News Bild Die Tagespost: Interview mit Bischof Prof. Dr. Voderholzer über Papst em. Benedikt XVI.
Die Tagespost: Interview mit Bischof Prof. Dr. Voderholzer über Papst em. Benedikt XVI.

Werk und Lebensleistung

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Regensburg/Würzburg, 5. Januar 2023

Wie beurteilt Bischof Dr. Rudolf Voderholzer eine zeitige Heiligsprechung von Papst Benedikt XVI., was verdankt er als wissenschaftlicher Theologe Jospeh Ratzinger und was wird den Menschen von Benedikt XVI. in Erinnerung bleiben? Diese und weitere Fragen hat die Journalistin Regina Einig in einem persönlichen Gespräch mit dem Regensburger Bischof angesprochen.

Exzellenz, werden Sie am Donnerstag an den Trauerfeierlichkeiten in Rom teilnehmen?

Ja, ich werde mit einer Delegation aus Regensburg und Passau und auch aus Pentling am Donnerstag am Requiem und an der Beisetzung teilnehmen. Passau ist das Heimatbistum, und Regensburg betrachteten Joseph Ratzinger / Papst Benedikt und seine Geschwister seit 1964, als Bruder Georg hier Domkapellmeister geworden war, gewissermaßen als das Familienzentrum. In Pentling vor den Toren der Stadt hatte er sich, nachdem er den Lehrstuhl für Dogmatik an der theologischen Fakultät Regensburg angenommen hatte, ein Haus gebaut, Zeichen dafür, dass er nach einem „Wanderleben“ sozusagen hier endlich sesshaft werden wollte. Es kam dann aber bekanntlich doch wieder ganz anders. Sowohl in Regensburg als auch in Pentling ist der verstorbene Papst Ehrenbürger.

In der ganzen Welt veröffentlichen Gläubige bewegende Zeugnisse der Verehrung für Papst Benedikt. Gleichwohl galt der verstorbene Pontifex in seiner Heimat auch als ein „Verkannter“ (Peter Seewald). Wie wird Benedikt den Deutschen in Erinnerung bleiben?

Es gehört zu den Besonderheiten gerade der Deutschen, einen ihrer größten Söhne immer wieder auch ins Zwielicht zu rücken. Das war schon zu der Zeit so, als Kardinal Ratzinger Präfekt der Glaubenskongregation war. Kurzzeitig flammte dann eine gewisse euphorische Sympathie auf: „Wir sind Papst!“ Doch bald stellten sich die alten Deutungsmuster wieder ein. Wer freilich mit seinem Werk, mit seiner Verkündigung, mit der Einfachheit und Liebenswürdigkeit seiner Person bekannt und vertraut war, erkannte ihn in diesem Zerrbild nicht wieder. Für alle, die sich mit seinem Werk, mit seiner Lebensleistung wirklich befasst haben, wird er in Erinnerung bleiben als einer der bedeutendsten Intellektuellen seiner Zeit, als ein Jahrhunderttheologe und als einer der größten Prediger auf dem Stuhl Petri.

Viele Menschen bitten schon jetzt um die Fürsprache Benedikts XVI. Wie stehen Sie zu Vorschlägen, ihn heiligzusprechen?

Selig- und Heiligsprechung ist in der katholischen Kirche eines der wichtigsten Ausdrucksformen des „Sensus fidei fidelium“. Selig- und Heiligsprechung geschieht zuerst durch das gläubige Volk. Bei hinreichend breiter und umfassend bezeugter Verehrung ist es die Aufgabe der kirchlichen Autorität und unter Berücksichtigung des „Advocatus diaboli“, die öffentliche Verehrungswürdigkeit zu prüfen. Tatsache ist, dass unzählige Menschen weltweit in Benedikt einen Lehrer und Hirten sehen, der für ihr Leben entscheidend wichtig war und ihnen den Weg zum Glauben geebnet hat. Das kann ich auch von mir sagen.

Sie sind Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. oft persönlich begegnet. Gibt es eine Episode, die Sie persönlich besonders bewegt hat?

Ich bin ihm schon als Student begegnet, da ich ja ins Priesterseminar in München eingetreten bin, als Joseph Ratzinger Erzbischof war. Dann aber hat sich die Beziehung natürlich enorm intensiviert und vertieft, nachdem mich der damalige Bischof von Regensburg, Gerhard Ludwig Müller, gebeten hatte, in Regensburg das Institut Papst Benedikt aufzubauen und die redaktionelle Verantwortung für die Herausgabe der Schriften Joseph Ratzingers zu übernehmen. Seither haben wir uns jährlich mindestens einmal getroffen, zuletzt noch öfter. Und da gibt es viele bewegende Momente. Ich erinnere mich besonders an den Spezialauftrag, das letzte Bild der Mutter vor ihrem Tod im Dezember 1963 im Haus in Pentling zu suchen. Nachdem ich schon in den Papieren der Schwester den Wunschzettel ans Christkind gefunden hatte, traute er mir auch zu, dieses Bild zu finden. Die präzise Beschreibung der Dia-Box und die genaue Angabe ihres Aufenthalts ließen mich auch erfolgreich sein. Wir ließen von dem Dia vergrößerte Bilder machen und rahmen. Das Bild hing dann im apostolischen Palast. Unvergessen aber auch die Messfeier am Herz-Jesu-Fest 2020 in der Luzengasse, im Haus von Bruder Georg, am Krankenbett zusammen mit dem emeritierten Papst, Erzbischof Gänswein, Sr. Laurente und einigen ganz wenigen Gästen.

Was verdanken Sie - als wissenschaftlicher Theologe - Joseph Ratzinger?

Mein Weg zur Theologie begann schon in der Schule im Grundkurs Religion. Unser Religionslehrer, dem ich sehr viel verdanke, mutete uns die Auseinandersetzung mit dem Grundkurs des Glaubens (in Auszügen) von Karl Rahner zu, was mich außerordentlich herausforderte. Dazu aber nahm ich auch die „Einführung in das Christentum“ zur Hand, dessen Autor gerade Erzbischof in München und Freising geworden war. Hier konnte ich sozusagen aufatmen. In den auch sprachlich schönen, bilderreichen, abwechslungsreich biblisch, philosophisch und dogmengeschichtlich argumentierenden Ausführungen Joseph Ratzingers bekam für mich die Antwort des Glaubens Fleisch und Blut sowie ein Gesicht. Besonders begleitet mich seit dieser Lektüre die Überzeugung: Das Mysterium der göttlichen Dreifaltigkeit ist nicht die „Übersetzung des Unbegreiflichen ins Unverständliche“ (Jörg Splett), sondern Auslegung der Glaubensgewissheit „Gott ist die Liebe“. Auch die Wahl meines Dissertationsthemas ist mit der Lektüre eines Ratzinger-Buches engstens verknüpft: In „Die Tochter Zion“ wurde mir die fundamentale Bedeutung der Einheit von Altem und Neuen Testament gerade auch noch einmal in der Mariologie deutlich. So bahnte mir Ratzinger auch den Weg zu Henri de Lubac und Hans Urs von Balthasar.

Im Bistum Regensburg besorgt das Institut Benedikt XVI. die Ausgabe des Gesamtwerks von Benedikt XVI. Rechnen Sie mit publizistischen Überraschungen im Nachlass?

Es wird ein Buch geben, von Elio Guerriero herausgegeben, das Texte aus der Zeit der Emeritierung enthalten wird, darunter welche, die ausdrücklich erst nach seinem Tod veröffentlicht werden sollten. Das wird noch spannend. Ansonsten ist das Werk von einer so großen Geschlossenheit und Einheitlichkeit, dass ich nicht mit echten Überraschungen rechne. Was aber gut sein kann, ist, dass noch unvollendete oder vom Autor nicht als publikationsreif angesehene Manuskripte oder Entwürfe auftauchen. Ratzinger / Benedikt hatte einen sehr hohen Anspruch an seine Texte. Ich erinnere mich an so manche Debatte, wo wir um die Erlaubnis zur Veröffentlichung einer Predigt baten, und er, immer sehr selbstkritisch, nachfragte: „Meinen Sie, dass man die veröffentlichen kann? Na, wenn Sie meinen!“

Besucher berichten, dass Benedikt XVI. sich in den letzten Jahren zunehmend um die Situation der Kirche in Deutschland sorgte. Was ist an diesen Berichten dran?

Nicht erst in den letzten Jahren sorgte er sich darum. Für mich immer wieder faszinierend, mit welch wachem Gespür er bereits in den 1950-er Jahren die Tendenzen zur Säkularisierung wahrnahm. Lesen Sie den Aufsatz „Die neuen Heiden und die Kirche“ von 1958. Seine Verkündigung im Rahmen des Pastoralbesuches 2011 in Deutschland ist durchgängig von dieser Sorge geprägt, ich nenne nur die Stichworte „Entweltlichung“ in (Freiburg) oder „Ökologie des Menschen“ (in Berlin), „Primat der Gottesfrage“ (in Erfurt).

Wie lesen Sie das geistliche Testament des Papstes? Welche Quintessenz lässt sich daraus ziehen?

Zunächst einmal ist beachtlich, dass es bereits aus dem Jahr 2006 stammt! Ich sehe darin vor allem den personalen Glaubensbegriff von Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. entfaltet: Wir empfangen den Glauben im Hören und Erleben von anderen. Er selbst hatte ihn von seinen Eltern empfangen und in seiner bayerischen Heimat, die zutiefst geprägt ist von den Zeugnissen des christlichen Glaubens, vertiefen können. Dieser Glaube wird dann von den Wissenschaften (Natur- und Geschichtswissenschaften) herausgefordert und, und das ist das große Geschenk, dass Ratzinger / Benedikt XVI. uns mit seiner Theologie gemacht hat, dass der Glaube mit der Vernunft im Einklang steht. Die „Vernunft des Glaubens“ aufzuzeigen ist ein roter Faden im gesamten Wirken des verstorbenen Papstes.

Das Interview führte Regina Einig, Die Tagespost

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Unser Titelfoto zeigt Bischof Dr. Rudolf Voderholzer bei seiner letzten Begegnung mit Papst em. Benedikt XVI. im November 2022, Bildnachweis: Bistum Regensburg.

-jas-

 



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