Auf dem Foto ist ein Priester zu sehen und ein grauer Hintergrund.

Prof. Dr. Yves Kingata im Interview über die Hintergründe der Papstwahl

Zwischen menschlichem Zutun und göttlichem Wirken


Regensburg, 7. Mai 2025

Am Vormittag wurde im Petersdom der letzte gemeinsame Gottesdienst vor dem Konklave gefeiert: „Pro eligendo Romano Pontifice“. Am Nachmittag werden sich die Kardinäle zum ersten Wahlgang in der Sixtinischen Kapelle versammeln. Währenddessen wartet die Welt darauf, weißen Rauch zu sehen. Im Interview spricht Prof. Dr. Yves Kingata, Professor für Kirchenrecht an der Universität Regensburg, über die Hintergründe der Papstwahl, betrachtet das Verhältnis von menschlichem Zutun und geistigem Wirken im Handeln der Kardinäle und äußert einen persönlichen Wunsch an den zukünftigen Papst.

 

Herr Prof. Kingata, das bevorstehende Konklave zog in den vergangenen Tagen weltweit viel Aufmerksamkeit auf sich. Warum glauben Sie, ist das so? 

 

Im Mittelpunkt steht die Papstwahl, und damit verbunden ist ein Amt, das ein hohes sowie bedeutendes Ansehen weltweit genießt. Der Papst ist nämlich nicht nur Bischof von Rom, sondern zugleich Haupt des Bischofskollegiums, Stellvertreter Christi und Hirte der Gesamtkirche hier auf Erden. Kraft seines Amtes verfügt er in der Kirche über höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt, die er immer frei ausüben kann. Diese Jurisdiktionsgewalt in der Kirche ist von seiner Rechtsstellung als Staatsoberhaupt der Vatikanstadt zu unterscheiden. In dieser zuletzt genannten Eigenschaft unterhält der Papst bilaterale und multilaterale Beziehungen mit Staaten und internationalen Organisationen. Unter Wahrung der Normen des internationalen Rechts ernennt er Botschafter und sendet sie zu den Teilkirchen in den verschiedenen Nationen und Regionen sowie zu den Staaten und öffentlichen Autoritäten. Das heißt, was die kirchliche Jurisdiktionsgewalt angeht, ist der Papst frei. In der Beziehung aber mit den anderen Staaten und rechtlichen Organisationen hat er sich selbst verpflichtet. Sowohl bei der päpstlichen Jurisdiktionsgewalt über die Kirche als auch bei den Beziehungen mit den Staaten sowie den internationalen Organisationen, wie beispielsweise den Vereinten Nationen oder der Europäischen Union, geht es immer um die Sendung der Kirche, das Evangelium zu verkünden, was meistens bei den apostolischen Reisen des Papstes deutlich wird. 



In Filmen und Romanen wird die Papstwahl häufig sehr dramatisch dargestellt –  wie ist der tatsächliche Ablauf?

 

Die Papstwahl ist nach einer Wahlordnung durchzuführen, die über Jahrhunderte hinweg organisch gewachsenen und gereift ist. Nicht nur das Wahlgremium (Kardinäle, die noch nicht das 80. Lebensjahr erreicht haben), die Wahlgänge und das aktive Wahlrecht sind deutlich geregelt, sondern auch die Beschreibung des Wahlzettels macht deutlich, dass man sich des Ansehens dieses Amtes bewusst ist und schon bei der Bestellung des Amtsinhabers alle Vorkehrungen trifft. Die Wahl darf nicht von den weltlichen Mächten beeinflusst werden. Daher werden die Kardinäle von der Außenwelt abgeschirmt und dürfen nur mit jenen Personen Kontakt aufnehmen, die dafür bestellt sind und für diesen Dienst selbst einen Eid zu leisten haben. Zudem zeigt sich vor allem im Stimmzettel, wie minutiös die Wahlordnung ist. Das geltende Papstwahlrecht verfügt unter anderem: „der Stimmzettel muss rechteckig sein und soll in der oberen Hälfte, möglichst im Vordruck, die Worte enthalten: Eligo in Summum Pontificem, während die untere Hälfte frei bleiben muss, um hier den Namen des Gewählten zu schreiben; deswegen ist der Zettel so beschaffen, dass er doppelt gefaltet werden kann; die Ausfüllung der Stimmzettel ist von jedem wahlberechtigten Kardinal geheim zu vollziehen, indem er, möglichst in verstellter, aber deutlicher Schrift, den Namen dessen aufschreibt, den er wählt, wobei jedoch nicht mehrere Namen angegeben werden dürfen, da sonst der Stimmzettel ungültig wäre; der Zettel muss dann zweimal gefaltet werden.“ (UDG 65) Solche Details findet man auch bei den wahlberechtigten Kardinälen, die nicht in der Sixtinischen Kapelle sein können und von ihrem Zimmer aus wählen dürfen, weil sie krankheitsbedingt verhindert sind. 

Der Papst wird einzig und allein per scrutinium (geheime Wahl mittels Stimmzettel) gewählt. Dafür ist zur gültigen Papstwahl eine Zweidrittelmehrheit der Stimmen aller anwesenden Wähler erforderlich. Für den Fall, dass die Anzahl der anwesenden Kardinäle nicht genau durch drei teilbar ist, ist für die Gültigkeit der Papstwahl eine Stimme mehr erforderlich.

Wesentlich ist unter anderem eine feierliche Eucharistiefeier mit der Votivmesse Pro eligendo Papa, an der die Wahlberechtigten teilnehmen. Sie soll möglicherweise zu geeigneter Stunde am Vormittag zelebriert werden, damit sich am Nachmittag die wahlberechtigten Kardinäle in Chorkleidung in feierlicher Prozession, unter dem Gesang des Veni Creator den Beistand des Heiligen Geistes erflehend, in die Sixtinische Kapelle des Apostolischen Palastes, dem Ort und Sitz der Abwicklung der Wahl begeben. Dort leisten die wahlberechtigten Kardinäle den Eid. Wenn dann nach dem Urteil der Mehrheit der Wähler dem Beginn des Wahlverfahrens nichts mehr im Wege steht, geht man gemäß den festgelegten Modalitäten unverzüglich zur Wahl über. Falls die Wahl schon am Nachmittag des ersten Tages stattfindet, wird nur ein Wahlgang durchgeführt. An den folgenden Tagen aber, wenn die Wahl nicht schon beim ersten Wahlgang erfolgt ist, werden zwei Wahlgänge jeweils am Vormittag und am Nachmittag gehalten. 



Während der Papstwahl soll vor allem der Heilige Geist in den Kardinälen wirken. Wie viel menschliches Zutun und wie viel geistiges Wirken sind Ihrer Ansicht nach tatsächlich im Spiel?

 

Nicht nur während der Papstwahl, sondern immer wünsche ich mir, den Kardinälen selbst und der Kirche, dass die Kardinäle in der Ausübung ihres Amtes die innere Disposition und die Bereitschaft dazu haben, offen für den Geist des Herrn zu sein. Viele äußere geistliche Elemente, wie die gemeinsame Eucharistiefeier, die Anrufung des Hl. Geistes im Veni creator Spiritus (= Komm, Schöpfer Geist), der vorgeschriebene Einkehrtag, falls nach drei Tagen die Kardinäle noch keinen Papst gewählt hätten, das Gebet der Gesamtkirche in diesem Anliegen usw. machen deutlich, dass die Kirche um einen Hirten nach dem Willen Gottes bittet. Darauf vertrauen wir. Zugleich wird die Vernunft bei den Kardinälen nicht abgeschaltet. Durch die Wahl setzen sie nicht nur einen menschlichen Akt, der allerdings rechtlich nur unter den im Papstwahlrecht vorgesehenen Voraussetzungen gültig sein soll, wozu die Freiheit und die Zurechnungsfähigkeit zählen. Die Kardinalsversammlungen vor dem Konklave dienen auch dazu, dass die wahlberechtigten Kardinäle im Bewusstsein der Bedeutung dieses Papstamtes ihre Entscheidung treffen.

 

Der Papst ist gewählt – welche Schritte folgen nun als nächstes?

 

Wenn die Wahl kanonisch vollzogen ist, werden der Sekretär des Kardinalskollegiums und der Päpstliche Zeremonienmeister durch den letzten der Kardinaldiakone in den Wahlraum gerufen. Darauf fragt der Kardinaldekan oder der ranghöchste und älteste Kardinal im Namen des ganzen Wählerkollegiums den Gewählten bezüglich der Annahme der Wahl mit folgenden Worten: „Nimmst Du Deine kanonische Wahl zum Papst an?“ Sobald er die Zustimmung erhalten hat, fragt er ihn: „Wie willst Du Dich nennen?“ Daraufhin fertigt der Päpstliche Zeremonienmeister, der als Notar wirkt, die Urkunde über die Annahme der Wahl durch den neuen Papst und den von ihm angenommenen Namen an. Als Zeugen gelten zwei Zeremoniäre, die für den Anlass herbeigerufen werden. Mit der Annahme ist der Gewählte, der die Bischofsweihe bereits empfangen hat, unmittelbar Bischof der Kirche von Rom, Papst und Haupt des Bischofskollegiums. Er erhält sogleich die volle und höchste Gewalt über die Universalkirche und kann sie unverzüglich ausüben. Als Erstes nach der kanonischen Wahl treten die wahlberechtigten Kardinäle in einer festgesetzten Weise hinzu, um dem neugewählten Papst das Gehorsamsversprechen zu leisten und ihm die Ehrung zu erweisen. Darauf folgt ein gemeinsames Dankgebet. Ist dieser Teil unter den wahlberechtigten Kardinälen abgeschlossen, verkündet der erste Kardinaldiakon dem wartenden Volk die stattgefundene Wahl und den Namen des neuen Papstes, der sofort danach den Apostolischen Segen Urbi et Orbi von der Loggia der Vatikanischen Basilika erteilt. Wenn der Gewählte noch nicht Bischof ist, erfolgen die Ehrung und die Bekanntgabe erst, nachdem er feierlich zum Bischof geweiht worden ist.



Was ist Ihr persönlicher Wunsch an den neuen Papst?

 

Das Papstamt ist ein Dienst in der Kirche und für die Kirche. Der Papst steht nämlich nicht der Kirche gegenüber oder über der Kirche. Vielmehr bekommt er als Nachfolger Petri einen klaren Auftrag, nämlich „die Brüder und Schwestern im Glauben zu stärken“ und für sie unter der Leitung des Heiligen Geistes ein guter Hirte zu sein, mit alldem was zu diesem anspruchsvollen Amt dazu gehört. 

 

 

Foto: Prof. Yves Kingata
Fragen: Jacinta Fink
(jf)

 

Weitere Infos

Heute Abend um 18:30 Uhr erläutert Prof. Kingata bei einem Vortrag auf der Online-Bildungsplattform der KEB das Verfahren der Papstwahl. Der Link zum Vortrag wird nach einer Anmeldung auf der Homepage der KEB Regensburg-Stadt zugeschickt.



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