Barbing, 2. September 2022
Wer mit dem Ausflugsschiff von Regensburg donauabwärts fährt, dessen Aufmerksamkeit wird auf eine unscheinbare Kapelle gelenkt. Gleich hinter dem Vogelschutzgebiet Donaustauf sieht man – halb hinter Bäumen verborgen – die Kreuzhofkapelle in Barbing. Selbst Einheimische staunen über die Geschichten, die es über diesen Ort zu erzählen gibt.
Hier spielte sich im Jahr 1156 ein historisches Ereignis ab, das nicht nur für die bayerische und österreichische, sondern sogar für die europäische Geschichte bis heute von großer Bedeutung ist. Auf der Barbinger Wiese wurde am 8. September die Marktgrafschaft Österreich, die bis dahin zu Bayern gehört hatte, abgetrennt und zu einem eigenständigen Herzogtum erhoben.
Uralter Siedlungsraum
Die Siedlungsspuren auf dem Gelände der Kreuzhofkapelle gehen bis in das 5. Jahrtausend vor Christus zurück. Und zur Zeit der Karolinger und Ottonen existierte hier bereits eine größere Siedlung mit Friedhof.
Im Jahr 1147 sammelte der deutsche König Konrad III. auf dem Gelände am Kreuzhof ein großes Kreuzfahrerheer für den Zweiten Kreuzzug. Nur 42 Jahre später, im Jahr 1189, wiederholte sich dieses Ereignis unter Kaiser Friedrich Barbarossa. Friedrich Barbarossa kehrte von diesem Dritten Kreuzzug nicht zurück, er ertrank in Ostanatolien im Fluss Saleph.
„Privilegium minus“
Doch zurück zum Jahr 1156. Um den Streit zwischen dem Babenberger Heinrich II. Jasomirgott, der 1143 mit dem Herzogtum Bayern belehnt worden war, und Heinrich dem Löwen, der es beanspruchte, zu schlichten, hatte Kaiser Friedrich Barbarossa die Reichsfürsten nach Regensburg geladen. Am 8. September zogen die in Regensburg versammelten Fürsten, unter ihnen auch Heinrich der Löwe, vor die Stadt hinaus in „prato Barbingin“, also auf die „Barbinger Wiese“, wo Heinrich Jasomirgott seine Zelte aufgeschlagen hatte. Nachdem sich alle versammelt hatten, wurden die Ergebnisse der vorausgegangen Geheimverhandlungen verkündet: Heinrich der Löwe wurde rechtmäßiger Herzog von Bayern, die sogenannte Mark Österreich wurde von Bayern abgetrennt und zu einem eigenständigen Herzogtum unter Jasomirgott erhoben. Das dazugehörige „Privilegium minus“ soll nach der feierlichen Zeremonie in der Kreuzhofkapelle besiegelt worden sein.
Die Kreuzhofkapelle
Während sich Wissenschaftler und Heimatforscher heute sicher sind, dass sich dieses denkwürdige Ereignis „auf der Barbinger Wiese“ auf dem heutigen Areal der Kreuzhofkapelle abgespielt hat, konnte noch nicht mit Sicherheit geklärt werden, ob die Kapelle zu dieser Zeit schon auf dem Gelände stand. Bis heute liegt das genaue Entstehungsdatum dieses romanischen Gotteshauses im Dunkeln. Vermutet wird allerdings, dass die Kirche um die Mitte des 12. Jahrhunderts erbaut wurde. Sicher ist, dass das Regensburger Nonnenkloster Heilig Kreuz hier von 1278 an bis in das 19. Jahrhundert hinein Ländereien und einen Gutshof besaß.
Rettung in letzter Minute
Dass die Kreuzhofkapelle heute noch an diesem geschichtsträchtigen Ort steht, ist dem ehemaligen Oberpfälzer Bezirksheimatpfleger Georg Rauschenberger zu verdanken. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges waren mehrere Bomben auf dem Gelände eingeschlagen, ein Bombentrichter reichte bis an die Kirchenmauer heran. In den letzen Kriegstagen traf eine Granate das Kirchendach, zerstörte den Dachstuhl und riss ein Loch in das Deckengewölbe. Der gesamte Kreuzhof mit seinen Wirtschaftsgebäuden sowie das direkt an die Kapelle angebaute Haus brannten bis auf die Grundmauern ab. Dazu kamen Plünderer, die Kanzel und hölzerne Altarstufen herausrissen.
Letzte Ruhestätte
Im Jahr 1948 kaufte Rauschenberger die Kirche. Als 1960 eine geplante Hafenerweiterung die Kapelle erneut stark gefährdete, erreichte der Heimatpfleger, dass die Hafeneinfahrt um einige hundert Meter verlegt wurde. Nach seinem Tod fand Georg Rauschenberger seine letzte Ruhestätte in der Gruft „seiner Kirche“, die nun im Besitz des Bischöflichen Stuhls von Regensburg ist.
Text: Judith Kumpfmüller
Foto: Landratsamt Regensburg, in:
www.heimatforschung-regensburg.de/207/1/RL_1_2008_Appl.pdf