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Von der Legende einer ungewöhnlichen „Heiligen“

„Ausschauen wie die heilige Kümmernis“

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Regensburg, 15. Juli 2022

Es ist wohl eine der ungewöhnlichsten Heiligen, die am 20. Juli ihren Gedenktag feiert: Die heilige Kümmernis, auch Wilgefortis - abgeleitet von "virgo fortis" = „starke Jungfrau“. Ihre Existenz ist durch keinerlei Quellen verbürgt, von der Kirche wurde sie nie förmlich anerkannte, sondern nur geduldet. Umso beliebter war sie beim einfachen Volk, vor allem in Bayern. Hier war sie in früherer Zeit eine viel angerufene und verehrte Heilige. Dargestellt wird die heilige Kümmernis am Kreuze hängend, oft mit einem dichten Bart, in ein langes Gewand gehüllt und mit einer Krone auf dem Haupt.

Die bärtige Heilige

Der Legende nach war Wilgefortis die Tochter eines sizilianischen oder portugiesischen Königs. Nachdem sie zur Christin geworden war, habe sie Gott ihre Jungfräulichkeit gelobt. Doch ihr Vater wollte sie zur Ehe zwingen. In ihrer Not habe sie Gott gebeten, sie zu verunstalten, worauf ihr ein dichter Bart gewachsen sei. In seinem Zorn ließ ihr Vater sie, in Lumpen gekleidet, ans Kreuz schlagen, und höhnte, sie könne so ihrem himmlischen Bräutigam gleichen, erzählt die Legende. Drei Tage habe die Sterbende vom Kreuz herab gepredigt und viele bekehrt, darunter auch ihren Vater. Er ließ sie nun in kostbare Stoffe hüllen und errichtete nach ihrem Tod eine Sühnekirche mit dem Bild seiner Tochter. Mit dieser Legende ist auch die Sage vom armen Spielmann verbunden: Als er vor ihrem Bild spielte, habe sie ihm goldenen Schuh zugeworfen. Daraufhin wurde er wegen Diebstahls zum Tode verurteilt, durfte vor der Hinrichtung aber noch einmal vor der Heiligenfigur spielen. Zum Beweis seiner Unschuld löste sich nun auch der zweite silberne Schuh von ihrem Fuß und rollte bis zu den Füßen des Geigers.

Helferin in Herzensnöten

Die volkstümliche Verehrung der seltsamen bärtigen Heiligen breitete sich etwa im 15. Jahrhundert von den Niederlanden besonders nach Bayern und Tirol aus. Noch heute gilt die Redensart „Aussehen wie die heilige Kümmernis“ als nicht gerade schmeichelhafte Beschreibung.

Vor allem die jungen Mädchen erhofften sich früher Hilfe von der Heiligen, wenn es darum ging, einen Partner fürs Leben zu finden. Da wurden nicht selten die himmlischen Mächte um Beistand angerufen. Und als besonders wirksam galten die „Drei Heiligen Madl“, Barbara, Katharina und Margaret, der heilige Andreas und nicht zuletzt die heilige Kümmernis. Sie war die Helferin in allen Herzens-, Leibes- und Seelennöten. Aber auch bei allgemeinen Nöten und Gefahren, bei Trockenheit und Dürre, Überschwemmungen und anderer Drangsal hofften die Menschen auf ihre Fürsprache. Doch in erste Line kamen die Frauen zur heiligen Kümmernis. Bei Unfruchtbarkeit oder Gebärmutterleiden brachten sie kleine Opfergaben, die sogenannten „Müttern“. Das brachte der Heiligen in Altbayern auch den Beinamen „Weiberleonhard“ ein.

Die heilige Kümmernis im Regensburger Dom

Heute ist die heilige Kümmernis nicht nur in Regensburg vergessen, und auch ihr Name ist kaum mehr bekannt. Ganz anders war das früher. So finden sich in einer Abhandlung des Heimatvorschers Hans Gaßner über „Glaube und Bräuche im alten Regensburg“ aus dem Jahr 1940 Hinweise auf die Heilige. Danach wurden 1835 bei der Domreinigung vier Altäre abgetragen. Einer davon habe die Geschichte der heiligen Kümmernis im Bild gezeigt, ist hier zu lesen. Und auch das Dominikanerkloster zum heiligen Kreuz habe ein Ölgemälde besessen, das die heilige Kümmernis mit dem Geiger zu ihren Füßen darstellt.

Das wundertätige Bild

Lange Zeit gab es in Neufahrn bei Freising eine Wallfahrt zur heiligen Kümmernis. Angeblich wurde ihr Bild auf der Isar schwimmend bei Mintraching von zwei Holzfällern entdeckt. Als sie es herausziehen wollten, wurde es beschädigt und fing an zu bluten. Auf Geheiß des Bischofs zogen zwei Ochsen das wundertätige Bild und machten bei Neufahrn Halt. In der ihr zu Ehren errichteten alten Pfarrkirche von Neufahrn hängt das Gnadenbild noch heute, und Bilderzyklen an Wand und Decke erzählen seine Legende.
Auch im Wappen von Neufahrn ist ein Hinweis auf die Heilige zu finden. Ein goldenes Wiederkreuz erinnert an die in Zusammenhang mit der Kümmernis-Legende entstandene und über Jahrhunderte blühende Wallfahrt.
 

Text: Judith Kumpfmüller

Titelbild: Pedro Ruiz de Salazar: Ölbild, um 1630, in der Kathedrale in Santo Domingo de la Calzada (c) Joachim Schäfer - Ökumenisches Heiligenlexikon



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