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Brauchtum in Ostbayern: Mit Böllern durch das Jahr

Von der Wiege bis zur Bahre

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Regensburg, 10. Januar 2025

Mit Raketen und Böllerschüssen wird in ganz Altbayern das neue Jahr begrüßt. Früher jedoch begleiteten Böllerschüsse die Menschen durch das ganze Leben – von der Geburt bis zum Tod.

Zu allen Zeiten haben Menschen versucht, mit Lärm Blitz, Donner und Hagel zu vertreiben oder böse Geister und Dämonen abzuwehren. Er war aber auch Ausdruck von besonderer Lebensfreude und diente zur Untermalung von festlichen Anlässen. Erzeugt wurde der Lärm mit Glocken, Rasseln, Schellen oder Peitschen – bis im 14. Jahrhundert das Schießpulver erfunden wurde. Ab dem 18. Jahrhundert verbreitete sich das Böllern im gesamten deutschsprachigen Raum, und noch heute wird allein in Bayern in über 500 Vereinen geböllert.

Das Hornberger Schießen

Eine der bekanntesten Geschichten hat sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Hornbach zugetragen. Die Bürger des Schwarzwaldstädtchens erwarteten ihren Fürsten. Also wurde für den feierlichen Einzug das Salutschießen geübt – und zwar so lange, bis kein Pulver mehr da war. In ihrer Verzweiflung versuchten die Hornbacher, den Fürsten beim Empfang durch kräftiges, dem Böllern nachgeahmtes Brüllen zu täuschen. Das Täuschungsmanöver misslang gründlich und führte zur Bestrafung der Missetäter. Davon abgeleitet wurde vermutlich das noch heute bekannte Sprichwort: „Das ging aus wie das Hornberger Schießen!“.

Private Feuerwerke

Private Feuerwerke, wie wir sie an heute an Silvester erleben, sind allerdings ein eher junger Brauch. Sie wurden erst in den 1960er Jahren populär, als Feuerwerkskörper auch für die einfache Bevölkerung erschwinglich wurden. In der Zeit des Wirtschaftswunders hatte sich eine richtiggehende Industrie gebildet. Durch die damals einsetzende Massenproduktion konnte sich auch der einfache Bürger sein Silvesterfeuerwerk –  in kleinem Rahmen – leisten.  

Von der Wiege bis zur Bahre

Böllerschüsse dagegen begleiteten die Menschen früher durch das ganze Jahr, ja sogar durch das ganze Leben – von der Geburt bis zur Beerdigung. Besonders laut ging es am Heiligen Abend zu. Da wurde nicht nur über die Felder und in die Obstbäume geschossen, sondern auch vor den Häusern und auf den Plätzen. Davon übrig geblieben ist bis heute in machen Gegenden das „Christkindl-Anschießen“. Natürlich wurde auch das alte Jahr aus- und das neue Jahr angeschossen. Es gab das Dreikönigsschießen und das Salutschießen an Ostern, Fronleichnam, Christi Himmelfahrt und Pfingsten.

„Übers Kraut schießen“

Geburt, Taufe, Polterabend, Geburtstage und Beerdigungen, alle möglichen Festlichkeiten wurden von Böllerschüssen begleitet. Es galt als Schande, wenn sich z.B. bei einer Hochzeit „keine Katz rührt“, wenn nicht geschossen wurde. Und so empfing das Hochzeitspaar nach der Trauung vor der Kirche ohrenbetäubendes Böllerschießen. In manchen Gegenden war es auch üblich, das Brautpaar schon bei der Abfahrt vom heimischen Hof mit Büchsen- und Böllerschüssen zu verabschieden. Sogar beim Hochzeitsmal wurde beim Auftragen bestimmter Gerichte geschossen. Daher kommt vermutlich auch der Ausdruck „Übers Kraut schießen“.

Böller gegen Dämonen

Aber auch im Alltag spielten die Böller eine wichtige Rolle, vor allem in der Landwirtschaft. Da wurde bei der aufgehenden Saat über den Acker geschossen um damit die Saat zu wecken und den „Bilmesschneider“, den gefürchteten Getreidedämon, zu vertreiben. Man schoss in die Obstbäume, ja sogar ins Butterfass – und zwar dann, wenn die Butter trotz eifrigem Rühren einfach nicht werden wollte. Hier half nur ein kreuzweiser Schuss durch das hölzerne Fass. Anschließend wurden die Löcher wieder mit Zapfen verschlossen. Wenn ein gefürchtetes Unwetter aufzog, wurde in den Gewitterkern geschossen, um es abzuwenden. Selbst der medizinische Bereich war beim Schießen nicht ausgeschlossen. Schüsse über dem Kranken sollten den Krankheitsdämon vertreiben, war das Vieh krank, schoss man über den Stall.

Strenge Regeln

Im Lauf der Zeit haben sich die Anlässe geändert. Heute wird vor allem an kirchlichen Feiertagen, bei Beerdigungen oder bei besonderen Jubiläen geschossen. Jedes Schießen mit Böllern muss bei den zuständigen Behörden und der Polizei angemeldet werden, jeder Schütze muss zuvor einen Lehrgang absolviert und eine schriftliche Prüfung abgelegt haben. Je nach Anlass gibt es verschiedene Schussfolgen, z.B. Salut, langsames oder schnelles Reihenfeuer, versetztes Reihenfeuer oder den Doppelschlag.

Text: Judith Kumpfmüller

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