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Chaldäisch-katholische Christen in Georgien

„Das Christentum ist unsere Kultur“

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München / Regensburg, 15. September 2024

„Niemand sprach über Gott“, erinnert sich Ilona Bilianova an ihre Kindheit im Kommunismus. Als Tochter eines sowjetischen Offiziers wurde sie in der georgischen Hauptstadt Tiflis geboren. Weil ihr Vater häufig versetzt wurde, verbrachte sie ihre Kindheit in verschiedenen Teilen der Sowjetunion. Später erst lernte sie den Glauben kennen – und lieben.

Gegenüber dem weltweiten katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“ (ACN) erzählt Ilona, dass sie in ihrer Studienzeit zum ersten Mal auf das Leben und die Botschaft Jesu gestoßen sei – über die Musik: „Wir haben im Universitätschor die Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach einstudiert. Um diese Musik zu verstehen, muss man die Bedeutung von Kreuz und Auferstehung kennen.“ Doch jenseits dieser kulturellen Ebene blieb Ilona das Christentum weiter fern – bis sie erkannte, dass ihre Familie enger mit dem Glauben verbunden war, als sie dachte: „Als meine Großmutter starb, kam ein Priester, und meine Familie hat mit ihm gebetet und gesungen.“

Ilona konnte die Sprache der liturgischen Texte, die der Priester vortrug, nicht verstehen. Als sie nachfragte, erfuhr sie, dass das Aramäisch sei, die Sprache Jeusu. Und sie erfuhr: Ihre Familie war seit Jahrhunderten chaldäisch-katholisch. Sie gehört damit zur chaldäischen Kirche, die ab dem 16. Jahrhundert im ostsyrischen Raum entstand. Im 19. Jahrhundert strebten chaldäische Christen die Union mit Rom an. Sitz der Teilkirche mit eigenem Ritus ist Bagdad im Irak, ihr Oberhaupt ist Patriarch Raphael Louis Kardinal Sako.

Nicht alle haben überlebt

Weltweit ist nach Jahrzehnten der Verfolgung die Zahl der chaldäisch-katholischen Christen stetig gesunken. „Wahrscheinlich sogar weniger als eine Million“, schätzt Benny Beth Yadegar, Priester der chaldäisch-katholischen Mission in Georgien. Aufgrund der Vertreibung aus ihren ursprünglichen Heimatländern Irak, Irak, Syrien und Türkei suchten viele Chaldäer im 19. und frühen 20. Jahrhundert Zuflucht in Osteuropa. Auch in Georgien leben deshalb bis heute tausende chaldäisch-katholische Christen – auch die kommunistische Herrschaft konnte sie nicht ganz vernichten.

Pfarrer Benny ist ebenfalls ein Flüchtling. Er kommt aus dem Iran. Er wollte nicht in den Krieg ziehen gegen den Irak. So ging er nach Italien, später in die USA, wo er zum Priester geweiht wurde. „Nach meiner Priesterweihe hört ich erstmals davon, dass es auch in Georgien chaldäisch-katholische Christen gibt“, berichtet er. Es waren die Aufbruchsjahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. So kam Pfarrer Benny 1995 nach Georgien.

Ein neues Zentrum

Hier ist die Situation der chaldäischen Gemeinden anders als in anderen Teilen der Welt, wo starker Zusammenhalt und Traditionsbewusstsein unter den Mitgliedern herrschen. In Georgien dagegen wuchsen viele chaldäisch-katholische Christen ohne ihre kulturellen Wurzeln auf, so wie Ilona. Das beginnt schon damit, dass viele kaum Aramäisch können.

Als Pfarrer Benny in Georgien ankam, erkannte er, dass seine Gemeinde einen Mittelpunkt braucht. „Also beschloss ich, dass wir eine Kirche bauen müssen, in der Hauptstadt Tiflis“, erzählt der Priester. Doch bis dorthin war es ein langer Weg. Widerstand kam auch von der orthodoxen Kirche. Deshalb erklärte Pfarrer Benny den Behörden, dass er ein Kulturzentrum plane. Als das Gotteshaus fertig war, hätten die Verantwortlichen ihn gefragt, weshalb es jetzt eine Kirche und kein Kulturzentrum geworden sei, erzählt der Pfarrer lächelnd. „Ich habe geantwortet: Das Christentum ist unsere Kultur, wir haben keine andere.“

Neben Räumen für den Gottesdienst umfasst das chaldäische Zentrum auch Büros und eine kleine Schule. Yulia zum Beispiel unterrichtet dort Kinder in Aramäisch. Und Ilona leitet jetzt den Kirchenchor – sie ist ihrem „Erstkontakt“ zum Christentum also treu geblieben. 2016 hat sogar Papst Franziskus bei seiner Georgien-Reise dem chaldäischen Zentrum einen Besuch abgestattet.

Stalin überlebt, in Georgien gestorben

Aber nicht nur in Tiflis leben Mitglieder der chaldäisch-katholischen Gemeinde, sondern auch in der 40 Kilometer entfernten Stadt Gardabani, nahe der Grenze zu Armenien und Aserbaidschan. Viele der heute rund 400 Chaldäer haben ihre Wurzeln in der Türkei, von wo ihre Vorfahren vor der Verfolgung durch das osmanische Reich nach Aserbaidschan flohen. Stalin ließ die chaldäisch-katholischen Christen wie viele andere Volksgruppen nach Sibirien deportieren, erst nach seinem Tod 1953 durften sie zurück. „Sie wollten jedoch in einem mehrheitlich christlich geprägten Land leben und so landeten sie in Georgien“, berichtet Pfarrer Benny.

Die Boden- und Klimabedingungen rund um Gardabani seien jedoch so schlecht gewesen, dass viele Chaldäer ihr Leben verloren, nachdem sie Stalins Deportation überlebt hatten. „Wie viele sind gestorben, um ihren Glauben zu bewahren?“, fragt Pfarrer Benny. „Sie sind für mich so etwas wie Märtyrer.“ Auch weiterhin seien die Lebensbedingungen in Gardabani sehr schwierig. „Oft gibt es keinen Strom. Viele Familien leben zusammen auf kleinstem Raum, oft in baufälligen Häusern.“ Hoffnung und Obdach spendet ein neues Gemeindezentrum, das im Jahr 2023 eröffnet wurde, ebenfalls mit Hilfe von „Kirche in Not“. Die Kultur der chaldäisch-katholischen Christen in Georgien geht weiter.

Text: Kirche in Not

(sig)



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