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Prof. Kreiml über den Sinn des Lebens

Jesus Christus begegnen

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Regensburg, 22. August 2024

Prof. Josef Kreiml ist Ansprechpartner des Bistums für alle Orden und geistlichen Gemeinschaften in der Diözese Regensburg. Heute beschäftigt er sich in seinem Text mit dem Sinn des Lebens und wie wir als Christen die persönliche Begegnung mit Jesus Christus erneuern können.

Dem Menschen als Person gerecht werden

Die Katholische Universität Eichstätt verweist in ihrem „Entwicklungsplan“ (2014) auf einen „christlichen Humanismus“ und legt ihr besonderes Augenmerk auf die Ausbildung „fachlich exzellenter und begeisterungsfähiger Lehrer“. Dabei will die Katholische Universität ihren Absolventinnen und Absolventen „eine reflektierte, anspruchsvolle und klare Wertorientierung mit auf den Weg“ (Entwicklungsplan, S. 5) geben. Eine an der menschlichen Person orientierte Grundhaltung soll als pädagogisches Prinzip in der Universität wirksam sein, „um die Eigenständigkeit jedes Einzelnen in seiner Verantwortung für sich selbst und für andere zu fördern“ (ebd.). Auf dem Boden eines katholischen Humanismus will die Universität dazu einladen, „einem indifferenten Relativismus zu begegnen, indem sie ihre Studierenden dazu ermuntert und befähigt, Positionen danach zu bewerten, ob sie dem Menschen als Person gerecht werden“ (ebd.).

Die Perspektive der Theologie

In diesem Sinne ist auch folgende Aussage zu verstehen: Die Theologie bietet – so Papst Johannes Paul II. in seiner Apostolischen Konstitution „Ex corde ecclesiae“ über die Katholischen Universitäten (1990) – anderen Wissenschaften „eine Perspektive und eine Orientierung“ an, „die in deren eigenen Methoden nicht enthalten sind“ (Ex corde ecclesiae, Nr. 19). Insofern kommt bei der „Suche nach einer Synthese des Wissens wie auch im Dialog zwischen Glaube und Vernunft“ der Theologie eine besondere Bedeutung zu (vgl. ebd.).

Ein Wandel in der Religiosität vieler Menschen

Seit einiger Zeit ist die Theologie mit der Herausforderung konfrontiert, dass die westlichen Gesellschaften aufgrund der weltumspannenden Kommunikation interkultureller und interreligiöser geworden sind. Damit geht ein grundlegender Wandel in der Religiosität vieler Menschen einher. Heute steht oft nicht mehr das klar unterscheidbare Bekenntnis zu einer Glaubensgemeinschaft im Vordergrund. Vielmehr gewinnt eine nicht gebundene Religiosität an Attraktivität. Im Zuge dieser Entwicklung verlieren die religiösen Institutionen – die Kirchen – an Einfluss. Wer im Bereich der Bildung tätig ist, muss sich heute auch mit einem veränderten Wissenschaftsideal auseinandersetzen. An die Stelle eines integrierenden Wissens ist vielfach ein hochspezialisiertes Expertenwissen getreten, das sich einer gesellschaftlichen Kosten-Nutzen-Kalkulation zu stellen hat. Religion ist ein eigenständiger Zugang zur Wirklichkeit. Die Religionswissenschaft ist diejenige Disziplin, die im Hinblick auf Religion eine bloße Außen- bzw. Beobachterperspektive einnimmt. Da sich eine Religion aus dieser Perspektive niemals erschöpfend begreifen lässt, ist die Theologie als Vertreterin der religiösen Innen- bzw. Teilnehmerperspektive unverzichtbar.

Jüdisch-christliche Glaubensgeschichte

Glaube und Theologie treten mit dem Anspruch auf, Fragen und Antworten zu erörtern, die im Prinzip jeden Menschen beschäftigen. In den meisten Ländern Europas spielt die Kirche – trotz aller heutigen Krisenphänomene – nach wie vor eine wichtige gesellschaftliche Rolle. Sie erfüllt Dienste und Aufgaben, die für ein von Gerechtigkeitsprinzipien geleitetes Gesellschaftsleben unersetzlich sind. Gerade eine pluralistische Gesellschaft muss sich über verbindende und verbindliche Werte über die Grenzen der verschiedenen Weltanschauungsgruppen hinweg verständigen. Sofern die Anerkennung der Würde jedes Menschen – so der Philosoph Jürgen Habermas – zutiefst mit der Geschichte der jüdisch-christlichen Glaubensgeschichte zu tun hat, ist in den gesellschaftlichen Debatten der Beitrag der Theologie unverzichtbar (vgl. Jürgen Habermas / Joseph Ratzinger, Dialektik der Säkularisierung. Über Vernunft und Religion, Freiburg 2005).

Offenheit für Fragen des Glaubens

Die Diskussion über die Grundwerte der Gesellschaft muss in Zukunft noch intensiver geführt werden (z. B. in der Biopolitik). Es wäre fatal, wenn die Gesellschaft dabei auf den immensen Erfahrungsschatz der jüdisch-christlichen Tradition verzichten würde. Auch säkularisierte Gesellschaften sind auf die Kompetenz für das Religiöse und Heilige angewiesen. Heutige Sozialphilosophen erkennen die Unersetzbarkeit des Religiösen deutlicher als frühere Epochen. Durch den Verlust des Religiösen bleibt bei vielen Menschen eine Lücke offen. Nach der Ernüchterung über den Verlauf der Säkularisierung und über die Geschichte der atheistischen Ideologien ist eine neue Verhältnisbestimmung zwischen Religion und Wissenschaft dringend geboten. Insofern kann man für die Zukunft nur auf eine neue Offenheit für Fragen des Glaubens hoffen.

Der umfassende Sinn des Lebens

Der Eichstätter Philosoph Reto Luzius Fetz weist darauf hin, dass man die neuzeitlichen Modernisierungsprozesse unterschiedlich bilanzieren muss. Dem Autonomiegewinn der Wissenschaft steht der Verlust einer übergreifenden Einheit mit anderen – speziell religiösen – Wissensformen gegenüber. Eine vorrangige Aufgabe besteht darin, eine einseitig innerweltlich orientierte Bildungsbegründung durch die Möglichkeiten einer echten Universalisierung zu erweitern. Dieses Ziel bezieht sich auf eine „Sinnforschung“, wie sie Papst Johannes Paul II. gefordert hat: „Die Errungenschaften von Wissenschaft und Technik bringen einerseits ein ungeheures Wachstum der Wirtschaft und der Industrie mit sich, andererseits verlangen sie eine dementsprechende Sinnforschung, um sicherzustellen, dass die neuen Errungenschaften zum wahren Wohl der Menschen … verwendet werden“ (Ex corde ecclesiae, Nr. 7). Ein solches Fragen nach dem umfassenden Sinn des Lebens ist Aufgabe der Theologie, aber auch Aufgabe des Religionsunterrichtes und der Pastoral insgesamt.

Die persönliche Begegnung mit Jesus Christus erneuern

Die Wahrheit des christlichen Glaubens ist – so Papst Franziskus – „anziehend und gewinnend, denn sie antwortet auf die tiefen Bedürfnisse des menschlichen Daseins, wenn sie auf überzeugende Weise verkündet, dass Christus der einzige Retter … aller Menschen ist. Diese Botschaft bleibt heute gültig, wie sie es von Anbeginn des Christentums war“ (Papst Franziskus, „Und jetzt beginnen wir diesen Weg“. Die ersten Botschaften des Pontifikats, Freiburg 2013, S. 25). Und der Papst fährt fort: „Vor allem ... müssen wir in der Welt den Durst nach dem Absoluten lebendig halten, indem wir nicht zulassen, dass eine nur eindimensionale Sicht des Menschen überhandnimmt, nach der der Mensch auf das beschränkt wird, was er produziert und was er konsumiert: Das ist eine der größten Gefahren für unsere Zeit“ (ebd., S. 51). Papst Franziskus lädt alle Christen ein, ihre „persönliche Begegnung mit Jesus Christus zu erneuern oder zumindest den Entschluss zu fassen, sich von ihm finden zu lassen, ihn jeden Tag ohne Unterlass zu suchen“ (Apostolisches Schreiben „Evangelii gaudium“ über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute, Bonn 2013, Nr. 3). Für die gesamte Kirche erhofft sich der Papst eine „neue Etappe der Evangelisierung voller Eifer und Dynamik“ (ebd., Nr. 17).


Text: Domkapitular Prof. Dr. Josef Kreiml, Leiter der Hauptabteilung Orden und Geistliche Gemeinschaften im Bistum Regensburg / chb



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