München / Regensburg, 10. März 2025
„Ohne tägliche heilige Messe und Rosenkranz könnte ich es hier nicht aushalten“, betont Witalij Nowak. Er ist Militärpfarrer für eine Brigade von etwa 3.000 Frontkämpfern in der Ostukraine, die genau Position kann er aus Sicherheitsgründen nicht nennen. Er ist ein Seelsorger in der Hölle des Krieges – die auch nach drei Jahren noch nicht zu Ende ist.
Aktuell nehmen die Kämpfe wieder zu, berichtet Pfarrer Nowak dem weltweiten katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“ (ACN). Und ob die Zukunft einen Waffenstillstand oder gar Frieden bringt, kann niemand absehen. Täglich spendet er den Segen für Soldaten, die in die Frontkämpfe geschickt werden – keiner weiß, ob sie lebend zurückkommen. „Sie stellen die Frage nach dem Sinn des Lebens in einer Intensität wie niemals zuvor. Ich möchte ihnen Sicherheit vermitteln. Aber mehr als meine Präsenz ist es die Gegenwart Gottes, die ich ihnen schenke.“
Obwohl offiziell über 80 Prozent der Ukrainer Christen sind, sind die Folgen der Sowjetzeit nach wie vor sichtbar: Viele Soldaten wissen kaum etwas vom Christentum. „Ich versuche, sie behutsam anzusprechen und teile mit ihnen ein paar Gedanken aus dem Evangelium.“ Jeder Soldat bekommt von ihm auch einen Rosenkranz und eine Wundertätige Medaille, die auf eine Marienerscheinung der französischen Ordensschwester Katharina Labouré im Jahr 1830 zurückgeht.
„...und habe zu Gott gebetet.“
Pfarrer Nowak erklärt den Soldaten, dass diese beiden Andachtsgegenstände ein Zeichen für Gottes Nähe seien und sie nicht allein sind. „Wenn sie dann wieder vom Fronteinsatz zurückkommen, sagen sie mir oft, dass der Rosenkranz und die Medaille ihre ständigen Begleiter gewesen seien.“ Ein Soldat sagt: „Ich habe mich an das erinnert, was sie mir gesagt haben, und habe zu Gott gebetet.“ Aber es gibt auch die gegenteilige Erfahrung: Soldaten, die früher religiös waren, wenden sich aufgrund der erlebten Grausamkeiten von Gott ab.
Die Seelsorger sind in allen Lagen für die Soldaten da, zumal es oft keine psychologische Hilfe gebe, berichtet Pfarrer Nowak. Gut die Hälfte der rund 300 Priester des griechisch-katholischen Ritus in der Ukraine haben seit Kriegsbeginn eine Fortbildung absolviert, um traumatisierte Menschen besser betreuen zu können. „Kirche in Not“ finanziert diese Kurse. Seit 2022 hat das Hilfswerk in der Ukraine fast 1000 Projekte mit einem Umfang von über 3,5 Millionen unterstützt. Mittlerweile ist auch Netzwerk von kirchlichen Erholungszentren für ehemalige Frontsoldaten entstanden.
Den Hass durchbrechen
In den Gesprächen tauche auch immer wieder die Frage nach der Gewissensverantwortung auf, berichtet Pfarrer Nowak: „Wenn man dem Feind gegenübersteht, ist es dann Hass, der einen leitet, oder der Wunsch, das Land und die eigene Familie zu schützen?“ Sorgsam geht der Priester auch mit seinen Formulierungen um. Vom Schutz des Himmels zu sprechen, ist angesichts allgegenwärtiger Drohnen, die das Leben vom einen auf den anderen Moment auslöschen, schwierig geworden.
Unterwegs ist Pfarrer Nowak mit einem neuen Fahrzeug, das „Kirche in Not“ finanziert hat: Einem Transporter, der bei Bedarf auch in ein Gesprächszimmer oder eine Kapelle umgewandelt werden kann. Diese Gefährte stehen in der Tradition der „Fahrzeuge für Gott“, die „Kirche in Not“ in den 1950er-Jahren zur Seelsorge unter den katholischen Heimatvertriebenen in der deutschen Diaspora auf die Reise geschickt hat. „Natürlich bete ich nicht nur mit den Soldaten, ich koche auch mit Ihnen, verbringe ihre wenige Freizeit mit ihnen“, erzählt Pfarrer Nowak. Unterwegs ist er nicht nur dem Auto, sondern auch in der digitalen Welt.
Täglich postet der Geistliche Fotos, kurze Ermutigungstexte oder Bibelverse in den sozialen Medien und kann so viele „seiner“ Soldaten erreichen. Aber auch ein schwerer Dienst hinter der Front gehört zu seinen täglichen Aufgaben: Er nimmt Kontakt mit der Familie auf, sobald ein Soldat verletzt wird – oder in den Kämpfen umkommt. „Das ist das Schwierigste“, gibt der Seelsorger zu. Gemeinsam mit den Angehörigen plant er dann auch die Beerdigung.
Falls eine Beerdigung überhaupt möglich ist. Da gibt es große Probleme vor allem dann, wenn jemand in den besetzten Gebieten gefallen ist. Viele Familien hätten sich zudem im Ausland in Sicherheit gebracht und könnten nur aus der Ferne trauern, das schaffe neue Traumata. Dabei erlebt Pfarrer Nowak auch, „das viele Menschen in Wut und Hass gefangen sind“. Dem versucht der Seelsorger entgegenzuwirken, ohne zu beschwichtigen, und zwar, wie er sagt, „mit einem offenen Ohr, einem offenen Herzen und dem Trost aus dem Glauben“.
Text: Kirche in Not
(sig)