Regensburg, 11. November 2022
Am 11. November ist der Gedenktag des Heiligen Martin. Besonders auf dem Land stand der Heilige früher in hohem Ansehen. An seinem Namenstag trank man den Martinswein, in den Familien wurde die Martinskerze angezündet und an vielen Orten fanden die Martinsumritte statt. Und natürlich wurde die Martinsgans geschlachtet, die schönste und schwerste auf dem Hof musste es sein. Jahrhundertelang war die Gans aber nicht nur Festtagsbraten, sondern galt auch als Zahlungsmittel. Denn bis vor nicht allzu langer Zeit war Martini auch Zahl- und Abgabentag bei den Bauern. Da bekamen die Saisonarbeitskräfte wie Sennerinnen und Hirten ihren Lohn. So entwickelte sich der Termin zu einem Tag des Gesindewechsels, ebenso wie der Lichtmesstag, an dem Dienstboten den Hof verließen und neue Arbeitskräfte ankamen.
Die Gänsgaben
Um Martini hatte der Bauer die Ernte eingebracht, das Getreide war verkauft und damit auch Geld im Beutel. Das brauchte er auch, um den Pachtzins zu bezahlen, der an Martini fällig wurde.
An diesem Tag begann auch das neue Pachtjahr. Neben der Pachtsumme hatte der Bauer seinen Pachtherrn jedes Mal ein paar fette Gänse zu entrichten. Diese „Gänsegaben“, der „Martinszins“ oder das „Martinslehen“, mussten noch vor Sonnenaufgang auf dem Hof des Pachtherrn abgegeben werden. Auch der Pfarrer soll nicht selten am Martinstag seinen Zins in Form von Gänsen erhalten haben. So ist es nicht verwunderlich, dass um Martini auf so manchem Tisch eine fette Gans stand. Da zum Essen auch das Trinken gehört – und schließlich hatte der heilige Martin einer der zahlreichen Legenden nach einmal Wasser in Wein verwandelt – wurde St. Martin auch zum Patron der Gastwirte. Nach dem Gänsebraten gab es oft noch nussgefüllte Martinshörner oder Hufeisen. In einigen Gegenden durften an diesem Tag die Martinsbrezen nicht fehlen, daneben gab es Martinswecken oder den Martinsspitz. Auch an die Pferde wurde gedacht. Ihnen gaben die Bauern an diesem Tag zu Ehren ihres Patrons eine doppelte Futterration.
Zahlreiche Legenden
Der heilige Martin hat unzählige Patronate. Er ist der Schutzpatron Frankreichs und wurde durch die Legenden über sein Leben unter anderem zum Schutzheiligen der Reisenden, der Armen und Bettler sowie der Reiter, der Gefangenen und Soldaten.
Um den heiligen Martin ranken sich zahlreiche Legenden. Die wohl bekannteste beschreibt, wie der junge Soldat Martin als Reiter im römischen Heer in Gallien seinen Mantel mit dem Schwert geteilt und einen Bettler, der frierend am Straßenrand saß, gegeben hat. Im Alter von 34 oder 35 Jahren wurde Martinus 351 von Bischof Hilarius von Poitiers getauft. Nach der Ableistung seiner 25-jährigen Dienstzeit wurde er fünf Jahre später aus dem Militärdienst entlassen und lebte eine Zeit lang als Einsiedler.
Auch die Martinsgans als typische Speise an diesem früheren Bauernfeiertag geht auf eine Legende um den Heiligen zurück. Danach soll sich Martin in einem Gänsestall versteckt haben, um seiner Wahl zum Bischof zu entgehen. Doch das laute Geschnatter der Gänse habe ihn verraten. Martin wurde schließlich doch Bischof von Tours und starb am 8. November 397. Um 480 legte der damalige Bischof von Tours den Gedenktag des hl. Martin auf den Tag seiner Beisetzung, den 11. November.
Der Martini-Sommer
Auf eine Legende um den Heiligen geht auch ein Wetterphänomen zurück, dem der Volksmund bereits im Mittelalter den Namen „Martini-Sommer“ gegeben hat.
Der Martini-Sommer ist eine typische Schönwetterperiode im November. Er zählt zu den meteorologischen Singularitäten, zu denen auch die Eisheiligen im Mai oder die Schafskälte im Juni gehören. Meist um den 11. November, dem Namenstag des heiligen Martin, kommt es zu einer stabilen Hochdrucklage über Mittel- und Osteuropa mit warmem Südwind. Die Temperaturen können dann auf Werte über 20 Grad steigen. Dabei muss es nicht immer sonnig sein, auch Nebel oder starker Wind sind keine Seltenheit. Meist hält sich der Martini-Sommer aber nicht recht lange, nach einer Woche geht der „Sommer“ fast übergangslos in Nachtfrost und Winterwetter über.
Der Legende nach soll der Martini-Sommer zum ersten Mal am Todestag des heiligen Martin von Tours, dem 8. November 397, aufgetreten sein. Der Bischof war unerwartet während eines Besuchs im Kloster in Candes bei Tours in Frankreich, das er gegründet hatte, gestorben. Beim Transport seines Leichnams auf der Loire seien plötzlich die Temperaturen angestiegen, so dass die Ufer neu ergrünten und die Bäume zu blühen begannen.
Nicht zu verwechseln ist der Martini-Sommer mit dem Altweibersommer. Der betrifft die späten schönen Sommertage im Monat September.
Martiniritt in Miltach
Für die Gemeinde Miltach im südlichen Landkreis Cham ist der 11. November ein ganz besonderes Datum, und für viele Miltacher zählt „Martini“ zu den höchsten Festen im Jahreslauf. Am Tag des heiligen Martin begeht die Gemeinde das Patrozinium ihrer Pfarrkirche. Richtig gefeiert wird aber an dem Samstag davor oder danach, der dem Martinitag am nächsten liegt – dieses Jahr am 12. November. Der Kirta in Miltach ist mit dem weit über die Gemeinde hinaus bekannten Martiniritt ein Fest, zu dem alljährlich Besucher aus der näheren und weiteren Umgebung strömen.
Lange Tradition
Bereits 1719 soll hier der erste Martiniritt stattgefunden haben. Damals wütete in der Gegend eine schlimme Viehseuche. Die Miltacher verlobten sich zum heiligen Martin und wurden erhört, sie blieben von der Seuche verschont, heißt es. Seitdem halten sich die Miltacher an ihr Gelöbnis, und so könnte 2019 das 300-jährige Jubiläum der Reiterprozession gefeiert werden.
Wenn in Miltach gefeiert wird, dann schon richtig. Schon am Freitag beginnt das Fest mit dem Laternenzug der Kinder durch den Ort zur Pfarrkirche. Begleitet werden sie vom heiligen Martin hoch zu Ross. Am Samstag ziehen gegen viertel nach 8 die Ortsvereine mit ihren Fahnen, festlich in Uniform und Tracht, zur Kirche, wo um halb 9 das feierliche Martini-Hochamt beginnt. Dann versammeln sich alle zur feierlichen Prozession, angeführt von den Reitern auf ihren festlich geschmückten Pferden. Der Martiniritt ist einer der wenigen Pferdeumritte Bayerns, bei dem das Allerheiligste in Gestalt der Hostie in einer prachtvollen Monstranz mitgeführt wird.
Die Prozession
Der Zug zieht zunächst zur Maria-Hilf-Kapelle vor dem Ortseingang, wo Evangelium und Fürbitten verlesen werden. Schon vor 100 Jahren beschreibt ein unbekannter Autor die Szene recht anschaulich: „Es mag nicht leicht sein für den amtierenden Geistlichen wie für den Chor, mit Ausdauer zu singen, während einem der herbstliche Ostwind um die Ohren pfeift und die Töne vom Munde reißt. Das passt aber gar gut zusammen mit den flatternden Gewändern, Fahnen und Fähnchen, Rossschweifen und Mähnen, zerzausten Haaren und Weihrauchwölkchen, diesem Aufblitzen und Verschwinden von bunten Farbflecken. Nur die Blechmusik, die nach dem Segen das „Großer Gott, wir loben dich“ spielt, behauptet sich im Sturme.“
Damals wie heute geht es danach zurück zur Pfarrkirche wo der Pfarrer auf dem Kirchenvorplatz den Segen für alle Bürger, die Pferde und ihre Reiter spendet. Und dann beginnt der weltliche Teil des Festes – die Kirchweihfeier in der Mehrzweckhalle. Und mit Kirtamusik und Kirtatanz klingt das Fest am Abend aus.
Titelbild: Martiniritt, Pfarrei Miltach
Text: Judith Kumpfmüller