News Bild Bischof Voderholzer diskutiert mit KAB und Gläubigen über Zukunft der Kirche
Bischof Voderholzer diskutiert mit KAB und Gläubigen über Zukunft der Kirche

Synodalität nur auf Basis des Evangeliums

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Fronberg, 29. April 2023

Bis auf den letzten Platz gefüllt war der Saal des Pfarrheims in Schwandorf-Fronberg. Die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) hatte zu einem Gespräch mit Bischof Rudolf Voderholzer über Streitthemen im Kontext des Synodalen Weges eingeladen. Dazu waren nicht nur Interessenten aus der unmittelbaren Region, sondern auch aus den Nachbarlandkreisen gekommen. Zahlreiche Frauen und Männer trugen mit ihren Beiträgen zu einem vielfältigen Meinungsbild bei.

Eigentlich hätte der KAB-Seniorensprecher Fridolin Gans die Diskussion als Moderator leiten sollen. Doch dieser war überraschend am 21. April verstorben, weshalb KAB-Pressewart Rudolf Hirsch die Gesprächsleitung übernahm. Dieser erinnerte in seiner Begrüßung an den Besuch des Diözesanbischofs im Jahr 2014 bei einer syrischen Familie hier in Fronberg, besonders aber an zwei KAB-Veranstaltungen sowie sich anschließende Gespräche im Ordinariat zum Synodalen Weg. Erfreut zeigte sich Hirsch, dass Bischof Voderholzer sofort ein Gespräch in größerem Rahmen angeboten habe, das nun zustande gekommen sei. Hirsch stellte das Konzept des Gesprächs vor: vier zentrale Themen sollten vom Moderator kurz angerissen und dann vom Bischof aus seiner Sicht erläutert werden. Danach konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu einbringen.

Gedenken an Fridolin Gans

Zunächst drückte Bischof Voderholzer seine Betroffenheit über den Tod von Fridolin Gans aus, mit dem er noch einen Tag vor dessen Ableben telefoniert hatte. Am 23. November des vergangenen Jahres hat Bischof Rudolf mit Fridolin Gans, der ebenfalls sudetendeutsche Wurzeln hatte, bei einem Treffen im Ordinariat über die Themen des Synodalen Weges gesprochen. Bei einem „Vater Unser“ und „Gegrüßet seist Du, Maria“ gedachte der Bischof gemeinsam mit den Teilnehmern des Verstorbenen. Dessen Bild stand mit einer brennenden Kerze neben dem Podium.

Sexualmoral der Kirche dient als Schutz und Raum für die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit

Das erste der vier Themen war die Haltung der Kirche zur Sexualmoral bzw. zu deren Anpassung an die aktuelle Lebenssituation der Menschen. Moderator Hirsch verwies auf die 31 Ja-Stimmen und 22 Nein-Stimmen auf Seiten der Bischöfe zu eben diesem Text, so dass dieser wegen der Sperrminorität gescheitert war. Mit der etwas provokanten Frage „Warum sind Sie gegen die Anpassung der Sexualmoral an die Lebenswirklichkeiten des 21. Jahrhunderts?“, gab Hirsch das Wort an Bischof Voderholzer. Dieser erinnerte an den schwierigen, belastenden 8. September 2022 in Frankfurt/Main („ein hoch emotionalisierter Abend“), aber auch – hinsichtlich der Thematik – an die „Übereinstimmung mit der biblischen Lehre, die sich über Jahrhunderte und Jahrtausende bewährt hat“. Eine Anpassung an die Lebenswirklichkeit bzw. Liberalisierung komme, so der Bischof, der Versuchung gleich, durchgehen zu lassen, dass jeder macht, was er will. „Dafür bin ich nicht Bischof geworden“, machte er unmissverständlich deutlich, auch mit dem Hinweis auf den Auftrag und die Lehre der Kirche. „Ohne Grenze kann man den Weg ins Leben nicht finden. Die Kirche ist die letzte Institution, die auf die Grenzen verweist – nicht um des Gesetzes, sondern um des Menschen willen“, vertiefte der Bischof. Als wichtige Basis nannte er die „Theologie des Leibes“ von Papst Johannes Paul II. „Ich habe die Sexualmoral der Kirche nie belastend, als Verbotsmoral kennengelernt, sondern als Schutz und Raum für die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Es geht nicht darum, Gebote oder Verbote einzuhalten, sondern zu einem frohen und liebensfähigen Menschen zu werden, der das Größte nur einmal verschenken kann – oder Ehelosigkeit lebt“, konkretisierte der Oberhirte. Daher sind für ihn sowohl die Ehe wie die Ehelosigkeit (z.B. der katholischen Priester) „zwei Formen des Zeugnisses für die Wirklichkeit Gottes im Leben“.

Beziehung von Mann und Frau ist die Grammatik der Selbstoffenbarung Gottes

In der Debatte wurde die deutsche Position im Kontrast zur Weltkirche (v.a. Afrika) angesprochen. „Viele Mitbrüder verstehen nicht, was in Deutschland los ist. Deutschland verdirbt in der Welt viel“, meinte etwa Christa Fischer aus Maxhütte-Haidhof. Eine Dame wünschte zwar Toleranz und Barmherzigkeit gegenüber anderen Lebensgemeinschaften, diese dürften aber nicht auf der gleichen Ebene wie die sakramentale Ehe stehen. Auch thematisiert wurde Deutschlands führende Position bei Prostitution und Menschenhandel, insbesondere seit der Veränderung der entsprechenden Gesetze. Unterschiede zwischen Funktionärs- und Kirchenvolksmeinungen sprach ein früherer KAB-Vorsitzender an, der sich auch für den „absoluten Schutz“ der Ehe aussprach. „Geschlechtserwerb durch Sozialisation ist Schwachsinn. Nur Mann und Frau können Kinder zeugen“, bezog er klar Stellung zu den aktuellen Gender- und ähnlichen Diskussionen. Bischof Voderholzer schaltete sich kurz ein und nannte als Grund für die hohe Ablehnung des Textes seitens der Bischöfe „die zugrunde gelegte Anthropologie, die die biblische Bipolarität von Mann und Frau aufkündigt“. Auch die Biologie sehe, so Bischof Rudolf, keinen Grund, von der Zweigeschlechtlichkeit abzugehen. „Die Beziehung von Mann und Frau ist die Grammatik der Selbstoffenbarung Gottes und ist daher zur Würde eines Sakraments erhoben worden. Hier geht es ums Eingemachte des biblischen Menschenbildes“, stellte der Bischof fest. Hans Fischer aus Neunburg vorm Wald fragte kritisch an, ob der in der Bibel beschriebene Zeitgeist vor ca. 2000 Jahren (z.B. Hintergrund der jüdischen Religion und der damaligen Gesetze) mit dem heutigen zu vergleichen sei. Ob sich daraus eine Sexualmoral für heute ableiten lässt, sei ebenfalls zu hinterfragen. „Die Ehe ist ein Sakrament, das sich die Eheleute selbst spenden, und die Grundlage dafür ist die Liebe, die Basis der christlichen Lehre“, führte Fischer aus. Realität sei aber, dass Liebe endlich sein kann – konkret auch Scheidungen bei Katholiken. Daher plädierte Fischer für entsprechende Änderungen.

Zölibat besitzt Strahlkraft für die priesterliche Existenz

Der Gegenstand „Priesterliche Lebensform“ bildete das zweite Thema. Moderator Hirsch verwies in seinen einleitenden Gedanken darauf, dass Petrus und die Apostel verheiratet gewesen seien und Jesus bei Frauen übernachtet habe („Hat Jesus zölibatär gelebt?“). Wie stehe das in Einklang mit der Ehelosigkeit der Priester, fragte Hirsch und verweis auf eine Äußerung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Georg Bätzing, wonach es der Kirche nicht schade, wenn die Priester in ihrer Lebensform frei seien. Entschieden wehrte sich Bischof Voderholzer gegen Hirschs Darstellungen von Jesus und seinen Aposteln. „Jesus ist der Erste, der sich an die zehn Gebote gehalten hat. Dass Jesus ehelos gelebt hat, wird aus vielen Zusammenhängen deutlich – vor allem im 19. Kapitel des Matthäus-Evangelium und in den Reich Gottes-Verkündigungen“, verdeutlichte Bischof Voderholzer. Dass Petrus verheiratet war, bestritt der Bischof nicht. Doch in der Bibel sei zum einen nichts von Petrus’ Frau zu lesen, zum anderen habe Petrus alles verlassen, um Jesus zu folgen. Daher könne angenommen werden, dass Petrus Witwer war, als er sich Jesus anschloss. Auch künftig werde der Zölibat eine Strahlkraft für die priesterliche Existenz haben, ist der Oberhirte überzeugt, in Fällen von Doppelmoral – wie von Hirsch angedeutet – erbittet Bischof Voderholzer die Nennung von „Ross und Reiter“. Natürlich verschließt er nicht die Augen davor, dass Priester „in einer übersexualisierten Welt“ bisweilen Schwierigkeiten haben können. Grundsätzlich fordert Bischof Rudolf aber Ehrlichkeit auf allen Seiten. „Keiner hat mich zum zölibatären Leben genötigt. Man kann nicht von einem Pflichtzölibat sprechen“, stellte ein Passionist aus dem Kloster in Schwarzenfeld fest, der sich derzeit auf das Priesteramt vorbereitet. Er verwies auf die „extrem hohe“ Scheidungsrate bei protestantischen Pfarrern und schloss mit der Bemerkung: „Betrachten wir unsere Priester als geistliche Väter.“ Diese „geistliche Vaterschaft“ unterstrich ein weiterer Passionist. Ein früherer Priesteramtskandidat, der inzwischen verheiratet und als Religionslehrer tätig ist, betonte die Bedeutung des Gebets als Beziehung zu Gott und die zölibatäre Lebensweise auch in vielen anderen Religionen.

Sexueller Missbrauch und Reformdebatte sollten nicht vermischt werden

Der Bischof verdeutlichte, dass in seinem Bistum schon sehr früh mit der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs und der Gewalt – beide Aspekte waren ja mit die Ausgangspunkte für den Synodalen Weg – begonnen wurde und bereits 2017/18 hier „ein hoher Grad an Befriedung“ erreicht gewesen sei. „Sexueller Missbrauch und Reformdebatte sollten nicht vermischt werden“, riet er eindringlich. Gemäß dem Zweiten Vatikanum seien Männer und Frauen auch zur Mitarbeit in der Kirche heranzuziehen, sie sollten Sauerteig sein, in die Welt, d.h. in die verschiedenen Bereiche (Politik, Gesellschaft, Kultur, Medien usw.) auf der Basis ihres Glaubens und ihrer Religion, hineinwirken. Doch sei in jüngster Zeit ein Perspektivwechsel festzustellen: „Kompetente Leute tragen Politik in die Kirche hinein – zum Beispiel die Abtreibungsdebatte“, analysierte Bischof Rudolf diese Entwicklung. Dem gelte es entgegenzuwirken, etwa durch die von Papst Franziskus angeregte Ausbildung von Katechisten, was auch das Bistum Regensburg aufgegriffen hat.

Rückbesinnung auf Substanz des Evangeliums

Der dritte Themenbereich widmete sich der Zukunft der Kirche in Deutschland: Stellenwert von Glaube und Ehe etc. „Beständigkeit braucht jeder. Jeder war froh über das Beibringen des Glaubens und die Beständigkeit der Kirche“, nahm Bischof Voderholzer kurz Stellung, zumal Teilaspekte ja schon bei den vorherigen Punkten zur Sprache kamen. In den Äußerungen der Diskussionsteilnehmer ging es um den „exklusiven Schatz der sieben Sakramente“, wobei besonders bei der Beichte die Rolle des Priesters als „Statthalter Christi“ deutlich werde. Auch Aspekte wie die Marienverehrung und die Pflege des Gebetes („ein aktives Gebetsleben ist wichtig!“) wurden angesprochen, ebenso Defizite vor allem bei Kindern in Glaubens- und Religionsfragen genannt. Veronika Hitze wurde zum Synodalen Weg deutlich: „Vor 2000 Jahren hat Jesus die weltlichen Maßstäbe auf den Kopf gestellt, der Synodale Weg stellt nun die kirchlichen Maßstäbe auf den Kopf. Wir müssen uns auf die Substanz besinnen.“ Natürlich wird es auch für sie einen Wandel geben. „Die Kirche hat immer Orientierung gegeben“, fügte sie hinzu und dankte Bischof Voderholzer dafür, „dass Sie noch Orientierung geben“. Simon Rupprecht aus Regensburg wünscht sich ein „respektvolles Reden über Jesus Christus“ und ist überzeugt, dass die Kirche auf dem Weg in eine Minderheitenkirche ist – eine überzeugendere Kirche. „Wir müssen im Alltag Zeugnis geben, nicht durch strukturelle Veränderungen“, brachte er es auf den Punkt.

Verantwortungsvoller Umgang mit den Finanzmitteln

Das vierte (und letzte) Thema war „Kirche und Reichtum“. Moderator Hirsch verwies auf die beim Zweiten Vatikanischen Konzil erarbeitete dogmatische Konstitution „Lumen gentium“, aber auch auf die ab und zu scheinbare Diskrepanz zwischen propagierter Armut und Prunk bzw. Reichtum. Dem stellte Bischof Voderholzer eigene Erfahrungen entgegen. „Ich erlebe wöchentlich zwei- bis dreimal die Situation, dass ich Wünsche zur Gewährung von Förderungen oder Bezuschussungen ablehnen muss, weil zu wenig Geld da ist.“ In Medien werde hingegen dargestellt, dass die Kirche zu viel Geld besitze. Neben dem Erhalt von Bauwerken nannte der Bischof den Bildungsauftrag (kirchliche Schulen) und die sozial-caritativen Aufgaben sowie die Unterstützung der Weltkirche. „Dass wir in Saus und Braus leben, ist eine Unterstellung. Wir gehen mit unserem Geld verantwortungsvoll um. Sollte die Kirchensteuer abgeschafft werden, erscheint ein Abbau unseres Personals nicht ausgeschlossen“, gab der Bischof zu bedenken. Mit Blick in die Zukunft oder auch den Verlust von Einrichtungen bevorzugt er, „lieber kleiner und überzeugend zu sein als groß und lauwarm“. Die Erhaltung der Kirchen, also der Gotteshäuser als Orte des Gebetes und Lobpreises Gottes, betonte ein Diskutant. Darüber hinaus ging es unter anderem um die Umsetzung des neuen Arbeitsrechts und eine mögliche Angst von Bischöfen vor Machtverlust. Ein früherer KAB-Funktionär stellte fest, dass die Vertreter der Kirchenleitung „weniger ein Problem mit dem Kirchenvolk haben als vielmehr mit Funktionären, die in nicht gewählten Gremien säßen. Das Problem liegt schon etwas bei den Funktionären.“

Zum Abschluss bedankte sich Bischof Voderholzer „für die Diskussion und für manches Zeugnis“. Für ihn sei ein gutes Bild von dem deutlich geworden, was in der Kirche Realität ist – die unterschiedlichen Auffassungen. Besonders seien die Kräfte, die den Glauben als Geschenk und als Quelle der Freude erleben, gut vertreten gewesen. „Ich erlebe grundsätzlich bei meinen Gesprächen in den Pfarreien und Dekanaten eine andere Stimmung als die, die ich in Frankfurt beim Synodalen Weg erlebt habe. Besonders dankbar bin ich für die Gottesdienst- und Gebetsgemeinschaften. Und ich spüre auch ein Aufatmen, ja Erleichterung nach den Corona-Beschränkungen“. Mit dem gemeinsam gesungenen „Freu dich, du Himmelskönigin“ und dem bischöflichen Segen endete der angeregte Austausch, die Moderator Hirsch nicht selten zur Darstellung seiner Position nutzte. „Ich missbrauche meine Moderation für meine Meinung“, sagte er, nachdem mehrere Teilnehmer seine alles andere als objektive Moderation kritisiert hatten. Aber die Mehrheit hatte er sicher nicht auf seiner Seite.

Text und Fotos: Markus Bauer/jas



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