News Bild Symbolisches Weltverständnis
Symbolisches Weltverständnis

Die christlichen Sakramente

Home / News

Regensburg, 18. Juli 2023.

Was ist ein christliches Sakrament? In der Kirche der Frühzeit verstand man unter „Sakramenten“ Vorgänge aus der Geschichte, Worte der Heiligen Schrift und Wirklichkeiten des christlichen Gottesdienstes, „die eine Transparenz auf die Heilstat Jesu Christi hin haben und so das Ewige im Zeitlichen durchscheinen“ (Joseph Ratzinger, Die sakramentale Begründung christlicher Existenz [1966], in: ders., Theologie der Liturgie, [Joseph Ratzinger Gesammelte Schriften, Bd. 11], Freiburg 2008, 205) lassen, d. h. das Ewige als „die eigentlich tragende Realität“ anwesend werden lassen.

Beispielsweise heißt die Geschichte von der Sintflut in der Sprache der Kirchenväter „Sakrament“, weil in ihr etwas sichtbar wird vom Geheimnis des Neuanfangs, der sich durch den Untergang hindurch vollzieht – also jene Struktur, die sich im Kreuzestod Christi fortsetzt, in dem gleichsam die Wasser des Todes über ihm zusammenschlagen, aber im Versinken des Alten der Weg frei wird für seine Auferstehung.

In den neuen Anfang eintreten

Die gleiche Struktur reicht im Taufgeschehen weiter in die Geschichte hinein, indem der Mensch die Wasser des Todes über sich hingehen lässt, um so in den neuen Anfang einzutreten, der mit Christus begonnen hat. Ein anderes Beispiel: Die Hochzeit von Kana heißt „Sakrament“, weil in der Wandlung des Wassers zu Wein das Geheimnis des neuen Weines aufleuchtet, mit dem Christus in seiner Passion die Krüge der Menschheit füllen wollte. Noch viele andere Beispiele ließen sich anführen.

Gott als Wort und Liebe

Es bleibt nicht länger unklar, wer Gott ist. Er erscheint nicht mehr als das unergründliche Geheimnis des Kosmos im Allgemeinen, sondern als der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs und als der Gott Jesu Christi: „als der Gott, der für den Menschen da ist und durch sein Mitsein mit den Menschen definiert ist“ (ebd., 206). Gott ist „Wort, das uns ruft, und die Liebe, die vereint“ (ebd.).

Über sich hinausweisende Zeichen

Wenn Geschehnisse der Geschichte, Worte der Heiligen Schrift und Wirklichkeiten des Gottesdienstes „Sakramente“ heißen können, so bedeutet dies, dass im altkirchlichen Sakramentsbegriff eine Deutung der Welt, des Menschen und Gottes eingeschlossen ist, die davon überzeugt ist, dass die Dinge nicht bloß Dinge und Materialien unserer Arbeit sind, sondern zugleich über sich hinausweisende Zeichen der göttlichen Liebe, auf die hin sie für den Sehenden durchsichtig werden. Wasser ist nicht nur ein chemisches Gebilde. Im Wasser der Quelle, die dem Dürstenden in der Wüste begegnet, wird etwas sichtbar vom Geheimnis der Erquickung, das neues Leben schafft.

Symbolisches Weltverständnis

Die Dinge sind mehr als Dinge. Sie sind nicht ganz verstanden, wenn man ihre chemische und physikalische Beschaffenheit erkannt hat, weil einem dann noch immer eine besondere Dimension ihrer Wirklichkeit entgeht: „ihre Transparenz auf die schöpferische Macht Gottes, von der sie kommen und auf die hin sie führen wollen“ (ebd., 207). Die sakramentale Idee der frühen Kirche ist Ausdruck eines symbolischen Weltverständnisses, das die irdische Wirklichkeit der Dinge nicht bestreitet, aber zugleich auf einen Gehalt verweist, der einer chemischen Analyse unzugänglich bleibt und doch nicht aufhört, wirklich zu sein: auf die Dimension des Ewigen, das inmitten des Zeitlichen sichtbar und gegenwärtig ist. Damit wird auch Entscheidendes über den Menschen gesagt: Wie die Dinge nicht bloß Material menschlicher Arbeit sind, so ist der Mensch nicht bloß Funktionär, der die Dinge handhabt, sondern „erst in der Durchlichtung der Welt auf ihren ewigen Urgrund hin erfährt auch der Mensch, dass er der von Gott und zu Gott Gerufene ist. Erst der Anruf des Ewigen konstituiert den Menschen als Menschen. Man könnte ihn geradezu definieren als das gottfähige Wesen“ (ebd., 207).

Einfügung in das Leben Jesu Christi

Die christlichen Sakramente bedeuten nicht nur die Einfügung in den durch Gott geprägten Kosmos. Sie bedeuten zugleich die Einfügung in die von Christus herkommende Geschichte. Diese Hinzufügung der Dimension des Geschichtlichen stellt „die eigentlich christliche Umgestaltung der sakramentalen Idee dar, die der naturalen Symbolik erst ihre Verbindlichkeit und ihren konkreten Anspruch gibt, sie von allen Zweideutigkeiten reinigt und zu einer sicheren Bürgschaft für die Nähe des einen wahren Gottes werden lässt“ (ebd., 208). Dieses eigentlich Christliche bildet zugleich den eigentlichen Anstoß für den Menschen von heute, der allenfalls noch bereit ist, dem Kosmos ein göttliches Geheimnis zuzuschreiben, aber nicht recht einzusehen vermag, wieso die Zufälligkeit eines geschichtlichen Ereignisses die Entscheidung seines menschlichen Schicksals sollte beinhalten können. Und doch dürfte das so schwer nicht zu begreifen sein. Denn der Mensch ist von Grund auf durch die Geschichte geprägt; er ist ein geschichtliches Wesen.

Rettende Zukunft

Unser Menschsein verwirklicht sich in der Sprache, die unsere Gedanken prägt und uns einfügt in die mitmenschliche Gemeinschaft. Sprache ist Ausdruck des menschlichen Geistes in der geschichtlichen Entfaltung seines Wesens. So wird sichtbar, dass Menschsein jede bloße Autonomie des Ich ausschließt. Mein Menschsein empfängt seine Gründung wie auch den Raum seiner Möglichkeiten durch die Geschichte, in der allein ich existieren kann. Das scheinbar Zufällige der Geschichte ist für den Menschen wesentlich. Der Sinn der christlichen Sakramente besteht in der Einfügung von uns Menschen in den von Christus herkommenden Geschichtszusammenhang. Die christlichen Sakramente empfangen heißt: eintreten in die von Christus bestimmte Geschichte – in dem Glauben, dass dies jene rettende Geschichte ist, die den Menschen in seine wahre Eigentlichkeit führt: in die Einheit mit Gott, die seine ewige Zukunft ist.

In Gottes Ewigkeit hineingezogen

In welchem Sinn begründen die Sakramente ein christliches Leben? Sie drücken zunächst die nach oben weisende Dimension des menschlichen Daseins aus und verweisen auf den Anruf Gottes, der den Menschen erst zum Menschen macht. Die Sakramente beziehen sich aber auch auf die horizontale Ebene der von Christus herkommenden Geschichte des Glaubens. „Die Kette der Horizontalen, die den Menschen bindet, ist in Christus zum Leitseil der Rettung geworden“ (ebd., 209), das uns in Gottes Ewigkeit hineinzieht.

Der Mensch: ein Empfangender

Mit dieser Beschreibung der sakramentalen Dimension des Christlichen nähern wir uns dem engeren theologischen Sakramentsbegriff, dessen Hauptmerkmale wir kennen: Einsetzung durch Jesus Christus – äußeres Zeichen – innere Gnade. Warum diese drei Merkmale zusammengehören und die Wirklichkeit „Sakrament“ bilden, ist nun klar geworden: Die sichtbaren Wirklichkeiten, die schon von ihrer Schöpfungsbestimmung her eine gewisse Durchlässigkeit für den Schöpfergott zeigen, haben dadurch eine neue, entscheidende Bedeutung gewonnen, dass sie eingefügt sind in den Zusammenhang der Christusgeschichte und „Medien der Vermittlung dieses neuen geschichtlichen Zusammenhangs geworden sind“ (ebd., 210). Was vollzieht der Mensch, der die Sakramente Jesu Christi feiert? Er weiß, dass er als Mensch nicht selbst verfügen kann, wann, wie und wo Gott sich ihm zu zeigen hat, dass er vielmehr „der Empfangende ist, der auf die gegebene und nicht eigenmächtig zu produzierende Vollmacht angewiesen ist, die das Zeichen der souveränen Freiheit Gottes darstellt“ (ebd., 213), der selbst die Weise seiner Anwesenheit bestimmt.

Text: Domkapitular Prof. Dr. Josef Kreiml, Bild: Diakon Walter Karger

 

 



Nachrichten