Von der Aufnahme des Korans in unseren Wissenskanon. Was aber brachte er an Neuem? – Beginn der Gastprofessur Papst Benedikt XVI. an der Universität Regensburg
Benedikt XVI. habe die entscheidende Frage in den Raum gestellt: „Gibt es etwas Neues, das der Koran in die Welt gestellt hat?“ Das sagte Prof. Dr. Angelika Neuwirth, Islamwissenschaftlerin, bei der ersten Vorlesung im Rahmen ihrer Gastprofessur Papst Benedikt XVI. Die öffentlichen Vorlesungen an der Universität Regensburg tragen den Titel „Der Koran in unserer Mitte – die koranische ,Verzauberung der Welt‛ in der Spätantike“. Am Dienstagnachmittag sprach Prof. Neuwirth über „,Zwei Korane?‛ Muslimische Innenansichten – europäische Außenansichten“. Zu Beginn begrüßte Prof. Dr. Christoph Dohmen, Professor für Exegese und Hermeneutik des Alten Testaments, im Auftrag von Dekan Prof. Dr. Burkard Porzelt, der verhindert war, die zahlreich versammelten Zuhörerinnen und Zuhörer.
Es gab ja schon das Judentum und das Christentum!
„Ich bin keine Theologin, aber ich bin eine Freundin von Theologien.“ Mit diesen Worten stellte sich Prof. Neuwirth vor, die von 1991 bis 2014 den Lehrstuhl für Arabistik an der Freien Universität Berlin innehatte. Im Rahmen der Gastprofessur möchte sie eine Antwort auf die Frage geben, wie es eine neue Religion in der Spätantike vermochte, in der es mit dem Judentum und dem Christentum bereits theologisch gerechtfertigte Religionen gab, sich in diesen Kreis hineinzubewegen. Auf die heutige Zeit bezogen, erklärte Frau Neuwirth: „Wir kommen um die Aufnahme des Korans in unseren Wissenskanon sowie in den theologischen Kanon nicht mehr herum.“
Einen Teil des Wegs mit Max Weber gehen
Auf dem Weg dahin geht Dr. Neuwirth von der Kulturgeschichte aus; Soziologe Max Weber hatte diese als schrittweise „Entzauberung der Welt“ beschrieben. Gewisse Prozesse innerhalb des Islams heute deutete A. Neuwirth ebenfalls als „sich vollzie-hende Entzauberung der Welt“. Allerdings, so ihr geschichtlicher Rückblick, drücke sich im Koran, sofern er eine Lehre vorstellt, die „Privilegierung der transzendenten Welt gegenüber der empirischen Welt aus“ (auch bei Muhammad; entgegen Max Weber!). Viel entwickelte Frau Neuwirth den Zugang zum Koran („Lesung“) über zwei verschiedene Hermeneutiken, mithin Lehren des Verstehens vom Text(sinn) wie auch vom Koran als einer heiligen Schrift. Auf die Fortsetzung der Ausführungen darf man gespannt sein.
Die Bitte, nicht "anzuschwärzen"
Prof. Neuwirth ging im Rahmen dialogischer Gestaltung der Vorlesung auch auf politische Aspekte ein, wobei der Islam als „Instrument der Zensur“ durchaus nicht automatisch immer ein Ausfluss islamischen Fundamentalismus zu sein braucht. Vielmehr gibt es dieses Problem auch als Problem des liberal-politischen Islam. In summa räumte die Gastprofessorin ein, dass es muslimische Wissenschaftler gibt, die unter „solchen Zensuren zu leiden haben“. Allerdings ist es ihr eigenes Anliegen, entwicklungsgeschichtliche Einordnungen des Koran vorzunehmen und den historischen Prozess der Genese zu verfolgen. Andeutungsweise vorgetragenen Anfragen bezüglich echter Gefahren durch Machtgelüste eines Islam begegnete Dr. Neuwirth mit dem Hinweis auf eine „Traumatisierung“ der jüdischen Autorin Bat Ye'Or („Eurabia: The Euro-Arab Axis“). Freundlich in der Sache bat sie darum, von einem „Denigrieren“ (Anschwärzen) abzusehen.