Wir veröffentlichen hier die Statements von Bischof Rudolf Voderholzer bei der Dritten Synodalversammlung des Synodalen Weges am 3. Februar 2022. Es handelt sich um das gesprochene Wort. Zuvor hatten wir an dieser Stelle das geschriebene Manuskript gezeigt.
„Ja, ich möchte etwas sagen zum Gutachten, das in München veröffentlicht wurde und das doch auch bei uns ziemlich für Verunsicherung gesorgt hat.
Drei Beobachtungen:
1. Es ist grotesk, dass sich über eine "Quaestio facti", also eine Tatsachenfrage, die durch Einsichtnahme in die Quelle, sprich das Protokoll, mit Leichtigkeit schnell und eindeutig geklärt werden kann, wie die auf Quellenrecherchen beruhende Biographie von Peter Seewald belegt, längst geklärt ist, eine lang anhaltende Diskussion entspinnt und dass sich in der Wahrnehmung vieler ein fast 2000-seitiger Text auf diese Frage reduziert. Man sieht, wie verzerrt und ideologisiert der Rezeptionskontext ist, und dass es um alles mögliche andere geht als um Wahrheit, Gerechtigkeit und die Heilung von Wunden.
2. Der Professor für Strafrecht und Spiegel-Kolumnist Thomas Fischer hat im Zusammenhang mit dem WSW-Gutachten eine problematische Abkehr von der Rechtskultur beobachtet und kritisiert. Sein Hauptpunkt: Dieses neue Gutachtenwesen, also die Beauftragung von Rechtsanwaltskanzleien zur Wahrheits- und Gerechtigkeitsfindung verletzt in erheblichem Maße rechtsstaatliche Prinzipien. Ermittler, Ankläger und Richter - und ein Mitbruder in der DBK hat noch hinzugefügt - Henker: alles in einer vom Auftraggeber intransparent ausgewählten und teuer bezahlten Hand, und dazu auch noch gleich das psychologisch-ekklesiologische Gutachten! Mit welcher Kompetenz eigentlich? Ich finde, das Münchener Gutachten hat es genauso verdient wie die MHG-Studie wissenschaftlich eingehend analysiert und diskutiert zu werden. Ich habe selber noch nicht die Möglichkeit gehabt, das ganze Gutachten zu studieren und zu lesen. Ich habe allerdings einige Tiefenbohrungen gemacht und das bezieht sich einmal auf den Zeitindex.
3. Ich habe interessanterweise festgestellt, dass WSW von dem Interesse geleitet ist, zu belegen, dass man in den 1970er und 1980er Jahren sowohl die Opferperspektive einnehmen konnte und dass das auch einige Urteile belegen.
Was dabei zu kurz kommt ist, dass 1973 die Strafrechtsreform Kindesmissbrauch nicht mehr als Verbrechen eingeschätzt hat, und zwar auf der Basis von sexualwissenschaftlichen Urteilen, [Hinweis auf die Redezeit durch Frau Prof. Nothelle] die davon ausgehen, dass, für die betroffenen Kinder und Jugendlichen die Vernehmungen wesentlich schlimmer sind als die im Grunde harmlosen Missbrauchsfälle. [Hinweis auf die Redezeit durch Frau Prof. Nothelle] Dieser Zeitindex muss beachtet werden und ich habe den Eindruck, die Verantwortlichen haben damals in der Kirche eher dem Zeitgeist nachgegeben als dass sie sich um Recht und Gerechtigkeit bemüht hätten. Und ich bin nicht bereit, heute diesen Fehler wieder zu begehen. Danke." (Bischof Rudolf Voderholzer am 3. Februar 2022 in der Dritten Synodalversammlung in Frankfurt a.M.)
Nach seinem Statement in der Synodalversammlung ist in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, Bischof Voderholzer wolle sexuellen Missbrauch relativieren. In einer zweiten Wortmeldung machte er noch einmal deutlich, dass er sich eigentlich gegen die Verharmlosung von sexuellem Missbrauch aussprechen wollte. Hier im vollen Wortlaut:
„Danke, dass ich mich nochmal zu Wort melden darf. Es tut mir leid, dass ich mich offenbar nicht klar genug ausgedrückt habe vorhin in meinem dritten Punkt. Vielleicht habe ich nicht deutlich genug die Anführungszeichen mitgesprochen. Aber ich werde jetzt mit einer Position identifiziert, die genau das Gegenteil besagt, von dem, was ich selber für richtig halte. Ich habe im Zusammenhang mit einer Analyse der historischen Passagen von WSW daran erinnert, dass in den 1970er Jahren eine unverantwortliche Verharmlosung auf hoher und höchster wissenschaftlicher Ebene auch zu verzeichnen ist, und dass das auch Zeitgeist war, und dass dem vielleicht auch Manche erlegen sind. Ich halte die Verharmlosung des sexuellen Missbrauchs für verheerend! Und es empört mich, wenn da gesagt und geschrieben wurde, dass der Missbrauch oft ein „Verbrechen ohne Opfer“ sei. Das sage nicht ich, aber das wurde in psychologischen Fachzeitschriften so genannt. Das wollte ich vor allem sagen, weil ich genug Begegnungen mit Überlebenden, wie Joseph Ratzinger sich auch schon ausgedrückt hatte, habe. Und die Tränen und das unendliche Leid vieler Betroffener an mich auch herankommen hab‘ lassen. Die Verharmlosungen des sexuellen Missbrauchs durch auch Sexualwissenschaftler, die dann dazu geführt haben, dass sexueller Missbrauch nicht mehr als Verbrechen im Strafrecht benannt wurde, das ist meines Erachtens empörend und ein Skandal und davon möchte ich mich auf das entschiedenste abgrenzen. Das wollte ich sagen. Danke.“ (Bischof Rudolf Voderholzer am 3. Februar 2022 in der Dritten Synodalversammlung in Frankfurt a.M.)
Lesen Sie das persönliche Statement von Bischof Voderholzer: Ich bitte um Verzeihung.
Die Schritte zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch und Körperverletzung, die das Bistum Regensburg gegangen ist, können hier eingesehen werden.
Bildnachweis: (c) Synodaler Weg / Maximilian von Lachner