Was Joseph Ratzinger zu Europa sagt! Die Flüchtlingskrise wird sichtbar. Bischof Voderholzer stellt bei den Sudetendeutschen die Grundlagen des Kontinents vor
Aktueller denn je ist die Frage, welche Zukunft Europa hat. Statt kurzfristiger Einzelaktionen tut eine Gesamtschau not, die das Tragend-Wesentliche in den Blick nimmt. Denn erst auf der Grundlage der inneren Verfasstheit Europas können zukunftsweisende Entscheidungen gefällt werden. Über diese Beschaffenheit unseres Kontinents Europa sprach Bischof Dr. Rudolf Voderholzer kürzlich in der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste in München, deren Mitglied das Oberhaupt der Diözese Regensburg seit dem Jahr 2010 ist. Der Bischof ist ordentliches Mitglied der Geisteswissenschaftlichen Klasse. Er sprach über „Die Wurzeln Europas nach Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI.“ Dr. Voderholzer ist Gründungsdirektor des Institut Papst Benedikt XVI. in Regensburg, das die Gesammelten Schriften Joseph Ratzingers bzw. Benedikt XVI. (JRGS) herausgibt. Der Vortrag des Bischofs war auf die zentralen Aussagen Joseph Ratzingers und Benedikt XVI. zu Europa gestützt.
Der Saal der Akademie in der Münchner Hochstraße war gut gefüllt, zahlreiche interessierte Menschen – darunter nicht gerade wenige maßgebliche Personen aus der Wissenschaft – hatten sich auf den Weg ins Sudetendeutsche Haus in der Nähe des Gasteig gemacht. Präsident Prof. Rudolf Fritsch hatte die von zahlreichen bayerischen Gemeinden, darunter die Stadt Regensburg, gestiftete Amtskette angelegt. Die Christen aus dem Sudetenland, sagte Bischof Voderholzer, „haben durch das Vertreibungsschicksal ihrer Familien gelernt, welche Bedeutung Europa für die eigene Identität hat“.
Vier Elemente der Identität Europas
Der Sudetendeutschen Akademie gehören derzeit 152 Mitglieder an. Bischof Voderholzer hatte erst im Frühjahr ihren Mitgliedern eine persönliche Führung durch das Papsthaus in Pentling gegeben. Wie ein roter Faden durchziehe das Thema Europa das Werk Joseph Ratzingers, stellte der Regensburger Bischof fest. So sei es für Kenner nicht weiter überraschend gewesen, dass er als Papst den Namen des Patrons Europas, des heiligen Benedikt, übernahm, sagte der Regensburger Bischof. Behutsam interpretierend, wie ein ebenfalls anwesender Präsident der Akademie der Bayerischen Wissenschaften im anschließenden Gespräch das in Worte fasste, habe Dr. Voderholzer die wesentlichen Aussagen Ratzingers vorgestellt. Es ging dabei um die vier Elemente bzw. unterschiedliche Erbschaften: das griechische Element, das christliche-jüdische Erbe, das römische Erbe sowie das Erbe der Neuzeit im Sinne der Dualität von Staat und Religion. Europa bedürfe demnach der kritischen und demütigen Annahme seiner selbst, um zu überleben, sagte Dr. Voderholzer, Joseph Ratzingers Aussagen aufgreifend.
All die damit verbundenen Aussagen stellte der Bischof in den größeren Zusammenhang, wonach derzeit die massiven Bevölkerungsbewegungen – die vielen Flüchtlinge – sichtbar werden. Bischof Voderholzer erinnerte an Kardinal Leo Scheffczyk, der sagte, weniger Sorgen mache er sich wegen des Islams, sondern vielmehr wegen der eigenen geistigen Schwäche Europas. Und mit Bezug zu dem Geschichtsphilosophen Arnold Joseph Toynbee sprach der Bischof von den „schöpferischen Minderheiten“, die die Christen durchaus in Zukunft für den Kontinent (wieder) werden könnten – so die Abrundung der Gesamtschau Bischof Dr. Rudolf Voderholzers auf Europa mit Joseph Ratzinger in bewegten Zeiten!