Sinn im Leiden – Die heilige Anna Schäffer
Anna Schäffer wurde 1882 in Mindelstetten geboren, arbeitete viel und nahm unterschiedliche Stellen an. In den Jahren 1895 und 1896 kümmerte sich das junge Mädchen um Kranke bei einer Homöopathin. Heute befindet sich dort, in der Roritzerstraße in Regensburg, das Alten- und Pflegeheim Elisabethinum der Caritas. Am Eingang wurde im Februar 2020 eine Gedenktafel angebracht und von Bischof Voderholzer gesegnet. Auf der Tafel steht: „An diesem Ort wirkte Anna Schäffer, 1895/96 im Dienst für Kranke, *1882, +1925 nach langem Sühneleiden, Heiligsprechung 2012, Hl. Anna Schäffer bitte für uns.“
Als Anna Schäffer in Landshut tätig war, erschien ihr Jesus und sagte ihr großes Leiden vorher. Anna floh vor dem drohenden Schicksal und verließ Landshut – trat ihrem großen Leiden aber so letztlich entgegen. Sie kam als Magd in das Forsthaus nach Stammham. Dort veränderte sich ihr Leben radikal. Als Anna Schäffer die Wäsche waschen sollte, stieg sie auf den Rand des Waschkessels, um ein verrrutschtes Ofenrohr zu richten, rutschte aus und stürzte in die heiße Lauge. Anna zog sich schwerwiegende Verletzungen zu. Im Krankenhaus konnte man ihr nicht helfen und rechnete eigentlich mit ihrem baldigen Tod. Doch Anna überlebte den schweren Unfall – war aber für den Rest ihres Lebens ans Bett gefesselt. Bis zu ihrem Tod hatte die junge Frau Schmerzen, die Wunden ihrer Beine verheilten nie wieder. Weil Anna Schäffer immer liegen musste, wurden die Beine irgendwann vollkommen unbeweglich.
Stigmata
Doch sie gab nicht auf. Schon am Tag ihrer Erstkommunion hat sie sich als kleines Mädchen ganz Jesus versprochen: „Mache mit mir, was du willst“, hat sie im Gebet gesprochen – nicht ahnend, welch Schicksal noch auf sie warten sollte. Alle Hoffnungen auf Heilung zerschlugen sich. Im Lauf der Zeit konnte Anna Schäffer ihr Leiden bejahen und versuchte darin, den Willen Gottes zu erkennen. 1910, neun Jahre nach dem schrecklichen Unfall, empfing Anna während der Krankenkommunion die Wundmale Jesu, die Stigmata. An den Stellen der Wundmale des gekreuzigten Herrn zeigten sich schmerzhafte Stellen. Immer mehr widmete Anna Schäffer sich dem Gebet.
Das Leid und der gute Gott
Der Umgang mit Leid ist für Menschen niemals einfach. Schnell drängt sich die Frage nach dem „Warum“ des sinnlosen Leidens auf. Warum musste der Unfall der Anna Schäffer geschehen? Und warum musste ihr das passieren? Schon die Heilige Schrift ist voller Zeugnisse von Menschen, die nach dem Sinn des Leidens fragen. Besonders bekannt ist das Buch Hiob: Gott erlaubt dem Satan, den frommen Mann Hiob auf die Probe zu stellen – eine Wette, die etwa auch Johann Wolfgang von Goethe in seinem „Faust“ aufgegriffen hat: Wird der gläubige Hiob auch angesichts des Leides noch an Gott glauben? Oder wird er abfallen von ihm, vollends verzweifeln? Seit Menschen denken, fragen sie nach dem guten Gott – und sie fragen danach, wie dieser Gott wirklich gut sein kann, wenn es doch Leid gibt.
Sicherlich hat auch Anna Schäffer nach dem Sinn des Leidens gesucht – vor allem aber hat sie nach Sinn im Leiden gefragt. Sie wollte dem unausweichlichen Leiden Sinn geben. Und das tat sie. Immerwährend verband sie sich im Gebet mit Gott. Gleichzeitig aber wurde sie vielen Mitmenschen eine wichtige Bezugsperson. Sie betete für andere, beantwortete auch viele Briefe und empfing Besucher. Sie hörte den Menschen zu und versprach ihnen, für sie zu beten. Sie wollte im Leiden anderer Menschen da sein – obwohl sie selbst mit ihrer Krankheit genug zu tragen hatte.
Heiligkeit – Berufung aller
Wir meinen manchmal, Heiligkeit müsste sich durch große Aufgaben, verantwortliche Stellungen oder bedeutende Taten hervortun. Manchmal meinen wir sogar, nur Priester und Ordensleute könnten heilig werden. Dabei wird die Kirche nicht müde zu betonen, dass alle Christen zur Heiligkeit berufen sind. Papst Franziskus schreibt in „Gaudete et exsultate“ (GE): „Wir sind alle berufen, heilig zu sein, indem wir in der Liebe leben und im täglichen Tun unser persönliches Zeugnis ablegen, jeder an dem Platz, an dem er sich befindet.“ (GE 14) Für Anna Schäffer war dieser Platz ihr Krankenbett. 24 Jahre lang, bis sie 1925 starb. An diesem Ort aber war sie wirklich dem Herrn begegnet – und hat diese Begegnung mit anderen geteilt.
Papst Benedikt XVI. sprach sie am 21. Oktober 2012 heilig. Ihr Gedenktag ist der 5. Oktober.