20 Jahre Grabstätte für Sternenkinder auf dem Köschinger Friedhof
Wie Wertschätzung ungeborenen Lebens gelingen kann
Regensburg, 25. Juni 2024
Eine Initiative des Köschinger Pfarrgemeinderats pflegt seit 2004 das Kindergrab und organisiert würdige Bestattungsfeiern für totgeborene Kinder – Das ist beispielhaft in der Region!
Ein Paar steht am Nordwestrand des Köschinger Friedhofs vor einem stilisierten Bachlauf mit Brücke - eine steinerne Gedenkstätte. Die Frau und der Mann haben in einer Lichtstele ein Grablicht angezündet und einen kleinen Engel abgelegt. Im Baum flattert ein Windspiel und erinnert an ihr leblos auf die Welt gekommenes Mädchen. Chiara haben sie ihre zweite, so ersehnte Tochter genannt. Ihr Mädchen ist ein Sternenkind, zurückgekehrt in die Ewigkeit ohne auf der Erde heimisch geworden zu sein. Dass sie ihre Chiara hier bestatten konnten und sie besuchen können, das tröstet das Paar. Der Verlust und die große Enttäuschung ließen Mama und Papa untröstlich und ratlos zurück: Ein sehr kleiner Mensch ist gegangen, sie musste ihn ganz plötzlich aus den Freuden der Schwangerschaft gehen lassen - verabschieden. Die kleine Chiara hat das Licht der Welt nie erblickt und hinterlässt doch Spuren...
Chiara – die hell Leuchtende
Für ihre Trauer brauchten die beiden Zeit. Sie wollten ihren Schock verdauen, sie wollen angemessen und menschenwürdig Abschied nehmen von dem viel zu früh verblichenen Leben. Und es galt, wichtige Entscheidungen zu treffen. Das Paar fragte nach, ob sie ihrem verstorbenen Kind einen Namen geben können. Der Name Chiara ist dann in der Geburtsurkunde eingetragen worden. Von Chiara verabschiedeten sie sich zusammen mit der älteren Schwester und anderen Familienangehörigen, die ihren Schmerz teilten. In das Grab legten Eltern und Schwester Spielzeug, Kleidung und Briefe. Und sie ließen ihr Kind von einem Geistlichen segnen. Chiara hat damit einen Platz in der Familie bekommen - sie ist Mensch geworden.
Bei all dem hat die Familie erfahren, dass Trauer Berührung braucht. Trauer braucht auch Vertrauen und Trauer braucht Worte. Im persönlichen Umfeld und auch auf professionelle Weise fanden die verzweifelten Eltern Ansprechpartner, bei denen sie sich mit all dem Schmerz aufgehoben fühlten.
Wen kann ich in einer solchen Situation ansprechen?
Vielen fällt es schwer, zu reden, sich anzuvertrauen. Wer seine Sorgen etwas anonymer teilen möchte, der kann sich bei einer Beratungs- oder Selbsthilfegruppe melden oder sich an die Telefonseelsorge wenden. In der Trauer um Sternenkinder kann auch ein Hospizverein unterstützen. Auch der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) und seine Ortsgruppen berät Frauen und Familien nach Fehl- und/oder Totgeburt. Denn so viel steht fest: Eltern kommen nur schwer über den Verlust ihres totgeborenen Kindes hinweg. Sie suchen manchmal vergebens Möglichkeiten, Ihre Trauer zu verarbeiten. Gespräche mit verständigen und einfühlsamen Menschen, aber auch die Möglichkeit sich an den Ort zu begeben, an dem man sein Kind beerdigt hat, können dabei von besonderer heilender Bedeutung sein.
Ehrenamtliche pflegen die ökumenische Grab- und Gedenkstätte für totgeborene Kinder auf dem Köschinger Friedhof und organisieren in Zusammenarbeit mit der katholischen und evangelischen Kirche würdige Bestattungsfeiern.
Max Fischbach, Bernhard Semmler, Reinhard Niebler als damaliger PGR-Vorsitzender und sein aktueller Nachfolger Erich Liepold haben sich für die Grabstätte für die ungeborenen Kinder auf dem Köschinger Friedhof stark gemacht und 2004 selbst zugepackt, um sie zu verwirklichen.
"Damit die Trauer nicht nur in Ihrem Herzen, sondern auch in dieser Welt einen Platz findet“
Deswegen wurde 2004 auf Initiative der Pfarrei Mariä Himmelfahrt und mit Unterstützung zahlreicher Helfer eine Ökumenische Grab- und Gedenkstätte für totgeborene Kinder, die weniger als 500 Gramm wiegen und nach geltendem Recht nicht bestattungspflichtig sind, auf dem kommunalen Friedhof errichtet. Ehrenamtliche vom Köschinger Pfarrgemeinderat pflegen das Kindergrab nun seit 20 Jahren und organisieren in Zusammenarbeit mit der katholischen und evangelischen Kirche dreimal pro Jahr würdige Bestattungsfeiern für totgeborene Kinder. Die Grab- und Gedenkstätte ist damit auch Symbol für die Wertschätzung ungeborenen Lebens und dessen unantastbarer Würde. Das Team des PGR-Sachausschusses "Lebensrecht für Alle" ist sich sicher: "Eine Beerdigung und eine Grabstelle sind wichtig. Für die allermeisten Menschen ist es gut, den Ort zu kennen, an dem ihr Kind beerdigt ist." Erich Liepold, PGR-Sprecher und derzeitiger Mit-Organisator der Initiative "Kinderbestattungen" sagt zu Betroffenen: "Damit die Trauer um Ihr Kind nicht nur in Ihrem Herzen, sondern auch in dieser Welt einen Platz findet, gestalten wir eine Abschiedsfeier, zu der wir Sie und Ihre Angehörigen herzlich einladen."
Text: Thomas M.P. Schumann / Silke Schötz
(SSC)
Weitere Infos
Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr da:
- evangelisch: 0800/1110111
- katholisch: 0800/1110222
Der Hospizverein Ingolstadt bietet eine Selbsthilfegruppe an für Eltern, die ein Kind vor, während oder nach der Geburt verloren haben. Auch Eltern von früh verstorbenen Kleinkindern sind willkommen: 08 41/171 11 oder per E-Mail und über die Webseite.
Kontakt zum Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Ingolstadt: 0841/9375560 und https://www.skf-ingolstadt.de