Regensburg, 2. September 2024
Finden Sie den Pavillon auf dem Foto auch einladend? Weckt er Ihre Lust auf ein kleines Gartenfest zusammen mit netten Menschen? Oder denken Sie vielleicht sogar ans „Zelteln“ und an freie Zeit auf dem Campingplatz?
Klar, da gibt’s unterschiedliche Geschmäcker – aber zumindest tut der Gedanke an den gemütlichen Aufenthalt im Freien in diesen sommerlichen Wochen und Monaten schon gut. So ein bewegliches Zeltdach über dem Kopf zu haben, kann gut sein: Zum einen weiß man nie genau, ob das Wetter zum Zeitpunkt der geplanten Party stabil ist, da schützt das Dach vor Regentropfen. Zum anderen kann es angenehm sein, in der heißen Sonne ein bisschen Schatten zu finden.
Ein Zelt ist freilich kein festes Dach über dem Kopf, aber es hat etwas Beschützendes, Behütendes. Kinder bauen gerne Zelte aus Decken, Tischen und Stühlen, ich selbst kann mich auch daran erinnern. Das hat wohl mit der Sehnsucht nach einer geborgenen Behausung zu tun, die man selbst herstellen kann, wenn man auch nicht viele Mittel dafür hat.
Himmelszelt: Wunsch nach einem sicheren Raum in unendlichen Weiten
Aber es gibt noch viel größere Zelte: Ich denke an Bierzelte auf Volksfesten im Sommer, an Messezelte bei großen Ausstellungen oder an ein Zirkuszelt. Nicht zuletzt gibt es den Ausdruck „Himmelszelt“ für das riesige Gewölbe, das man sich in früheren Weltbildern vorgestellt hat, ausgespannt über der Erde als dem Mittelpunkt von allem. Weil man daran Sonne, Mond und Sterne befestigt glaubte, nannte man dieses Himmelsgewölbe auch Firmament, also eine große Fläche, an der man etwas festmachen kann. Auch wenn wir das heute anders sehen hat der Wunsch nach einem sicheren Raum innerhalb der unendlichen Weiten sowohl für Kinder als auch für Erwachsene einen besonderen Stellenwert. Besonders deutlich wird dies in einem alten Kinder- bzw. Volkslied aus dem 19. Jahrhundert:
Weißt du, wie viel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszelt?
Weißt du, wie viel Wolken gehen weithin über alle Welt?
Gott der Herr hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eines fehlet,
An der ganzen großen Zahl.
T: Wilhelm Hey 1837, M: Volksweise 1818
Für gläubige Menschen ist es eine schöne Vorstellung, dass über der großen weiten Welt mit ihrer verwirrenden Vielfalt und den manchmal erschütternden Gegebenheiten Gott selbst seine Arme ausbreitet oder dass er alles im Blick hat. In Kinderliedern kommt diese Überzeugung besonders sinnenfällig zum Ausdruck:
Du bist jederzeit bei mir, wo ich geh und steh
Spür ich, wenn ich leise bin, dich in meiner Näh.
Halte zu mir guter Gott heut den ganzen Tag,
Halt die Hände über mich, was auch kommen mag.
T: Rolf Krenzer, M: Ludger Edelkötter
Zelt als Zeichen für Gottes Gegenwart
Ich bin sicher, nicht nur Kindern tut eine solche Vorstellung gut! Dass ich von Gottes Gegenwart umgeben bin, ist eine sehr alte biblische Gewissheit: Sein Blick, seine Gegenwart ist wie ein schützendes Zelt in den Unwägbarkeiten des Lebens. Dieser Vergleich spielt in der Vätergeschichte des Volkes Israel eine wichtige Rolle. In den 40 Jahren, in denen die Israeliten durch die Wüste wanderten, stellten sie immer wieder die Frage, ob man diesem Gott, den man weder sehen noch begreifen kann, wirklich trauen könne. Als Zeichen seiner Gegenwart, so heißt es, ließ Gott ein Zelt errichten, in dem die Bundeslade mit den 10 Geboten aufbewahrt wurde und das immer mitgetragen werden konnte, um es beim nächsten Halt von neuem aufzubauen: Das Zelt als Zeichen für Gottes Gegenwart inmitten der Menschen, es wurde auch ein Zeichen der Hoffnung in trostlosen Wüstensituationen. Wie sehr sehnen sich Menschen heute nach Hoffnung in trostlosen Zeiten!?
Das „Himmelszelt“ bedeutet also beides: es bedeutet große Weite und Freiheit, für so viele unterschiedliche Menschen ist Platz mit unterschiedlichen Lebensentwürfen und -vorstellungen, allerdings auch für vieles, das Angst machen kann. Genauso ist das Himmelszelt aber auch Symbol für den Schutz und die bergende Gegenwart Gottes, der über allem seine schützende Hand hält.
Was immer Sie gerade bewegen mag – sei es der Wunsch nach Freiheit und Weite oder die Sehnsucht nach Geborgenheit und Schutz: Mögen Sie in den verbleibenden sommerlichen Wochen wohltuende „Zelterfahrungen“ machen! Mögen Sie sich auch immer wieder bewusst werden, dass Sie für andere Hilfsbedürftige oder Ratsuchende durch Ihr Können etwas wie ein bergendes Zelt bereitstellen können.
Text: Pfarrer Dr. Christoph Seidl, Leiter der Dienststelle „Seelsorge für Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen“ im Bistum Regensburg
(SSC)