Das Paradies, eine Prinzessin und Bananen
Letzte Woche habe ich eine Doku über das Leben der verstorbenen britischen Prinzessin Diana gesehen. Eigentlich ganz interessant. Vor allem das Ende: Die Presse belagerte die Frau, trieb sie, ließ ihr keinen Augenblick Ruhe. In Frankreich raste ihr Fahrer viel zu schnell durch einen Tunnel, um verfolgenden Journalisten zu entgehen. Diana starb. Danach wollte keiner schuld gewesen sein. Und klar: Keiner Zeitung kann man die alleinige Schuld zuschreiben. Keiner der Fotografen kann alleine die Verantwortung für den Unfall tragen. Wenn aus vielen kleinen Journalisten und Fotografen dann aber ein großes System wird, ist das Unglück vorprogrammiert. Auch die Öffentlichkeit trug Schuld: Hätten die Menschen nicht nach immer neuen Fotos und Berichten aus dem Leben der Prinzessin gegiert, hätten Fotografen und Medien gar kein Geschäft damit machen können. Keiner wollte schuld gewesen sein.
Irgendwie erzählt davon auch die Lesung dieses Sonntags. Adam und Eva sitzen noch im Paradies. Heile Welt. Alles dürfen sie tun, nur von einem bestimmten Baum sollen sie nicht essen. Genau das aber tun sie, sie vergreifen sich an den Früchten. Gott durchschaut das. Er fragt Adam: Was sollte das? Adam lenkt die Schuld von sich. Seine Frau habe ihm von den Früchten gegeben. Sie ist also schuld. Gott fragt Eva: Was sollte das? Eva lenkt die Schuld von sich und sagt, die Schlange habe sie verführt. Die ist also Schuld.
Und doch haben Adam und Eva von den Früchten gegessen. Ich finde, wir tun das alle sehr gerne: Die Schuld weglenken von uns. Andere haben Fehler gemacht, wir aber sicher nicht. In vielen Situationen unseres Lebens werden wir Teil eines sündigen Systems, das viele Fehler macht, das aber nicht einfach nur einen Schuldigen präsentieren kann. Die Theologie spricht in diesen Fällen von "Erbsünde".
Komisches Wort. Kann ich denn von meinen Vorfahren Sünde erben, wie ich Grundstücke, Häuser, Schmuck oder Geld erben kann? Wohl kaum. Es geht eher um die Natur des Menschen. Wir alle leben in dieser Welt. In dieser Welt aber gibt es Sünde, viele Sünden. Ganz automatisch werden wir als Teil dieser Welt auch Teil dieser Strukturen. Der große Theologe Karl Rahner hat das an einer Banane verdeutlicht: Nehmen wir mal an, Bananen sind im Supermarkt deswegen so billig, weil irgendwo in Südamerika Menschen ausgebeutet werden. Wenn ich jetzt eine Banane kaufe, beute ich nicht aktiv einen Menschen aus. Nur, weil ich gerne Bananen esse, muss kein Mensch sterben und niemand landet in der Sklaverei. Aber: Das System, das Menschen ausbeutet und billige Bananen produziert, funktioniert nur, weil ich sie kaufe. Das müssen auch gar keine Bananen sein. Denken wir mal an die billigen Klamotten, die sich in den Schränken häufen. Klar zwinge ich kein Kind zur Arbeit. Aber irgendwo auf der Welt passiert das und mein Kaufverhalten trägt dazu bei, dass dieses System funktioniert.
Die Schuld immer auf andere zu wälzen klappt also irgendwie nicht. Wenn in der Schule zum Beispiel gemobbt wird, gibt es nicht den einen Schuldigen. Mobbing funktioniert nur, weil alle - oder beinahe alle - mitmachen und die anderen wegschauen. Wenn nur einer hänselt, ist das wohl noch kein Mobbing und hat vermutlich noch kein System. Wenn aber viele ihren kleinen Beitrag leisten, entsteht Leid. Adam hat vom Baum gegessen. Eva hat vom Baum gegessen. Vielleicht hat die Schlange dazu angestiftet. Aber gegessen haben sie selber.
Unser Autor Benedikt Bögle schreibt ab jetzt regelmäßig in der Rubrik "Durch das Kirchenjahr" über sein Entdecken und Erfahren von Feiertagen und Sonntagsevangelien aus dem Kirchenjahr im Alltag.