„Leben 4.0 – Jugend braucht Perspektive“: Lernwerkstatt der KJF beeindruckt durch differenziertes Angebot für benachteiligte Jugendliche beim Josefitag 2018
Der Josefstag, der in diesem Jahr zum 12. Mal stattfand, hat sich bundesweit als wichtiger
Aktionstag etabliert. Einrichtungen der katholischen Jugendsozialarbeit laden
VertreterInnen aus Kirche und Politik dazu ein, gemeinsam die gesellschaftliche Teilhabe
benachteiligter junger Menschen in den Blick zu nehmen. Dieses Jahr waren Gabriele
Anderlik, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Regensburg,
Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer und Landrätin Tanja Schweiger bei der
Lernwerkstatt der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Regensburg e. V. zu Gast, um
zu erfahren, wie sich die Situation für benachteiligte junge Menschen in der Region
Regensburg darstellt. Gemeinsam mit Michael Eibl, Direktor der KJF, stellten sie fest: „Wir
brauchen keine neuen Werkzeuge oder Maßnahmen, um Jugendliche für den Beruf und
ein Leben in Selbstständigkeit fit zu machen. Hier sind wir gut aufgestellt. Wir brauchen
die Zugangswege zur Finanzierung.“
Die Lernwerkstatt nimmt sich junger Menschen mit hohem Förderbedarf an
Die Lernwerkstatt verfügt über zwölf Ausbildungsbereiche. Diese sind nicht immer einfach zu
erhalten, weil die Zahl der Azubis deutlich zurückgegangen ist. Waren es früher schon einmal
an die 240 MaßnahmeteilnehmerInnen, seien es aktuell 200, berichtete Einrichtungsleiter
Hubert Schmalhofer. Jugendhilfeangebote würden wichtiger, weil der Ausbildungs- und
Arbeitsmarkt jetzt auch Jugendlichen, die nicht ganz so fit seien, eine Chance gebe.
Die Lernwerkstatt zeichnet sich neben ihrer hohen Fachlichkeit insbesondere durch Flexibilität
aus. Ein wichtiges Kennzeichen: jede Hilfe möglichst individuell ausrichten, um bestmöglich
zu fördern. Mit Hilfe von Maßnahmen der Jobcenter oder der Arbeitsagentur nach § 45 SGB
III zum Beispiel wendet man sich an „arbeitsmarktferne“ Menschen, um sie an einen Beruf
heranzuführen. Das Angebot „Projekt Beruf“ unterstützt TeilnehmerInnen in allen
persönlichen Belangen und bereitet sie auf Schulabschluss, Ausbildung oder Arbeit vor.
Die Zahlen, die die Lernwerkstatt vorlegen kann, sprechen für sich: 95 Prozent der jungen
Leute bestehen ihre Ausbildung, die Vermittlungsquote nach der Ausbildung liegt bei 80
Prozent. „Wir können den jungen Menschen für alle Lebenssituationen etwas anbieten“, so
Schmalhofer.
Das seien, wie Gabriele Anderlik, Gertrud Maltz-Schwarzfischer und Tanja Schweiger
bestätigten, hervorragende Erfolgsquoten, die auf eine fachlich ausgezeichnete Arbeit
deuteten. Immerhin weisen über 50 Prozent der jungen Menschen in der Lernwerkstatt eine
psychische Erkrankung auf, die zum Teil noch nicht diagnostiziert ist. "Sie sind so belastet,
haben nur Negativ-Erlebnisse hinter sich, dass man sich erst einmal darum kümmern muss,
damit sie sich wieder auf etwas Neues einlassen können. Jemanden wieder dahin zu bringen,
dass er sich mit Freude aufs Lernen und auf Bildung einlässt, ist schwierig", führte Hubert
Schmalhofer aus. Eine intensive Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie und
mit niedergelassenen Fachleuten sei unerlässlich.
Was oft tatsächlich hinter Schulvermeidung steckt
Warum junge Menschen straucheln, warum sie sich schwer tun, in Ausbildung und Beruf Fuß
zu fasssen, hat verschiedene Ursachen. Hubert Schmalhofer griff zwei Gruppen junger
Menschen exemplarisch heraus, die die Arbeit der Lernwerkstatt gut skizzieren.
Hinter den Schulvermeidern etwa steckten fast nur angstgestörte SchülerInnen. Auf die Frage,
wie sich das äußere, berichtete Ausbildungsleiter Vladislav Perkov, dass die Jugendlichen
direkt von zu Hause abgeholt werden müssten, weil sie nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln
fahren könnten. "Diese jungen Leute haben richtige Phobien entwickelt, trauen sich nicht aus
dem Haus und schon gar nicht in die Schule rein, haben Angst vor anderen." In der
Lernwerkstatt arbeite man behutsam in kleinen Klassen, anfangs nur für ein, zwei Stunden,
um das Pensum dann langsam zu steigern. Viele schafften so tatsächlich ihren Hauptschuloder
qualifizierenden Abschluss.
Die Arbeit mit jungen geflüchteten Menschen steckt fest
"Wir haben junge geflüchtete Menschen, die einen guten Weg gemacht, die sich angestrengt
haben. Und dann bräuchten sie ein Reha-Setting, eine Maßnahme, die ihnen neben Schule
und Ausbildung dabei hilft, ihre traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten. Und das bekommen
sie nicht, obwohl wir sie ausbilden und entsprechend begleiten könnten." Hubert
Schmalhofer berichtet von zwei geflüchteten jungen Männern, die vor gut zwei Jahren noch
eine Reha-Ausbildung genehmigt bekommen hatten. Sie sind noch da und werden dieses
Jahr im Sommer erfolgreich ihre Ausbildung abschließen. "Die beiden haben eine gute
Bleibeperspektive und wir können sie in Deutschland sehr gut gebrauchen."
Die Lernwerkstatt macht ihrem Namen alle Ehre, indem sie sich bei Bedarf gerne etwas Neues
einfallen lässt. Für junge Geflüchtete, denen aufgrund einer schlechten Bleibeperspektive
keine Ausbildung genehmigt wird, hat sie sogenannte Qualifizierungsbausteine entwickelt,
für die es ein Zertifikat gibt. Jede neu erworbene Fähigkeit nützt. Die Jugendlichen erleben
einen strukturierten Tag, der sie vor dem Absturz und endgültiger Resignation bewahren soll.
Hier bestätigten Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer, Gabriele Anderlik,
Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit, Landrätin Tanja Schweiger und
Michael Eibl, Direktor der KJF, dass hier dringend politischer Handlungsbedarf bestehe. 30
Prozent der jungen geflüchteten Menschen hätten einen ungesicherten Bleibestatus. Diese
Zielgruppe hänge in der Luft und habe keine Tagesstruktur. Zum Nichsttun verdammt zu
sein, bleibe nicht ohne Konsequenzen. Hier werde eine Entwicklung heraufbeschworen, die
niemandem dienlich sein könne, weitere Vorurteile schüre und gefährlich sei.
Vladislav Perkov und Hubert Schmalhofer bestätigten, dass viele Geflüchtete erfolgreich eine
Ausbildung absolvieren könnten, hätten sie die entsprechende Betreuung: "Aber, es gibt
keine Finanzierungsmöglichkeit." In Bayern seien die Hürden besonders hoch. Johannes
Magin, Leiter der Abteilung "Teilhabeleistungen für Jugendliche und Erwachsene" bei der KJF,
skizzierte den Ausweg aus diesem Dilemma wie folgt: "Gut wäre, bereits mit einem
Duldungsstatus den Zugang zu einer Reha-Maßnahme zu erwirken. Das wäre ein guter Weg."
Es dürfe auch nicht übersehen werden, dass in so vielen Bereichen Arbeits- und Fachkräfte
fehlten: "Allein im letzten Herbst konnten wir 1.000 Ausbildungsplätze nicht besetzen", hob
Gabriele Anderlik hervor. Von der neuen Bundes- wie bayerischen Landesregierung erhofften
sich alle an diesem Gespräch Beteiligten die richtige Weichenstellung: "Wir müssen für alle
Jugendlichen da sein können. Da ist politisch dringend eine Lösung erforderlich. Die Arbeit in
der Praxis könnten wir leisten. Wir haben in der Region ein großes Know-how und ein gut
funktionierendes Netzwerk."
Zum Abschluss des Austauschs bedankte sich Michael Eibl ausdrücklich für die gute
Zusammenarbeit mit den Kommunen, den Jugendämtern, dem Jobcenter und der
Arbeitsagentur. Gerade die jugendamtsfinanzierten Maßnahmen seien ein großer Gewinn
und nicht selbstverständlich.
Ein Besuch im Friseurhandwerk und in der IT-Abteilung
Im Anschluss an den einstündigen Austausch besuchten Gabriele Anderlik, Gertrud Maltz-
Schwarzfischer und Tanja Schweiger zwei Ausbildungsbereiche der lernwerkstatt – das
Friseurhandwerk und die IT-Abteilung. Gemäß des Mottos des Josefitags 2018 "Leben 4.0"
hatten die Auszubildenden unter ihrem Ausbilder Wolfgang Bräu einen Bausatz entwickelt,
mit dem die Gäste ein mikrocontrollergesteuertes Stimmungslicht zum Leuchten brachten.