Von der Unbedingtheit des Tötungsverbotes
(pdr) Mit der Frage, wie die unverletzliche Würde jedes Menschen und das Tötungsverbot auch gegenüber Kranken, Ungeborenen und Kleinkindern mit dem materialistischen Menschenbild des Sozialdarwinismus in Einklang zu bringen ist, befasste sich der Regensburger Bischof in einer Predigt in Tirschenreuth 2008. Der Sprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, sah sich falsch dargestellt und klagte gegen die Darstellung in der Predigt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte in zweiter Instanz der Klage stattgegeben. Er war der Auffassung, Schmidt-Salomon habe sich zu Recht falsch wiedergegeben gesehen. Der atheistische Sympathisantenkreis - sekundiert von „Wir sind Kirche“ und Rudolf Neumeier in der „Süddeutschen Zeitung“ - fabulierte von Lügen des Bischofs und einem Verstoß gegen das achte Gebot, obwohl Atheisten die 10 Gebote von Gott nicht annehmen.
Diese Giordano-Bruno-Gesellschaft hat nun Peter Singer einen „Ethik-Preis“ verliehen, der in seinen Schriften Säuglinge als „ersetzbar wie nicht-selbstbewusste Tiere“ beschreibt. Auch bei größtmöglichster Sorgfaltspflicht in der Interpretation erschließt sich nicht die Vereinbarkeit mit Artikel 1 GG!
Wie sich diese Position mit der Behauptung Schmidt-Salomons, er spreche sich ausdrücklich gegen Kindstötung (unter jeder Bedingung?) aus, vereinbaren lässt, mag der Leser des folgenden Artikels in der FAZ selbst entscheiden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wurde Beschwerde eingereicht.
„Liebe? Nur zu Affen
Menschen aussondern: Ein Preis für Peter Singer
Peter Singer ist ein mitfühlender Mensch mit großen Zielen. Derzeit geht es ihm vor allem darum, die Armut in der Welt zu beseitigen: "Der Tod von acht Millionen Kindern kann jedes Jahr verhindert werden - wir müssen nur lernen zu spenden", erläuterte der in Princeton lehrende Moralphilosoph zum diesjährigen Muttertag den Lesern der australischen Zeitung "The Age". Peter Singers Mitgefühl gilt allerdings nicht jedem. Er unterscheidet zwischen "Personen", die bestimmte Fähigkeiten und damit auch bestimmte Rechte haben, und anderen Lebewesen, für die das nicht gilt. Neugeborene sind in seinen Augen keine Personen, sie zu töten ist daher weniger schlimm, als ältere Menschen zu töten. In seinem 1993 auf Deutsch erschienenen Buch "Muss dieses Kind am Leben bleiben? Das Problem schwerstgeschädigter Neugeborener" erläutert Singer die Konsequenzen seines Denkens für behinderte Neugeborene - sie können tödlich sein.
Singer bezieht in seiner Philosophie, wenn es um das Überleben des behinderten Kindes geht, nicht nur Interessen des Kindes selbst, sondern auch die Interessen anderer ein: Die Familie könnte ein berücksichtigenswertes Interesse am Tod des sie behindernden Kindes haben; er gewichtet das Interesse "des nächsten Kindes in der Warteschlange", das vielleicht nicht geboren wird, wenn das behinderte Kind am Leben bleibt, und räumt auch dem Interesse des Gemeinwesens einen hohen Stellenwert ein, "das nur eine begrenzte Anzahl von Menschen verkraften kann, für die es aufkommen muss".
Singers utilitaristische Position bringt er selbst auf den Punkt: Mit dem Geld, das die Pflege eines Patienten in einem Behindertenheim verschlinge, "könnte man zum Beispiel das Leben vieler unterernährter Kinder in weniger entwickelten Ländern retten". Und er lässt keine Zweifel daran, dass er diese Investition bevorzugt. Denn während die Pflege von schwerbehinderten Kindern hierzulande nach seiner Auffassung Familien belastet und Ehen zerstört, freuen sich Mütter in afrikanischen Ländern, wenn ihre Kinder am Leben bleiben können.
Am heutigen Freitag wird Peter Singer in Frankfurt der Ethik-Preis der Giordano-Bruno-Stiftung verliehen, in deren Beirat der Hirnforscher Wolf Singer und die Schriftstellerin Karen Duve sitzen. Mit dem neuen Preis möchte die Stiftung "das Augenmerk auf das eigentliche Ziel der humanistischen Religionskritik lenken". Singer erhält den Preis als "Tierrechtler", der für OrangUtans, Gorillas, Bonobos und Schimpansen "einige jener Privilegien einfordert, die bisher nur für Menschen gelten: Recht auf Leben, Recht auf Freiheit und Verbot der Folter". Allerdings hindert das Singer nicht, Experimente mit Affen, die der Erforschung von Parkinson dienen, als möglicherweise legitim zu bezeichnen. Die Voraussetzung dafür hat er schon in seinem Buch "Animal Liberation" beschrieben: Das Tier-Experiment muss wichtig genug erscheinen, "um auch die Verwendung eines hirngeschädigten Menschen zu rechtfertigen". In Singers Philosophie, die sich bei allem Drang zur Enttabuisierung an einem konventionellen Verständnis von Lebensqualität orientiert, ist die Begründung von Tierrechten unauflöslich verbunden mit der Deklassierung von Menschen mit angeborenen schweren Behinderungen zu Nicht-Personen.
Ans Ende seines Buchs "Leben und Tod" setzt Singer seine Überarbeitung der Zehn Gebote. Sein "erstes neues Gebot" lautet: "Erkenne, dass der Wert menschlichen Lebens verschieden ist." Das neue vierte Gebot, das an die Stelle von "Seid fruchtbar und mehret euch" tritt, fasst Singer so: "Setze nur Kinder in die Welt, die du wirklich willst." Die Giordano-Bruno-Stiftung reflektiert diesen Zusammenhang von Tierrechten und Entrechtung von Menschen, von antireligiösem Duktus und Kult der Lebensqualität nicht. Das ist kein Zufall. Für den von ihr verfochtenen "konsequenten Humanismus", der Rationalität, Selbstbestimmung und Freiheit zu absoluten Werten erhebt, bleiben Behinderung und Krankheit blinde Flecke.
Konsequenterweise engagiert sich die Stiftung auch für eine weitreichende Revision des Embryonenschutzgesetzes und die völlige Freigabe der PID, wie sich andere Organisationen aus dem Umfeld dieses Humanismus und auch der Preisträger Peter Singer für eine weitgehende Deregulierung der Sterbehilfe engagieren, bis hin zur Forderung, die Tötung auf Verlangen freizugeben. Warum Aufklärung darauf begrenzt bleiben soll, die Verwandtschaft von Menschen und Menschenaffen herauszustreichen, während der Mythos des unerträglichen Lebens mit Behinderungen keiner kritischen Überprüfung unterzogen wird, müssen wohl andere erforschen. Der Vorwurf der Giordano-Bruno-Stiftung, dass sich manche Zeitgenossen "offenkundig schwer damit tun, die eigenen Präferenzen mit gebührendem Abstand zu betrachten", richtet sich nämlich nur an die Theologen.“
OLIVER TOLMEIN
Alle Rechte vorbehalten: (c) F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Auszüge Spiegel Online vom 25.11.2001
Gespräch mit Peter Singer
"Nicht alles Leben ist heilig"
Singer: Die ist ja aber auch viel geringer.
SPIEGEL: Glauben Sie denn, dass in unserem Urteil über den Wert von Embryonen oder Babys kulturelle Überlieferungen eine wesentliche Rolle spielen?
Mein Vorschlag war, das volle Lebensrecht erst 28 Tage nach der Geburt in Kraft zu setzen
Singer: Durchaus. Man könnte sich theoretisch eine Gesellschaft vorstellen, in der die Werte anders wären, eine Gesellschaft, die eine Unterscheidung machen würde zwischen den Babys, die wirklich geliebt und aufgezogen werden, und anderen, die man der Wissenschaft spendet. Man könnte Science-Fiction darüber schreiben ...
SPIEGEL: ... oder auch in der Wirklichkeit sich die Vorschläge einiger Forscher ansehen. Die ersten haben ja bereits über menschliche Klone nachgedacht, die einzig der Organproduktion dienen. Was halten Sie von solchen Ideen?
Singer: Man müsste solche Klone ja gar nicht bis zur Geburt reifen lassen. Es würde ja reichen, sie nur bis zu dem Punkt zu kultivieren, bis sich die Organe zu entwickeln beginnen. Dann könnten Sie diese Organe isolieren und weiterentwickeln. Wenn das erst einmal technisch möglich wäre, dann sähe ich darin nichts Schlimmes.
SPIEGEL: Sie verknüpfen das vollwertige Lebensrecht offenbar mit der Fähigkeit zur Selbsterkenntnis. Ab wann können Sie diese Fähigkeit denn bei einem Baby erkennen? Wenn es sechs Monate alt ist? Zwei Jahre? Oder vielleicht erst mit vier?
Singer: Das ist schwer zu sagen. Es hängt davon ab, was genau Sie unter Selbstbewusstsein verstehen. Ich neige dazu zu sagen, irgendwann im Laufe des ersten Lebensjahres. Bis zu diesem Zeitpunkt mag man das Leben eines sich entwickelnden Kindes auf verschiedene Weise schützen. Trotzdem finde ich, dass man nicht eindeutig sagen kann: Das Vergehen, ein solches Kind zu töten, ist ebenso schwer wie das Vergehen, einen erwachsenen, voll seiner selbst bewussten Menschen zu töten.
SPIEGEL: Sie koppeln also das Lebensrecht, das höchste aller menschlichen Rechte, an einen Zeitpunkt, den Sie allenfalls sehr vage benennen können?
Singer: Die menschliche Entwicklung ist ein gradueller Prozess. Da wäre es doch sehr seltsam, wenn dieses Recht ganz plötzlich auftauchen würde. Etwas ganz anderes ist es natürlich, dieses Recht juristisch festzulegen. Da brauchen Sie eine scharfe Trennungslinie.
SPIEGEL: Und wo soll man die ziehen?
Singer: Da können Sie sehr unterschiedlich argumentieren. Sie können sagen: Ethisch ist es zwar nicht plausibel, einem Neugeborenen die vollen Rechte zuzusprechen, aber wir entscheiden uns trotzdem dafür, weil die Geburt eine so schön klare Trennungslinie ist. Das ist durchaus eine Möglichkeit ...
SPIEGEL: ... aber nicht die, die Sie bevorzugen?
Singer: Ich habe einmal den Vorschlag gemacht, eine Phase von 28 Tagen nach der Geburt festzusetzen, nach der dann das volle Lebensrecht erst in Kraft tritt. Das ist zwar ein sehr willkürlicher Zeitpunkt, den wir einer Idee aus dem antiken Griechenland entlehnt haben. Aber es würde den Eltern Zeit für ihre Entscheidungen geben.
SPIEGEL: Das heißt, so lange sollen Eltern ihr Kind töten dürfen, einfach nur, weil sie es eben nicht wollen?
Singer: Das hängt von den Umständen ab. In allen entwickelten Ländern ist die Nachfrage nach halbwegs gesunden Kindern zur Adoption wesentlich größer als das Angebot. Warum also sollten sie ein Kind töten, wenn es Eltern gibt, die es gern adoptieren würden?
SPIEGEL: Und nicht "halbwegs gesunde" Kinder lässt man dann eben sterben?
Singer: Das mag sich fundamental unterscheiden von unserer offiziellen christlichen Ethik. Aber in vielen anderen Kulturen wird es keineswegs als grausam betrachtet. Im antiken Griechenland wurde ein Kind erst nach 28 Tagen in die Gesellschaft aufgenommen - vorher durfte man es in den Bergen aussetzen. In Japan war es lange völlig normal, Kinder zu töten, wenn Geburten zu dicht aufeinander folgten.
SPIEGEL: Dass dies bei uns verboten ist, ist doch eine große humanitäre Errungenschaft.
Singer: Die Christen pflegen alles, was sie machen, als moralischen Fortschritt zu betrachten. Ich habe da meine Zweifel.
das ganze Interview finden sie auf Spiegel Online