Regensburg, 29. Juli 2024
Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Pierbattista Kardinal Pizzaballa, hat sich gegen eine Vereinnahmung der Kirche im Gaza-Krieg ausgesprochen: „Wir müssen die Politik zurücklassen. Jetzt, da die Wunden noch bluten, ist nicht der richtige Zeitpunkt, von Politik zu sprechen.“ Aufgabe der Kirche sei es vielmehr, die Menschen zusammenzubringen, zu beten und zu helfen.
Beim Besuch einer Delegation des weltweiten katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“ (ACN) in Jerusalem erklärte Pizzaballa, dass jede Konfliktpartei ein „Monopol auf das Leid“ beanspruche; das erschwere die Hilfsarbeit: „Die Situation ist polarisiert: Wenn man den Palästinensern gegenüber Nähe zeigt, fühlen sich die Israelis verraten, und umgekehrt.“ Doch Christen stünden in diesem Krieg auf beiden Seiten: „Wir haben Katholiken, die mit der Armee im Gaza-Streifen eingesetzt sind, und wir haben Katholiken, die in Gaza bombardiert werden“, sagte der Patriarch.
Falsche Neutralität ist keine Lösung
Auch wenn die Kirche nicht in den Konflikt mit hineingezogen werden dürfe, sei eine falsch verstandene Neutralität ebenfalls keine Lösung: „Mir wird immer wieder gesagt, dass ich neutral bleiben soll.“ Diesen Kritikern sage er: „Kommen Sie mit nach Gaza, sprechen Sie mit meinen Leuten, die alles verloren haben, und dann sagen Sie mir, dass ich neutral bleiben soll! Aber wir dürfen nicht Teil der politischen oder militärischen Auseinandersetzung werden.“
Das Lateinische Patriarchat von Jerusalem, das neben Israel und den Palästinensischen Gebieten auch Jordanien und Zypern umfasst, wolle „konstruktive Präsenz“ zeigen, erläuterte Pizzaballa mit Hinweis auf die vielfältigen Hilfsprojekte, die „Kirche in Not“ mitfinanziert. Im Gaza-Streifen sei die Situation derart instabil, dass es Wochen dauern könne, bis Hilfe ankommt. Auch wenn sich die Lage dort aktuell schnell ändere, wagt der Patriarch bereits einen Blick in die Zukunft: „Alle Schulen sind zerstört oder werden als Unterkünfte verwendet. Die Kinder haben bereits ein Schuljahr verloren. Wir versuchen, mobile Container als Schulräume zu nutzen. Wir müssen jedoch Lehrer finden.“
78 Prozent Arbeitslosigkeit im Westjordanland
Der Gaza-Streifen sei jedoch nicht die einzige Region im Heiligen Land, die unter dem Krieg leide, berichtete Pizzaballa: „Im Westjordanland ist es ebenfalls dramatisch. Die meisten der dort lebenden Christen waren vom Tourismus abhängig, der ist jetzt zusammengebrochen. Und diejenigen, die in Israel arbeiteten, haben keine Einreiseberechtigung mehr.“ Die Arbeitslosenquote liegt laut dem Patriarchen bei 78 Prozent, „die höchste Quote der Geschichte“.
Pizzaballa dankte „Kirche in Not“ für die erhaltene Unterstützung. Das Hilfswerk sei eine der ersten Organisationen gewesen, die nach den Terroranschlägen vom 07. Oktober 2023 und dem sich daraus entwickelnden Krieg Hilfe angeboten hätten. „Ich möchte allen Wohltätern meine Wertschätzung ausdrücken. Diese Nähe ist ein Segen.“
Neben der humanitären Hilfe sei weiterhin die Unterstützung für pastorale Aktivitäten, wie zum Beispiel kirchliche Sommercamps für Jugendliche, notwendig, betonte der Patriarch. „Jerusalem und das Heilige Land sind wundervolle Orte, denn sie sind der Ursprung des Christentums. Aber sie sind auch sehr schwierig, vor allem in diesen Zeiten des Krieges. ,Kirche in Not’ ist da präsent, wo es schwierig ist.“
Text: Kirche in Not
(SSC)