Freising, 27. März 2025
Studien zeigen: Menschen im Südosten Europas schlittern wegen des demografischen Wandels immer tiefer in wirtschaftliche und soziale Not. Das Osteuropa-Hilfswerk Renovabis wirbt für mehr gesamteuropäische Solidarität, um der Entwicklung entgegenzusteuern.
„Es ist schockierend und doch kein völlig neues Phänomen: Der massive Bevölkerungsschwund in den Ländern am Rand der Europäischen Union, etwa in den Westbalkanstaaten, verstärkt sich weiter“, so der Berliner Erzbischof Dr. Heiner Koch. Der Vorsitzende des Aktionsrates des katholischen Osteuropa-Hilfswerks Renovabis sieht die demografische Entwicklung als zentrale Herausforderung, an der sich die Zukunft dieser Region entscheiden werde. Wie Dr. Kathleen Beger, Expertin am Regensburger Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung detailliert berichtet, setzt Abwanderung einen Teufelskreis in Gang, der Wirtschaft und Politik destabilisiere, mit Auswirkungen über das jeweilige Land hinaus.
Doom Cycle: Untergangszyklus
Laut Osteuropa-Forscherin Beger haben seit der Wende fast alle Länder Südosteuropas erhebliche Bevölkerungsverluste erlitten, Albanien beispielsweise um ein Viertel. Dies werde sich bis zum Jahr 2100 weiter fortsetzen. Die Wissenschaftlerin zeichnet ein düsteres Bild: „Der Bevölkerungsschwund führt zu gravierenden ökonomischen und sozialen Problemen, darunter Arbeitskräftemangel, Überlastung der Sozialsysteme und zu einer überalterten Gesellschaft.“ Statt nachhaltiger Lösungen würden ideologische Narrative dominieren, die Migration ablehnten und Ängste schürten. Dadurch würden notwendige Reformen blockiert und die gesellschaftlichen Fronten verhärtet. Beger: „Der demografische Wandel hat einen ‚Doom Cycle‘, einen Untergangszyklus ausgelöst, in dem Ängste und Unsicherheit weitere Abwanderung und Geburtenrückgänge verstärken, was die wirtschaftliche und politische Stabilität der Region gefährdet.“
Stabilität für Südosteuropa
Renovabis-Bischof Koch wirbt deshalb für mehr gesamteuropäische Solidarität, um dieser Entwicklung entgegenzusteuern. Renovabis leiste dazu seit vielen Jahren einen Beitrag. Er verweist etwa auf die „YourJob“-Programme in Albanien und in anderen Ländern, die jungen Menschen den Weg in die Selbständigkeit ebnen und ihnen Chancen im eigenen Land eröffnen. Weitere Bausteine der Projektarbeit in dieser Region sind regionale Struktur- und Wirtschaftsförderung durch nachhaltigen Tourismus, Projekte zum Ausbau häuslicher Pflege sowie Bildungsprogramme und die Unterstützung von Bildungseinrichtungen. Erzbischof Koch: „Renovabis setzt durch die Unterstützung seiner Partner in diesen Ländern ein klares Zeichen, dass wir an eine Zukunft für die Menschen in dieser Region glauben.“
Der Aktionsrat von Renovabis hat sich bei seiner jüngsten Sitzung in Freising mit der demografischen und sozialen Entwicklung in Südosteuropa auseinandergesetzt. Das Leitungsgremium hat zudem 177 Projekte in Mittel-, Ost- und Südosteuropa mit einer Fördersumme von gut 7,2 Millionen Euro auf den Weg gebracht. Er wünsche sich, so Erzbischof Koch, dass auch die neue deutsche Bundesregierung das Entwicklungshilfeministerium erhalte und weiterhin zuverlässig Mittel zur Stabilisierung des Westbalkans einbringe, zumal diese Länder ja alle auf dem Weg in die Europäische Union seien. „Die Staaten des westlichen Balkans brauchen eine Perspektive. Nur das bringt den Ländern und der gesamten Region die notwendige Stabilität, was auch im ureigenen Interesse Deutschlands ist.“
Text: Thomas Schumann/Renovabis
(kw)