Wenn die Stimmung kippt. Herausforderung: Familie in Zeiten von Corona
Mehr Zeit mit der Familie verbringen können oder müssen? Die Ausgangsbeschränkung kann zur Herausforderung werden. Andreas Holzfurtner aus Bruck im Landkreis Schwandorf, Vater zweier Kinder, arbeitet als Experte der Familienseelsorge in Regensburg. Jetzt erleben die Holzfurtners aber eine intensive Familienzeit: Benedikt (6) und Franziska (4) gehen derzeit nicht in den Kindergarten, die Geburt des dritten Kindes steht bald bevor. Was macht das mit der Familie? Die Fragen stellten Jacinta Fink und Dr. Veit Neumann.
Sehr geehrter Herr Holzfurtner, was können Familien jetzt gemeinsam tun?
Ich schlage vor: gemeinsam basteln oder malen, spazieren gehen und radfahren, kochen und backen, mit den Großeltern, Onkeln und Tanten telefonieren.
Die Erfahrung ist doch: ein falsches Thema und schon kippt die Stimmung, übrigens auch zwischen den Eltern. Welche Gesprächsthemen bieten sich an?
Man kann sich über Erlebnisse aus der Kindheit und Jugend unterhalten, über das, was sich seitdem geändert hat, über Erlebnisse mit den eigenen Kindern. Lustige Momente und treffende Aussagen der Kleinen können sehr unterhaltsam sein. Dialog unserer Franziska mit dem dreijährigen Nachbarskind: Hast du ein Corona-Virus? Dann musst du dir die Hände waschen. Sonst darfst du uns nicht mehr besuchen.
Im Alltag bleibt manches auf der Strecke. Wofür ist jetzt Zeit?
Gesprächsthemen gehen wir immer recht direkt an. Allerdings gibt es, ganz praktisch, viel aufzuräumen, im Keller, in der Garage und im Wohnbereich. Das sollten wir eher angehen.
Wie gelingt Kommunikation?
Es kommt auf eine positive Grundstimmung an. Auf die grundsätzliche Bereitschaft, zuzuhören, in Gedanken ganz da zu sein, gelassen und geduldig zu bleiben.
Hat das etwas mit dem Heiligen Geist zu tun?
Ja, auf diese Weise bekommt der Heilige Geist seinen Platz, er kann dabei sein und wirken.
Stichwort: Handbremse ziehen. Gibt es Konfliktthemen, denen man besser aus dem Weg geht?
Bitte nicht auf den Defiziten des Partners herumreiten. Bei typischen Frauen- und Männerarbeiten – Haushalt oder Handwerk – sind meine Frau und ich mäßig begabt. Da sollte man vom anderen nicht zu viel erwarten und sich stattdessen auch über kleine Schritte freuen. Und: möglichst zusammenhelfen!
Es gibt die Flucht in Arbeit oder Hobbys. Jetzt gibt es weniger Fluchtwege.
Ich selbst bin nicht abgeneigt zu sagen: Ich muss jetzt dringend noch etwas für die Arbeit erledigen. Lasst mich in Ruhe! Wenn diese (Aus)Flucht nicht mehr möglich ist, ändert sich etwas: Es bleibt mehr Zeit für die Familie. Die gemeinsame Zeit schweißt definitiv noch enger zusammen. Trotzdem braucht jeder seinen Freiraum. Die Kinder ihr Spielzimmer, meine Frau Marina ein Buch oder ihr Handy und ich einen Spaziergang an der frischen Luft, ein Feierabendbier oder einen schönen Film. Gerne auch abends, wenn die Kinder schlafen, gemeinsam mit meiner Frau.
Es heißt, streiten kann gesund sein.
Manchmal ist ein reinigendes Gewitter nötig. Nachher bemüht man sich wieder mehr.
Ist es ein Problem, wenn es in der Familie nie Streit gibt?
Auf diese Weise staut sich vieles an und lässt sich schwer unter Kontrolle bringen, wenn es doch einmal ausbricht.
Wie räume ich mir Zeit für mich ein? Besonders in kleinen Wohnungen mit wenig Platz?
Da hilft wohl am besten der Spaziergang an der frischen Luft, auch nochmal am späten Abend. Dann ist es nachher im Haus umso gemütlicher und man schläft besser.
Wie spreche ich Dinge an, die ich mir am anderen geändert wünschen würde und die mir jetzt als störend erscheinen?
Möglichst mit Einleitung bzw. Vorwarnung, wenn genug Zeit zum Reden ist und die Stimmung passt.
Wie können Konflikte vermieden werden?
Lagerkoller und Reizüberflutung, Lärmempfindlichkeit, blankliegende Nerven, überschüssige Energie usw. führen dazu, dass man schnell die Beherrschung verliert. Es lässt sich wohl nicht komplett verhindern. Es gibt die Ausgleichsmöglichkeiten (frische Luft).
Wie kann ich Kinder in den Haushalt einbeziehen?
Unsere Kinder helfen beim Tisch decken und Tisch abräumen. Besonders backen macht ihnen Spaß.
Wie vermeide ich es, dass Kinder zu viel Zeit mit elektronischen Geräten verbringen?
Mit dem Handy spielen und Filme ansehen dürfen unsere Kinder. Aber es sollte sich im Rahmen halten, man muss ihnen analoge Tätigkeiten schmackhaft machen, selbst mit gutem Beispiel vorangehen und mit Eifer und Freude bei der Sache sein. Wir haben am Sonntag zusammen Kinderkirche gefeiert, dafür waren sie überraschend gut zu begeistern. Wahrscheinlich weil ich mich selbst darauf gefreut habe und diese Freude an sie weitergeben konnte.