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Person der Woche: Marion Santl, Fachambulanz für Suchtprobleme in Regensburg

Ohne Vorurteile und auf Augenhöhe beraten

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Regensburg, 5. April 2023

In unserer Rubrik „Person der Woche“ stellen wir diesmal Marion Santl vor. Sie leitet die Fachambulanz für Suchtprobleme in Regensburg sowie das Referat Ambulante Suchthilfe und Sozialpsychiatrie.

Sehr geehrte Frau Santl, die Fachambulanz der Caritas kümmert sich um Menschen, die Probleme mit Alkohol, Drogen, Medikamenten, aber auch mit Glückspielsucht, Konsumrausch oder Computerabhängigkeit haben. Hat sich die Zahl der Hilfesuchenden in den letzten Jahren verändert bzw. vergrößert?

In der Caritas Fachambulanz für Suchtprobleme finden Betroffene und deren Angehörige kompetente Beratung auf Augenhöhe rund um die Themen Abhängigkeiten und Konsumkompetenz. In den letzten Jahren haben wir kontinuierlich ca. 1000 Ratsuchende pro Jahr begleitet und betreut. Mit dieser Größe scheinen wir an unsere personellen Kapazitätsgrenzen gestoßen zu sein. Die Anfragen und der Hilfebedarf sind höher.

Wie muss man sich ganz konkret eine Suchtberatung vorstellen und wie kann man den Menschen die Ängste nehmen, damit Sie sich einer Therapie stellen? Gerade beim Thema Alkoholismus ist das oft schwer, weil viele diese Sucht verheimlichen. Dabei verursacht der Alkoholkonsum in der Bundesrepublik erhebliche gesundheitliche, soziale und volkswirtschaftliche Probleme. Insgesamt 3 Millionen Erwachsene zwischen 18 und 64 Jahren hatten im Jahr 2018 in Deutschland eine alkoholbezogene Störung (Alkoholmissbrauch: 1,4 Millionen; Alkoholabhängigkeit: 1,6 Millionen).

Eine Suchtberatung ist zunächst ein Gespräch zwischen der ratsuchenden Person und einer Beraterin der Fachambulanz - von Mensch zu Mensch. Der Gesprächsinhalt wird stets vertraulich behandelt. Wir hören aufmerksam zu und erörtern mit unserer Fachexpertise die Möglichkeiten weiterer Schritte. Wobei es stets darum geht, miteinander Ziele zu setzen und Lösungen zu finden. Wir geben hier nichts vor. Auch gilt bei weitem nicht mehr ein Abstinenzparadigma, also nur ein absoluter Konsumverzicht als einziger Weg. Die Beratung kann in Richtung Konsumkompetenz, Schadensminimierung oder Abstinenz gehen.

In Regel stellt die erste Kontaktaufnahme zu der Suchtberatungsstelle eine große Hürde dar, meist aus Scham- und Schuldgefühlen. Nach dem ersten Besuch sind jedoch viele Klientinnen und Klienten erleichtert und stellen fest, dass sie vorurteilsfrei bei uns Unterstützung erfahren.

Wenn eine ambulante Suchtrehabilitation nicht ausreicht, wie können Sie dann weiterhelfen?

Wenn eine ambulante Behandlung nicht ausreicht besprechen wir zusammen mit dem Abhängigkeitserkrankten die aktuelle Situation und bewerten diese neu. Ein weiterer möglicher Schritt ist es eine stationäre Rehabilitation für Abhängigkeitserkrankte anzutreten, z.B. in der Caritas Fachklinik Haselbach. Die Beraterinnen der Fachambulanz unterstützen bei der Vermittlung, der Beantragung der Kostenübernahme und der Klinikauswahl. Nach einer erfolgreich abgeschlossenen Rehabilitation begleiten wir an der Fachhambulanz die Patienten und Patientinnen auch regelmäßig in der sogenannten Nachsorge weiter um stabil abstinent wieder in den Ihren Alltag zurückzufinden.

Beratung im Paargespräch

Paargespräche dienen als Beratungsangebot.

Welche Hilfe erhält der Betroffene und welche Hilfe bekommen die Angehörigen?

Wir bieten allen Ratsuchenden, Betroffenen wie Angehörigen, zuerst ein Gespräch an – kostenfrei, freiwillig und auf Wunsch auch anonym. Hier versuchen wir gemeinsam die Situation abzuschätzen und lösungs- und zielorientiert miteinander Wege zu finden. Wobei nicht immer eine Abstinenz im Mittelpunkt der Bestrebungen stehen muss. Erst mal geht es um das Verstehen der eigenen Situation und sich darüber klar zu werden was das eigene Ziel ist – sowohl bei den Betroffenen als auch den Angehörigen. Dann suchen wir stimmige Beratungsangebote, um die Klientin oder den Klienten zu begleiten – in Einzel, Paar- oder Gruppengesprächen.

Sie beraten nicht nur Betroffene und Angehörige, sondern auch Arbeitgeber, Unternehmen, Lehrer, Ärzte und weiteren Personen. Wie sieht diese Beratung konkret aus und wie vermitteln Sie die Suchtprobleme und sensibilisieren Sie die Arbeitgeber?

Heutzutage sind viele Arbeitgeber bereit sich mit dem Thema Sucht und psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden auseinanderzusetzen. Einerseits aufgrund der Fürsorgepflicht und des steigenden Arbeitskraftmangels, letztendlich aber auch aufgrund der enormen Kosten, die sich aufgrund Arbeitnehmerausfälle ergeben.

Wir beraten Vorgesetzte bei konkreten Fällen von Suchtmittelmissbrauch im Unternehmen und bieten ebenso Schulungen an. Die Bandbreite erstreckt sich hier über eine Weiterbildung zum Betrieblichen Berater für Sucht & psychische Gesundheit über Suchtprävention für Auszubildende bis hin zu Führungskräfteschulungen. Indem wir passgenaue Angebote machen, können wir die Unternehmen individuell beraten.

Was kostet es, sich von Suchthilfe der Caritas Regensburg beraten zu lassen? Und was müssen Menschen, die zu Ihnen kommen, beachten?

Unsere Angebote der Beratung und Begleitung sind für alle kostenfrei. Außerdem unterliegen wir der Schweigepflicht, das heißt, es gehen keine Informationen an Dritte nach außen; weder an Krankenkassen, Versicherungen, Behörden noch Privatpersonen. So können die Ratsuchenden sicher sein, dass wir sorgsam mit Ihren personenbezogenen Daten, Sorgen und Nöten umgehen.

Ebenso versuchen wir die Kontaktaufnahme zu erleichtern, indem wir zweimal in der Woche eine Sprechstunde ohne Voranmeldung anbieten. Dienstags, zwischen 10:30 Uhr und 11:30 sowie donnerstags, zwischen 13:00 Uhr und 15:30 Uhr können Sie spontan, ohne vorherige Terminvereinbarung kommen und erhalten ein Gespräch mit einer Beratungsfachkraft.

Letztendlich kostet es sie wahrscheinlich nur Mut diesen Schritt in die Beratungsstelle zu gehen, um sich Informationen und Hilfe zu holen.

Wie beurteilen Sie die Chancen, dass Suchterkrankte wieder zurück in den „ganz normalen“ Alltag finden?

Da wäre zuerst die Frage, was ein „normaler“ Alltag ist?! Wir ermutigen die Betroffenen sich den Herausforderungen und Freuden des Lebens konsumfrei zu stellen. Letztendlich geht es darum, dass jeder von uns ein zufriedenes und glückliches Leben führen möchte. Auf die Widrigkeiten mit Konsum als Bewältigungsstrategie zu reagieren ist auf Dauer schädlich für die physische und psychische Gesundheit, sowie für das gesamte soziale Umfeld. Daher suchen wir gemeinsam mit den Klientinnen und Klienten aufgrund Ihrer vorhanden Ressourcen Wege in eine zufriedene und abstinente Lebensführung. Unsere Erfahrung zeigt, dass dies sehr oft gelingt.

Interview: Stefan Groß

(kw)



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