„Vom Knastbruder zum Kardinal“ - Der Prager Erzbischof Dominik Kardinal Duka OP und die Kirche in Tschechien
In der Zeltkirche am Regensburger Campus, die das Patronat des großen Heiligen Böhmens trägt, St. Nepomuk, gewährte der Prager Erzbischof und Vorsitzende der Tschechischen Bischofskonferenz, Dominik Kardinal Duka OP aufschlussreiche Einblicke in sein bewegtes Leben. Das biographische Gespräch mit Kardinal Duka führte Dr. Albert-Peter Rethmann, Mitglied im Bundesvorstand der Ackermann-Gemeinde und von 2002 bis 2009 auch Professor an der katholisch-theologischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag.
Vom Fabrikarbeiter zum Ordensmann und Oberhirten
Mitten im Zweiten Weltkrieg, im Jahre 1943, wurde Jaroslav Vaclav Duka in Königgrätz/ Hradec Králové - wie er selbst sagte - in eine gläubige, wenn auch nicht stark praktizierende Familie geboren, sein Vater war zu dieser Zeit Soldat. Nach dem Gymnasium war es ihm nicht möglich zu studieren, so arbeitete er zwei Jahre in der Skoda-Fabrik in seiner Heimatstadt, was ihn persönlich sehr freute. „So konnte ich ein ganz normales Leben kennen lernen“, berichtete er den Regensburger Katholikentags-Besuchern in fleißendem Deutsch. Das Wiener Gipfeltreffen 1961 zwischen dem US-Präsidenten John F. Kennedy und dem sowjetischen Partei- und Regierungschef Nikita Chruschtschow, so Kardinal Duka, brachte eine gewisse Veränderung der Situation auch in der Tschechoslowakei und es war ihm nun möglich, das Theologiestudium in Leitmeritz/ Litoměřice aufzunehmen. Die „Knaben einer Schulbank“ von damals, so erzählte er schmunzelnd, saßen dann später gemeinsam in der Bischofskonferenz: Erzbischof Miloslav Vlk von Prag, Bischof František Lobkowicz OPraem von Ostrau-Troppau und Bischof František Radkovský von Pilsen. Bald lernte er den Orden der Dominikaner kennen, der offiziell gar nicht mehr in der Tschechoslowakei existierte. Im Jahre 1968 trat er sein geheimes Noviziat an und wurde 1970 zum Priester geweiht. Es folgten Seelsorgeeinsätze in Maria Kulm, Sankt Joachimsthal und Nepomuk. Nicht nur die Tatsache, dass er Novizenmeister eines verbotenen Ordens war, sondern auch die geheime Publikationen kirchlicher Literatur führte 1981 zur Anklage und zu einer fünfzehnmonatigen Inhaftierung in Pilsen. „Diese Zeit war für meinen Glauben wichtiger“, so bekannte Kardinal Duka in der Zeltkirche St. Nepomuk, „als die Zeit im Seminar und im Noviziat. Das war für mich die bedeutendste Zeit meines Lebens“. Damals habe er erfahren dürfen, was substanziell am Priestertum und an seinem Glauben ist. Nach der Haftentlassung hatte er nicht die Möglichkeit, offiziell als Priester und Seelsorger zu wirken, so wurde die heilige Messe in Wohnungen oder oft auch im Freien gefeiert. Während dieser Zeit arbeitete Pater Dominik Duka als Zeichner wieder bei den Škoda-Werken. Im Jahre 1998 wurde er zum Bischof seiner Heimatstadt Königgrätz ernannt und erhielt von seinem Vorgänger Bischof Karel Otčenášek die Bischofsweihe. Als 2010 der Papst das Rücktrittsgesuch aus Altersgründen vom Prager Erzbischof Miloslav Kardinal Vlk annahm, wurde Dominik Duka zu dessen Nachfolger ernannt.
„Was machen wir mit der Freiheit?“
Nach 50 Jahren Diktatur, so Kardinal Duka, stellte sich den Menschen in Osteuropa diese Frage. Auch in der Tschechoslowakei war der Gedanke an Freiheit jahrzehntelang nur ein Traum, nun war er Realität. „Freiheit ist ein Raum, eine Chance“, so erklärte er, „sie ist aber nicht möglich ohne Arbeit, Kreativität und Verantwortlichkeit“. Der damalige Traum von der Freiheit habe für ihn die Auferstehung der Kirche und auch die politische Freiheit beinhaltet. Die Wirklichkeit in Kirche, Politik und Gesellschaft sehe heute aber oft ganz anders aus, sie sei grau und fehlerhaft. Nun dürfe nicht die Frage gestellt werden: „Gott, warum ist das so?“, sondern es müsse heißen: „Was haben wir unterlassen zu tun?“ Im Jahre 1989 sei die Hoffnung gewesen, man könne an die volkskirchlichen Zeiten der Vorkriegsjahre anknüpfen. Die Situation sei heute eine andere. Der Großteil der Gläubigen - rund 10 % der Gesamtbevölkerung/ etwa 1,08 Millionen Bürger sind römisch-kathgolisch - lebe in den Städten, darunter zahlreiche Gläubige einer anderen Muttersprache. Das Erzbistum Prag habe zwar dreimal mehr Priester als vor der Wende, die Aufgaben in Pfarr- und Kategorialseelsorge seien aber auch bedeutend vielfältiger geworden. Die Kirche wachse, wenn auch nicht in spektakulären Zahlen, aber sie sei lebendig, so der Kardinal zum Abschluß des biographischen Gespräches beim Katholikentag. Im Anschluß daran suchten zahlreiche Besucher noch die Begegnung mit ihm. Von den Zeltwänden blickte der „Doppelte Nepomuk von Schönsee“ aus dem Landkreis Schwandorf auf die Besucher herab. Die Steinfigur aus dem Jahre 1799 steht an der Straße von Schönsee nach Gaisthal, eine der beiden identischen Figuren richtet ihren Blick ostwärts nach Böhmen, die andere schaut westwärts nach Bayern. Diese Darstellung des Hl. Johannes Nepomuk, des großen bayerisch-böhmischen Brückenheiligen, ist einmalig in ihrer Art.