Caritas-Fachambulanz für Suchtprobleme beim Präventionsspieltag
Unterschätztes Suchtrisiko beim Glücksspiel
Regensburg, 20. März 2023
Die Caritas-Fachambulanz für Suchtprobleme informierte beim Präventionsspieltag gemeinsam mit dem Fanprojekt Regensburg zu Risiken von Glücksspielangeboten.
Bereits im vergangenen Jahr hatten die Caritas Fachambulanz für Suchtprobleme Regensburg, das Fanprojekt Regensburg (Kontakt e.V.) und der SSV Jahn Regensburg im Rahmen des Präventionsspieltags eine erfolgreiche Kooperation bei einem Heimspiel des SSV Jahn Regensburg organisiert. Beim siegreichen Spiel der Rot-Weißen gegen den SC Paderborn am Samstag konnte die Aktion wiederholt werden.
"Das Fanprojekt Regensburg ist eine Einrichtung der Jugendhilfe. Neben Projekt- und Einzelfallarbeit mit den Jahn-Fans verfolgen wir auch den präventiven Ansatz, im Vorfeld potentieller Probleme vorzubeugen. Nach dem erfolgreichen Präventionsspieltag mit dem Thema Substanzkonsum im vergangenen Jahr widmeten wir uns jetzt dem Thema Spiel- und Wettsucht und freuen uns über diese weitere Kooperation mit dem SSV Jahn und Fachstelle Glücksspielsucht Regensburg“, so Matthias Weigert vom Fanprojekt. Da es in diesem Jahr um das Thema Glücksspielsucht geht, wurde als zusätzlicher Kooperationspartner der Betroffenenbeirat Bayern mit ins Boot geholt.
Werbeerlaubnis für Glücksspiel ist problematisch
Mit Novellierung des Glücksspielstaatsvertrags im Sommer 2022 wurde die Werbeerlaubnis für Glücksspielangebote erweitert. Seitdem heißt es Feuer frei für die mediale Dauerbeschallung im TV. „Besonders problematisch ist dies für Spieler, die bereits problematisches Spielverhalten entwickelt haben, da sie selbst zuhause nicht mehr von den Reizen geschützt sind“, so Suchttherapeutin Celine Schulz-Fähnrich, zuständig für die Fachstelle Glücksspielsucht in Regensburg. Auch potenziell gefährdete Gruppen wie Heranwachsende, Jugendliche und junge Erwachsene werden durch die bunten, harmlos erscheinenden Werbespots angesprochen. Menschen in finanzieller Schieflage werden durch Möglichkeit von Riesengewinnen gelockt. Schulz-Fähnrich kritisiert dabei das besonders perfide Vorgehen der Sportwettanbieter. „Sportwetten werden als Lifestyle-Produkt vermarktet, so als würden Sport und Wett-Tipp automatisch zusammengehören. Werbung wirkt!“ Junge Menschen mit einer Affinität zu Sport würden dadurch besonders angesprochen werden. Das bemerkt auch Celine Schulz-Fähnrich. Sie betreut seit mehr als zehn Jahren die Fachstelle Glücksspielsucht an der Caritas Fachambulanz Regensburg.
Sportwetten sind im Kommen
Die Inanspruchnahme des Angebots sei hoch. Jährlich nehmen 110 bis 130 Menschen die spezialisierte Hilfe in Anspruch. Häufig kommen junge Betroffene zwischen 20 und 30 Jahren, die bereits hoch verschuldet sind. Im Schnitt beträgt die Schuldensumme 25.000 Euro, nach oben hin sind keine Grenzen gesetzt. „Betroffene versuchen bis zum Schluss das Spielverhalten selbst unter Kontrolle zu bringen. Zu groß ist die Angst sich und dem Umfeld einzugestehen, dass das was als Spaß begonnen hat komplett außer Kontrolle geraten ist“, so Celine Schulz-Fähnrich.
Die Glücksspielformen umfassen hierbei Automatenspiel, Poker, Roulette, Black Jack, aber auch Sportwetten. Letztere haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen und auch das Glücksspiel im Onlinebereich. Warum, erklärt sich von selbst, ist doch das Smartphone ständig mit dabei und ermöglicht so die uneingeschränkte Nutzung von Glücksspielplattformen. Die Übergänge von Spielen als gelegentliche Unterhaltung und moderatem Spiel bis hin zu problematischem Zocken sind fließend.
Aufmerksam machen auf das enorme Suchtpotenzial
Cornelius Knappe vom SSV Jahn Regensburg betonte die Wichtigkeit des Präventionsspieltags: "Der SSV Jahn ist sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung als Botschafter für die Region bewusst und beteiligt sich deshalb gerne am Präventionsspieltag, um gemeinsam mit allen beteiligten Parteien auf das sensible Thema Spielsucht hinzuweisen. Glücksspiel allgemein und Sportwetten im Speziellen bieten ein enormes Sucht- und Gefährdungspotenzial, insbesondere durch die stetige Präsenz in den sozialen Netzwerken und den einfachen Zugang von Onlineplattformen. Es bedarf deshalb einer strengen Reglementierung, Etablierung von aufklärenden Maßnahmen zur Sensibilisierung und kritischen Reflexion mit dem Thema."
Beim Präventionsspieltag konnten sich die Stadionbesucherinnen und -besucher zu allen Themen rund um Glücksspielsucht informieren. Daniel Eckrich und Matthias Weigert, beide Mitarbeiter des Fanprojekts Regensburg, Celine Schulz-Fähnrich, die Expertin zum Thema Glücksspielsucht und auch Mitglieder des Betroffenenbeirats Bayern standen für Interessierte bereit. An der Torschusswand konnte man zudem austesten, wie wahrscheinlich Voraussage mit tatsächlichem Torschuss-Treffer übereinstimmen.
Versteckte Risiken schon im Vorfeld entdecken
Christian Hummel vom Betroffenenbeirat, seit mehr als fünf Jahren spielfrei, sagt zum Präventionsspieltag des SSV Jahn: „Vor einer Glücksspielsucht zu bewahren ist tausend Mal besser als hinterher zu helfen. Da gerade im Fußballsport die Fancommunity mit ständiger Sportwettwerbung konfrontiert wird und Tippen weit verbreitet ist, besteht ein erhöhtes Risikopotenzial für eine Glücksspielsucht. Daher freut sich der Betroffenenbeirat über die Gelegenheit auf Gefahren aufmerksam machen zu können.“
Ziel ist es, das Bewusstsein für die versteckten Risiken von Glücksspielangeboten zu stärken. „Spielsucht kann viele Jahre im Verborgenen stattfinden. Umso wichtiger kann es auch für das Umfeld sein, genauer hinzuschauen und konkret nachzufragen“, ergänzt Celine Schulz-Fähnrich. Betroffene und Angehörige bekommen an der Fachstelle Glücksspielsucht passgenaue Beratung zu ihrer jeweiligen Situation. „Wer sich dennoch für die Teilnahme an Glücksspiel entscheidet, sollte das eigene Spiel- oder Tippverhalten gut im Blick behalten, sich an gesetzte Limits halten und bei gehäuften Abweichungen gerne mittels professioneller Unterstützung das eigene Spielverhalten reflektieren“, gibt Celine Schulz-Fähnrich als wichtigen abschließenden Tipp.
Text: H. C. Wagner (kw)
© H. C. Wagner
Weitere Infos
Selbsthilfegruppe der Fachambulanz:
An jedem Dienstag in ungeraden Kalenderwochen trifft sich die Selbsthilfegruppe für Spielerinnen und Spieler von 17:30 bis 19:00 Uhr in der Fachambulanz für Suchthilfe in der Hemauer Straße 10. Eine Voranmeldung ist nicht notwendig.