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Die Passionskrippe: ein vergessener Brauch

Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung

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Regensburg, 4. April 2023

Jeder kennt die Weihnachtskrippe, und in vielen Familien wird sie jedes Jahr am Heiligen Abend im Zimmer aufgebaut. Spätestens nach dem Besuch der Heiligen Drei Könige wird sie dann wieder bis zum nächsten Jahr in einer Kiste verpackt. Eine Krippe, die das weitere Geschehen bis Ostern oder Christi Himmelfahrt darstellt, kennt heute fast niemand mehr. Dabei gehörten sie früher in vielen Gegenden zum Osterbrauchtum dazu: die Passions-, Fasten- oder Osterkrippen.

Meist begannen die Darstellungen mit dem Einzug Jesu in Jerusalem, weitere Stationen waren das Abendmahl, Jesus vor Pilatus, die Geißelung und Dornenkrönung sowie der Kreuzweg nach Golgotha. Auch die Kreuzigung, die Abnahme vom Kreuz und die Grablegung waren in den Passionskrippen dargestellt – bis hin zur Auferstehung Jesu am Ostersonntag und dem Emmausgang.

Bildliche Darstellung

Bereits im Mittelalter gab es solche Fastenkrippen. In einer Zeit, in der viele Menschen nicht lesen konnten, sollten die Krippen den Gläubigen die Ereignisse der Karwoche und das Ostergeschehen bildhaft vor Augen führen. Ihre Hochzeit erlebte der Brauch gegen Ende des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Waren sie ursprünglich nur in den Kirchen und Klöstern zu sehen, hielten die Passionskrippen jetzt auch in den Bauernstuben Einzug. Da die Fasten- oder Passionskrippe das Leiden und Sterben Jesu Christi darstellen, wurde sie im Volksmund auch die „Ernste Krippe“ genannt. Im Gegensatz zu den Weihnachtskrippen beschränkten sich die Darstellungen meist auf das tatsächliche Geschehen – ganz anders als die farbenprächtig ausgeschmückten Weihnachtskrippen.

Jahreskrippen

Doch nicht alle „ernsten Krippen“ sind in der Versenkung verschwunden. Es gibt solche Darstellungen des Passionsgeschehens heute noch in Kirchen und Klöstern, die eine Jahreskrippe aufgebaut haben. Eine der schönsten findet sich in der Straubinger Jesuitenkirche. Die gesamte Straubinger Krippe, deren Figuren zum größten Teil im Zeitraum zwischen 1830 und 1860 entstanden sind, umfasst heute noch 265 Personenfiguren und 59 Tiere. Neben Szenen zum Weihnachtsfestkreis gehört auch eine Fastenkrippe zum Bestand. Ursprünglich gehörten zur Jahreskrippe 33 Bilder, von denen heute noch 18 Szenen aufgebaut sind. Leider ist die Kirche nur in der Weihnachtszeit für Besucher geöffnet.

Junge Jahreskrippe

Nur wenige Kilometer von Straubing entfernt liegt die Gemeinde Leiblfing. In der dortigen Pfarrkirche wurde vor rund 20 Jahren damit begonnen, eine Jahreskrippe aufzubauen, die inzwischen 14 verschiedene Szenen aus dem Alten Testament, dem Neuen Testament und der Apostelgeschichte zeigt. Im Verlauf von zwei Jahren sind hier alle Szenen mindestens einmal zu sehen, die Hauptszenen der hohen kirchlichen Feiertage wie Weihnachten und Ostern werden alljährlich aufgestellt.

Die Deggendorfer Krippe

Die umfangreichste Jahreskrippe Bayerns aber findet sich im Stadtmuseum Deggendorf. Sie stand früher als Kirchenkrippe in der Pfarrei Mariä Himmelfahrt und wurde dem Museum von der Kirchstiftung überlassen, wo sie nach aufwändiger Restaurierung wieder in ihrem alten Glanz erstrahlt. Über 200 Figuren, die frühesten aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, umfasst die Deggendorfer Krippe, darunter 44 Tiere. Die rund 35 Zentimeter großen Figuren mit ihren kunstvoll geschnitzten Köpfen sind im Stil des Barock gekleidet. Mehr als 7000 Stunden haben ehrenamtliche Helferinnen an der Restaurierung gearbeitet.

„Heiliges Theater“

Entstanden sind die ersten Teile der Krippe vermutlich im 18. Jahrhundert. Im Lauf von rund 200 Jahren kamen immer mehr Szenen dazu, die zunächst in der Deggendorfer Kirche Mariä Himmelfahrt aufgebaut blieben, bis zuletzt alles auf dem Dachboden landete und verstaubte. Die restaurierten Figuren − die meisten sind aus Holz, einige aus Wachs – kamen schließlich als Dauerleihgabe in das Deggendorfer Stadtmuseum.

Heute ist das „Heilige Theater“ in 13 Szenen aufgebaut:

Szene 1: Der Einsiedler
Szene 2: Die Rast auf dem Weg nach Bethlehem
Szene 3: Die Anbetung der Könige
Szene 4: Die Darstellung im Tempel
Szene 5: Die Flucht nach Ägypten
Szene 6: Der Kindermord in Bethlehem
Szene 7: Der 12-jährige Jesus im Tempel
Szene 8: Die Hochzeit zu Kana
Szene 9: Die Heilung des kranken Hauptmannknechts
Szene 10: Der Sturm auf dem See Genezareth
Szene 11: Die Verklärung auf dem Berg Tabor
Szene 12: Das letzte Abendmahl
Szene 13: Die Kreuzigung

Auf einem Audio-Guide sind Texte aus den jeweiligen Evangelien und Erklärungen zu den einzelnen Darstellungen zu hören. Für Kinder werden spezielle Audioführungen angeboten.

Text: Judith Kumpfmüller

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