München / Regensburg, 21. Januar 2025
Nach fünfzehnmonatiger Geiselhaft ist in Baku, der Haupstadt Aserbeidschans, Anklage gegen Ruben Vardanyan, einen ehemaligen Minister der Regierung von Bergkarabach erhoben worden. Haft- und Verfahrensbedingungen verletzen internationale Normen. Für Vardanyan steht lebenslange Haft im Raum.
Ruben Vardanyan ist eines von acht ehemaligen Regierungsmitgliedern und insgesamt zwischen 23 und 100 Geiseln, die während der gewaltsamen Invasion Aserbaidschans in das seit 1.700 Jahren christliche Bergkarabach gefangengenommen und inhaftiert wurden, in Armenien selbst wird dieses Gebiet übrigens Arzach genannt. Am 17. Januar begann nun der Prozess gegen ihn und weitere 15 Geiseln vor einem Militärgericht in Baku, der Hauptstadt des strikt und radikal sunnitisch-moslemisch beherrschten Aserbeidschan. Vardanyan, der christliche Kinder und Frauen, unter ihnen die Mütter der Landesverteidiger, vor ungewollter Islamisierung schützen wollte, wird „Terrorismus“ vorgeworfen. Im Dezember 2024 erhoben die Staatsanwälte von Baku zudem Dutzende neue Anklagen gegen ihn, darunter „Separatismus“, plötzlich taucht auch der Vorwurf der Veruntreuung auf.
Im Falle einer Verurteilung droht Vardanyan lebenslange Haft, und schlimmste Befürchtungen, dass sein Leben in akuter Gefahr sein könnte, sind nicht von der Hand zu weisen. Und es scheint sogar möglich, dass der Prozessbeginn kein zufälliges Datum trägt. Denn am 19. Januar nach unserem westlichen Kalender feierten die armenischen Christen in diesem Jahr das Weihnachtsfest, es war der 7. Januar nach dem Julianischen Kalender. Dann wäre dies als eine weitere Steigerung des Versuchs zu sehen, christliche Armenier auf allen Ebenen zu demütigen – und mit allem, was überhaupt nur denkbar ist.
Bei dem gesamten Verfahren handelt es sich um einen Versuch, die Christenverfolgung im Südosten des historisch gewachsenen Armenien zu einem gewöhnlichen Kriminalprozess umzudeuten, darauf weisen Historiker hin. Sowohl im Westen wie im Osten ist die kulturnation Armenien in den letzten 150 Jahren durch Kriege, Progrome und Landnahme massiv und gewaltsam verkleinert worden. Im November 2023 hatten aserbeidschanische Truppen, unterstützt von türkischen Panzern, weit über 100.000 Frauen und Kinder, alles Armenier, aus der seit der Spätantike von ihren Vorfahren bewohnten Region, die etwa die Größe Bayerns hat, mit Waffengewalt vertrieben.
Vardanyan hatte sich gegen neue und brutalen Methoden, den historischen Völkermord der Türken an den Armeniern auch im 21. Jahrhundert fortzusetzen, gewehrt – sonst ist ihm nichts vorzuwerfen. „Die gefälschten Beweise werden auf mehr als 25.000 Seiten in 100 Bänden präsentiert, die alle auf Aserbaidschanisch verfasst sind“, heißt es in einer Erklärung der Familie und des Anwalts Vardanyans.
Zwischenzeitlich trat Vardanyan aufgrund der unmenschlichen Haftbedingungen in Hungerstreik, sein Anwaltsteam reichte beim Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Folter Beschwerde ein – bislang ohne Erfolg. Peter Fuchs, Geschäftsführer von Christian Solidarity International Deutschland, sieht in den unmenschlichen und unfairen Prozessbedingungen den Versuch, die vollständige ethnische Säuberung Bergkarabachs im Nachhinein zu rechtfertigen: „Die internationale Gemeinschaft darf keine Rache-Schauprozesse gegen Kriegsgeiseln hinnehmen und muss schnellstmöglich dafür eintreten, dass die Inhaftierten freigelassen werden.“
Text: CSI / Sebastian Sigler
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