Essen / Regensburg, 24. Juli 2024
„Wer das Wort Demokratie in den Mund nimmt oder schreibt, wird mundtot gemacht.“ Der Leiter des Bereichs Ausland beim Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat, Thomas Wieland, berichtet von erschreckender Selbstzensur venezolanischer Journalisten aus Angst vor Repressionen und Verhaftungen im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen am 28. Juli 2024.
Das Regime von Präsident Nicolás Maduro habe ganz Venezuela vollständig militarisiert, berichtet Wieland. Angst und Schrecken halten den Nachfolger des Diktators Hugo Chávez, mit dem diese Entwicklung begann, aktuell fest im Sattel. „Die Wahlbeteiligung wird trotzdem überragend sein. Denn alle Seiten, vor allem auch die Kirchen, rufen dazu auf, zur Wahl zu gehen“, erklärt Wieland. Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat stehe dabei zusammen mit der Kirche als einziger Institution, der das Volk noch vertraut, an der Seite der Menschen.
Die Hilfe von Adveniat umfasst Lebensmittel, Medikamente, aber auch den Unterhalt von mehr als 6.000 kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese kümmern sich um Bildung, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur, weil der Staat vollständig ausfällt. „Wir liefern Medikamente, weil sie für die Menschen unbezahlbar sind. Wir bauen Gesundheitsposten auf, weil die staatlichen nicht mehr vorhanden sind. Wir fördern den Bau von Solaranlangen, weil die Stromversorgung regelmäßig ausfällt. Wir bezahlen Lehrerinnen und Lehrer an kirchlichen Schulen, während an staatlichen Schulen nur noch an zwei Tagen in der Woche so etwas wie Unterricht stattfindet“, fasst Wieland zusammen.
Wahlfälschungen sind zu erwarten
Obwohl der Kandidat der Opposition, Edmundo González, in den Umfragen deutlich führt, sind die Aussichten auf einen Wahlsieg höchst fraglich. Internationale Beobachter gehen unisono von massiven Wahlmanipulationen durch das Regime aus. Die EU-Wahlbeobachter sind ausgeladen. Da González unter Hugo Chávez sogar Botschafter in Argentinien war und somit als Chavist gilt, war es für das Regime von Nicolás Maduro schwierig in abzulehnen. Beruft er sich doch selbst darauf, das chavistische Projekt fortzuführen.
„González ist jedoch nur auf Druck der Nachbarländer als Kandidat der Opposition zugelassen worden“, sagt Wieland. Brasilien und Kolumbien – wo heute schon viele der insgesamt acht Millionen Venezolaner leben, die vor dem Regime geflüchtet sind – befürchten einen erneuten Exodus. „Drei bis vier Millionen Menschen sitzen in Venezuela auf gepackten Koffern“, bestätigt Thomas Wieland diese Sorge. Auch die USA haben Druck auf Maduro ausgeübt, wenigsten einen „Ersatz-Kandidaten“ zuzulassen, nachdem die Oppositionspolitikerin Maria Corina Machado von den Wahlen ausgeschlossen worden war, die bei ihren Veranstaltungen Massen anzieht, wie es dem Regime schon lange nicht mehr gelingt.
Knallharte Diktatur
Doch auch der Gegenkandidat, der nun Maria Corina Machado ersetzt, ist nur aufgrund wirtschaftlicher Interesen zugelassen worden. Bei Wahlen in Venezuela, die nicht einmal der Anschein einer demokratischen Abstimmung haben, müssten die westlichen Demokratien sanktionieren. Ansonsten würden sie, allen voran die USA, ihr Gesicht verlieren. Damit hätten die Sanktions-Ausnahmen beim Erdöl, die die USA derzeit einräumen, wahrscheinlich ein Ende. Venezuelas Regime profitiert bisher dadurch, und genau, um diese Einnahmen nicht zu gefährden, wurde ein nur scheinbar andersdenkender Gegenkandidat zugelassen.
„Es wird keine Revolution geben“, dämpft Wieland angesichts diesser Lage jegliche Erwartungen. Denn an jeder Straßenecke patrouilliere Polizei oder sogar Militär, auf sämtlichen großen Straßen des Landes reihe sich ein militärischer Kontrollposten an den nächsten. Selbst ein klarer Wahlerfolg der Opposition würde daran auf absehbare Zeit kaum etwas ändern. „Ein Wahlsieger Edmundo González hätte das ganz System gegen sich. Denn Militär, Polizei, Justiz, Wahlbehörde, Parlament, kurzum: Alles ist auf Maduro und den Macherhalt zugeschnitten.“
Text: Adveniat
(sig)