„Der Glaube, durch den wir heil und heilig werden, ist eine Gabe des Heiligen Geistes“
(pdr) Bischof Gerhard Ludwig Müller hat im Hohen Dom St. Peter Regensburg anlässlich des Hochfestes Pfingsten ein Pontifikalamt gefeiert. Im folgenden der Wortlaut der Predigt, die der Bischof gehalten hat:
Eine kleine Szene auf dem Flughafen in Rom: Ein freundlicher Herr erkennt mich als Bischof und fragt nach dem Grund meiner Reise. Ich antworte, dass ich zu einer Sitzung der Kongregation für die Glaubenslehre gekommen war. Und er fragt zurück: Ihr beschließt also dort auf höchster Ebene im Vatikan, was wir zu glauben haben.
Ich reagiere: Was wir als Christen glauben, das kann nur Gott festlegen und nicht wir Menschen. Bevor Papst und Bischöfe zu Hirten der Kirche und Lehrern des Evangeliums berufen wurden, haben sie selbst von ihren Eltern, Religionslehrern und Priestern die Botschaft Jesu im Glaubensbekenntnis der Kirche vernommen und gelernt.
In der Tat sind wir alle zuerst Schüler Gottes und Hörer seines Wortes. Wir bekennen uns zu Jesus, dem einzigen Lehrer (vgl. Mt 23,10). Nur er hat Worte des ewigen Lebens (vgl. Joh 6,68). Der Glaube führt zum Heil, weil er durch den Heiligen Geist in unseren Geist und unser Herz, in unseren Verstand und unseren Willen eingegossen worden ist. So erkennen wir den Vater durch den Sohn so, wie er sich in seinem ewigen Wort erkennt. Wir lieben Gott im Heiligen Geist so, wie Gott die Liebe ist in der Gemeinschaft des Vaters mit dem Sohn und mit dem Heiligen Geist. Niemand kennt Gott – nur der Geist Gottes selbst. Wir haben den Geist aus Gott empfangen, damit wir erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist. „Denn uns hat es Gott enthüllt durch den Geist. Der Geist ergründet alles, auch die Tiefen Gottes“ (vg1. Kor 2,10ff.).
Auf menschliche Gedankengänge kann man sich nicht verlassen. Menschen können niemals das erlösende Wort sagen. Gott aber hat sich ein für alle mal für uns entschieden. „Er will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4f).
Wir haben gehört: „Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt“ (Apg 2,4). „Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“ (1 Kor 12,7). Der Glaube an Gott, der uns das Heil schenkt, stammt nicht aus menschlichen Gedankendichtungen oder Programmen zur Weltverbesserung und hat auch nichts mit Utopien einer „schönen neuen Welt“ zu tun. Der Glaube, durch den wir heil und heilig werden, ist vielmehr eine Ga-be des Heiligen Geistes. Diese Kraft stammt von oben.
Darum erkennen wir im Geist Gottes, durch den Gott sich selbst kennt, den einen und dreifaltigen Gott. Gott ist Liebe – Gott ist Wahrheit – Gott ist Leben. Das Fleisch gewordene Wort, das Gott selber ist, ist der Sohn Gottes, dem wir in Jesus, dem Christus begegnen. Dass Jesus nicht lediglich ein menschliches Vorbild ist, sondern der HERR, der Gott mit uns, der Immanuel, das erkennen wir nur im Heiligen Geist, der uns gegeben ist. Es ist der Geist der Liebe in der Einheit mit dem Va-ter und dem Sohn.
Der Glaube ist ein Geschenk des Heiligen Geistes. Gott schenkt sich uns selbst in der Menschwerdung seines Sohnes und in der Ausgießung des Heiligen Geistes. Die Gegenwart Gottes in der Welt und im Herzen jedes Menschen löst in mir Dankbarkeit und Freude aus. Erfüllt vom Heiligen Geist, erfasse ich nun, dass ich mich in meinem Dasein, Leben und Sosein als Mensch, in meinem Denken und Wollen ganz und gar der Liebe Gottes verdanke. Mein Sein als individueller Mensch ist der Wille Gottes zu mir. Ich bin die verwirklichte Liebe Gottes zu mir. Das ist mein Sein und meine Bestimmung: Ich bin Bild und Gleichnis Gottes. Mit welcher Herrlichkeit und Ehre hat Gott mich gekrönt (vgl. Ps 8,6)!
Ja, der harten Vergänglichkeit der Schöpfung und dem bitteren Kreuzweg des irdischen Lebenslaufs zum Trotz weiß ich jederzeit und in allen Lebenslagen: Ich bin „zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8,21) berufen.
Im Licht des Geistes Gottes erkenne ich mich selbst bis auf den Grund meines Seins und meines Schicksals. Nichts kann mich trennen von der Liebe Gottes zu mir in meinem Herrn Christus Jesus: Gott über mir – das ist der Vater Jesu Christi. Gott mit mir, das ist der Immanuel, Jesus, mein Bruder. Gott in mir, das ist Gott, der Heilige Geist.
Gott ist mein Vater, Gott ist mein Bruder, Gott ist mein Freund. Denn ich bin getauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Die Sakramente der Taufe und der Firmung vermitteln dem einzelnen Christen, was im Ostermysterium und im Pfingstereignis der ganzen Menschheit geschenkt worden ist: „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes“ (2 Kor 13,13).
Heute am Pfingsttag sollen bereits getaufte Christen als Erwachsene den Heiligen Geist zur Bestärkung empfangen. In der Apostelgeschichte ist uns bezeugt, wie Petrus und Johannes zu den getauften Christen außerhalb von Jerusalem hingegangen sind. Diese sollten durch Handauflegung und Gebet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen (vgl. Apg 8).
Was einmal in der Taufe grundgelegt ist, wird durch das besondere Wirken des Heiligen Geistes wachsen und reifen. Der Heilige Geist bewahrt uns vor Menschenfurcht und Irrtum, vor Lauheit und der Schwäche des Glaubens. Der Heilige Geist schenkt uns die Hoffnung, damit wir unser ewiges Ziel nicht aus den Augen verlieren und Zuversicht und Tatkraft bewahren. Der Heilige Geist gießt immer neu die Liebe Gottes in unsere Herzen ein. Ohne den Heiligen Geist gibt es kein Leben. Ohne den Heiligen Geist würden wir verwelken, wie eine schöne Blume ohne Licht, Luft und Wasser.
So wird nun Ihnen, meine lieben Firmkandidaten, vom Bischof als Nachfolger der Apostel durch die Handauflegung, die Chrisam-Salbung und das Gebet ganz persönlich der Heilige Geist gegeben. In ihm schenkt sich Ihnen Gott selbst. Dies ereignet sich im Wort der Firm-spendung: „Sei besiegelt mit der Gabe Gottes, dem Heiligen Geist. Der Friede sei mit Dir.“
In Ihrem Glauben, Hoffen und Lieben sind Sie nicht mehr fremd gesteuert von den Weisheiten und Machtansprüchen sterblicher und sündiger Menschen Sie sind persönlich mit Gott vereint in einer Freundschaft von Ich zu Du. Aber auch untereinander sind wir verbunden als Brüder und Schwestern.
Die Feier des Pfingstfestes verbindet alle Gläubigen im Heiligen Geist sowohl in der Erwartung auf die Firmung als auch im Gedächtnis an den eigenen Empfang dieses heiligen Sakramentes.
Worum es geht also beim christlichen Pfingstfest und beim Sakrament der Salbung mit dem Heiligen Geist? Der Apostel fasst die Antwort zusammen, wenn er sagt: „Als aber die Güte und Menschenliebe Gottes, unseres Retters erschien, hat er uns gerettet (...) durch das Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung im Heiligen Geist. Ihn hat er in reichem Maß über uns ausgegossen durch Jesus Christus, unseren Herrn, damit wir durch seine Gnade gerecht gemacht werden und das ewige Leben erben, das wir erhoffen“ (Tit 3,4-7).