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Brauchtum in Ostbayern: Der Abt und sein Kalender

Was sagt der Hundertjährige Kalender über das Wetter?

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Regensburg, 13. Juni 2024

„Das Jahr ist durch und durch mehr trocken als feucht und mittelmäßig warm“, so beschreibt der Hundertjährige Kalender das Wetter im Sonnen-Jahr 2024. Entstanden vor über 350 Jahren, erfreut sich der Wetterkalender bis heute ungebrochener Beliebtheit – und noch immer schwören viele auf die Treffsicherheit der Vorhersagen. Dabei stehen die Meteorologen dem 100-jährigen Kalender eher skeptisch gegenüber.

Calendarium oeconomicum

Die unter dem Namen Hundertjähriger Kalender bekannten Aufzeichnungen des Abtes Mauritius Knauer waren gedacht als „bleibender Hauskalender, aus welchem jährlich die Witterung zu erkennen und derogestalt der Wein- und Feldbau mit Frucht und Nutzen anzuordnen, die Mißjahre zu erkennen und der bevorstehenden Not mit Wissen zuvorzukommen ist.“ Knauer, einst Abt des Zisterzienserklosters Langheim, wollte es mit seinem „Calendarium oeconomicum practicum perpetuum“ – also einem immerwährenden Kalender – den Mönchen ermöglichen, das Wetter in Franken vorherzusagen und diese Erkenntnisse für die klösterliche Landwirtschaft zu nutzen.

Alle sieben Jahre

Schon während seiner Studienzeit hatte sich der Theologe auch astronomischen und naturwissenschaftlichen Forschungen gewidmet. In seinen Wettervorhersagen ging Mauritius Knauer davon aus, dass der Einfluss der Planeten das Wetter bestimme. Zu den damals bekannten Planeten zählten die Astrologen neben Saturn, Jupiter, Mars, Venus und Merkur auch Mond und Sonne. Der Abt war überzeugt, jeder dieser Planeten beeinflusse das Wetter. Also müsste sich das Wetter alle sieben Jahre wiederholen. Und so wählte er exakt diese Zeitspanne für seine Aufzeichnungen: die Jahre 1652 bis 1658.

Siebenjähriger Kalender

Täglich notierte er das Wettergeschehen, Sonnen- und Mondfinsternisse, beobachtete das Wachstum der Pflanzen, den Fischbestand, das Ungeziefer und das Auftreten von Krankheiten. Schließlich ordnete der Abt jedes dieser sieben Jahre einem Planeten zu, und nach siebenjähriger Arbeit war ein meteorologischer Kalender entstanden, der bald weit über Deutschland hinaus bekannt war. Sogar aus Russland wurde das Kloster um Abschriften gebeten.
Erst 50 Jahre nach dem Tod von Mauritius Knauer wurde der „Immerwährende Hauskalender“ erstmals veröffentlicht.

Im Jahr 1721 schließlich kam der findige Erfurter Arzt Christoph von Hellwig auf die Idee, aus dem „Immerwährenden“ einen „Hundertjährigen“ Kalender zu machen. Seitdem ist der Hundertjährige Kalender das meistgelesene Wetterbuch im deutschen Sprachraum.

Das Sonnen-Jahr

Das Jahr 2024 ist nach dem Hundertjährigen Kalender ein Sonnen-Jahr und damit mehr trocken als feucht. Doch Mauritius Knauer hat sich nicht nur mit Wettervorhersagen beschäftigt. In seinen Aufzeichnungen finden sich auch Hinweise zum Anbau oder Vorhersagen zu Ungezieferplagen, Wetterkatastrophen und Krankheiten, die den jeweiligen Planeten zugeordnet sind. So sagt er für das Sonnen-Jahr viele Unwetter mit Donner, Hagel und Blitz voraus. Laut Mauritius Knauer gibt es aber keine Überschwemmungen und kein Hochwasser. Auch Krankheiten seien im Sommerjahr seltener als sonst.

„Das Korn wächst im Sonnen-Jahr prächtig“, ist im „Hundertjährigen“ zu lesen, allerdings „gibt es nicht viele Äpfel, aber ausreichend Birnen, viel Kirschen und mitunter auch Zwetschgen. Gleichwohl darf man mit viel Nüssen und Eicheln rechnen.“

Text: Judith Kumpfmüller

Vorderseite eines uralten Kalenders

Genau 100 Jahre alt ist diese Ausgabe des 100-jährigen Kalenders des Lahrer Hinkenden Boten. Er enthält „die Erklärung und Deutung aller astronomischen und astrologischen Zeichen und Dinge sowie viele wohlbedachte Wetter- und Bauernregeln und landwirtschaftliche Verrichtungen für alle Monate des Jahres“. © Judith Kumpfmüller

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