News Bild Die alte Bibliothek des Regensburger Schottenklosters und des Klerikalseminars St. Wolfgang – zum 150-jährigen Bestehen des Regensburger Priesterseminars
Die alte Bibliothek des Regensburger Schottenklosters und des Klerikalseminars St. Wolfgang – zum 150-jährigen Bestehen des Regensburger Priesterseminars

Die Schottenbibliothek – Schatzgrube im Wandel der Zeit

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Regensburg, 3. November 2022

Vor 150 Jahren, am 31. Oktober 1872 bezog das Regensburger Klerikalseminar St. Wolfgang die Gebäude des 1862 aufgelösten Schottenklosters St. Jakob (siehe Jubiläumsbeitrag).  Das zuletzt von schottischen Benediktinern besiedelte Kloster entging zwar wegen seines exterritorialen Status’ der Säkularisation von 1803, mangels ausbleibender Klostereintritte musste die Niederlassung 1862 aber trotzdem geschlossen werden. Die letzten Mönche gingen zurück nach Schottland. Der Hauptteil der umfangreichen Klosterbibliothek verblieb jedoch – trotz gewisser Abgänge nach Schottland – in Regensburg und stand – nun quasi als Seminarbibliothek – den Seminaristen zur Verfügung. Mehr noch: Neuerwerbungen des Seminars wurden in die Klosterbibliothek integriert.

Als am 27. Oktober 1972 die auf Veranlassung Bischof Rudolf Grabers neuerrichtete Bischöfliche Zentralbibliothek – die heuer auf ihr 50-jähriges Bestehen zurückblicken kann – ihre Pforten öffnete, gehörte die alte Schotten- und Klerikalseminarbibliothek zu ihren wichtigsten Gründungsbeständen. Denn es war der Wunsch Bischof Grabers, die wertvollen Buch- und Handschriftensammlungen der Diözese an einem zentral gelegenen Ort in einer öffentlich zugänglichen Diözesanbibliothek zusammenzuführen und sie so der wissenschaftlichen Forschung zugänglich zu machen. In Ergänzung zu der bereits Ende der 1960er Jahre eröffneten Regensburger Universität, entstand auf dem Gelände des ehemaligen Obermünsters am St.-Peters-Weg nun ein kirchliches Kultur- und Wissenschaftszentrum im Verbund aus Bibliothek, Archiv und Museum.

Bei der Neukatalogisierung und Aufstellung der Schottenbibliothek wurden die bestehenden 27 Fachgruppen beibehalten mit dem vorangestellten Signaturenkürzel SWS (Sancti Wolfgangi Seminario) versehen. Der universale Sammelcharakter dieser einmaligen Bibliothek lässt sich an den Gruppen noch sehr gut ablesen. Vertreten sind nämlich nicht nur die klassischen Fächer der Theologie und Philosophie, sondern auch Antike Klassiker, Kunst, Belletristik, Geographie, Geschichte, Recht, Politik, Mathematik, Physik, Technik, Medizin, Geschichte der Naturwissenschaft, Architektur, Malerei, Musik und Belletristik. Besonders erwähnenswert sind daneben Werke zur englischen und schottischen Geschichte, Literatur und Landeskunde. Die Bibliothek erweist sich als eine Fundgrube wertvoller, vor allem barocker Drucke. Die mehr als 25.000 Bände sind inzwischen alle über den Onlinekatalog des Regensburger Bibliotheksverbundes (https://www.regensburger-katalog.de/) recherchierbar und können – nach vorheriger Anmeldung – auch in der Bibliothek eingesehen werden.

Zwei Beispiele aus dem nichttheologischen Bereich mögen einen Eindruck von der Sammelleidenschaft und dem Wissensdurst der Mönche vermitteln. Unter dem Fach Mathematik findet sich etwa die Erstausgabe der zunächst anonym erschienenen „Optik“ des englischen Physikers und Mathematikers Sir Issac Newton aus dem Jahr 1704: „Opticks Or, A Treatise Of The Reflexions, Refractions, Inflexions and Colours Of Light“ (Signatur: 9995/Math. 54). Diese Druckausgabe ist bis heute in Regensburg nur in der Bischöflichen Zentralbibliothek vorhanden. Auf dem Titelblatt findet sich nicht nur der handschriftliche lateinische Besitzvermerk des Schottenklosters, sondern auch ein Hinweis in englischer Sprache darauf, dass diese seltene Erstausgabe Robert Leith 1756 von Alexander Grant geschenkt wurde und im selben Jahr in das Kloster gelangte. 1756 wurde Leith unter dem Namen Gallus Abt der Regensburger Niederlassung. Ein Amt, das er bis 1775 innehatte.

Ein weiteres interessantes Werk ist das 1726 in Leipzig gedruckte „Theatrum Pontificiale, Oder Schau-Platz der Brücken und Brücken-Baues“ des deutschen Mechanicus oder Ingenieurs Jacob Leupold (Signatur: 9995/2°SWS Techn. 21). Darin wird nicht nur der Brückenbau beschrieben, sondern es werden auch 60 berühmte Brücken in und außerhalb Deutschlands in Kupferstichen abgebildet, darunter die Steinerne Brücke von Regensburg, „welche unter denen vier vornehmsten Brücken in Teutschland vor die Stärkeste gehalten wird. Soll 470 Schritt lang seyn und ist aus lauter quaterstücken erbauet“, so die Bildunterschrift.

Besondere Raritäten der Schottenbibliothek machen darüber hinaus 168 Inkunabeln (sogenannte Wiegendrucke aus der Anfangszeit des Buchdrucks mit beweglichen Lettern zwischen 1454 und 1500) sowie 58 Handschriften aus, die bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen. In Band 41 der bibliothekseigenen Schriftenreihe sind diese Manuskripte ausführlich beschrieben und abgebildet (siehe weitere Info).

Die Schottenbibliothek hält mit der ehemaligen Studienbibliothek des Klerikalseminars gewiss noch so manche Schätze bereit, die zum Teil noch auf ihre Entdeckung warten.

Text: Raymond Dittrich, Bischöfliche Zentralbibliothek Regensburg/jas, Fotos: Bischöfliche Zentralbibliothek
Das Titelbild zeigt ein Blatt aus: „Theatrum Pontificiale, Oder Schau-Platz der Brücken und Brücken-Baues“

Das Cover eines alten Buches der Schottenbibliothek

Erstausgabe der zunächst anonym erschienenen „Optik“ des englischen Physikers und Mathematikers Sir Issac Newton aus dem Jahr 1704.



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