Pastoralkurs des Priesterseminars lernt die Betriebsseelsorge kennen
Warum Arbeitnehmer Seelsorger brauchen
Regensburg, 2. Juni 2023
Im Regensburger Priesterseminar stehen derzeit drei Diakone kurz vor dem Abschluss ihrer Seminarzeit. In diesem letzten Jahr vor der Priesterweihe lernen die Priesteramtskandidaten nicht nur die Arbeit in der Pfarrseelsorge kennen, sondern bekommen auch Einblick in andere Seelsorgebereiche oder beispielsweise in die Dienste der Caritas. Den Abschluss dieses sehr praxisorientierten Ausbildungsabschnitts, im sogenannten Pastoralkurs, bildete in der Woche vor Pfingsten der Thementag zur Arbeitnehmer- und Betriebsseelsorge.
Eintauchen in betriebliche Realität
Richard Wittmann, Leiter der Fachstelle Betriebsseelsorge im Bistum Regensburg, begleitete die Gruppe bei diesem Seminartag zur Arbeitnehmerpastoral. Ausgehend von den theologischen Grundlagen einer Pastoral in der Arbeitswelt folgte ein Einblick in das Arbeitsfeld der diözesanen Betriebsseelsorge mit deren engen Kontakten zu Betriebs- und Personalräten sowie zu den Gewerkschaften. Gemeinsam überlegte man, wie die Arbeitswelt und die Lebenswirklichkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Gemeindeseelsorge stärker verankert bzw. in den Blick genommen werden könne.
Wittmann legte den künftigen Priestern darüber hinaus einen guten Kontakt und eine gute Zusammenarbeit mit den arbeitsweltbezogenen kirchlichen Verbänden ans Herz. Die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB), das Kolpingwerk, die Christlichen Arbeiterjugend (CAJ) oder der Bund Katholischer Unternehmer (BKU) würden ganz konkret an der Verbreitung und der Umsetzung der Katholischen Soziallehre in Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeitswelt mitwirken. Damit der Praxisbezug nicht zu kurz kam, machten sich die Weihekandidaten anschließend zusammen mit Subregens Christoph Leuchtner und Richard Wittmann auf den Weg zu zwei ganz verschiedenen Unternehmen. Es galt, zumindest etwas in die betriebliche Realität einzutauchen.
Rettung für Galeria Kaufhof
Zunächst trafen sie im Warenhaus Galeria Karstadt Kaufhof am Regensburger Neupfarrplatz mit dem dortigen Betriebsratsvorsitzenden Andreas Prasch zusammen. Sie erhielten authentisch Einblick in die schwierigen Wochen und Monate der Insolvenz und erfuhren von den Auswirkungen der Kündigungen auf die Beschäftigten und deren Familien. Während einige Mitarbeitende schon andere Arbeitsplätze gefunden hätten, seien die Aussichten für die Älteren nicht so gut. Andreas Prasch erinnerte an die regelmäßigen Kontakte mit der Betriebsseelsorge und die für ihn und die Mitarbeitenden wichtige Teilnahme des Betriebsseelsorgers an jener Betriebsversammlung, als die Schließung des Hauses bekanntgegeben wurde. Dankbar sei man seitens des Betriebsrats auch für den Besuch von Bischof Rudolf Voderholzer gewesen. Gemeinsam mit der Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde und dem evangelischen Regionalbischof habe sich Bischof Rudolf Voderholzer anschließend in einem Schreiben an den Konkursverwalter und an die aktuelle Geschäftsführung gewandt und sich für eine Fortführung des Warenhauses in Regensburgs Mitte und damit für den Erhalt der Arbeitsplätze eingesetzt. Betriebsratsvorsitzender Prasch ermutigte die künftigen Priester, in der seelsorglichen Praxis immer auch ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu haben. Am Tag nach dem Treffen der Priesteramtskandidaten mit dem Betriebsratsvorsitzenden wurde übrigens bekannt, dass das Warenhaus am Neupfarrplatz nun doch weiterbetrieben wird. Für Andreas Prasch eine „in jeder Hinsicht gute Meldung“.
Unternehmen mit Geschichte: Die Maschinenfabrik Reinhausen
Am späteren Nachmittag des Seminartags stand noch ein Besuch bei der Maschinenfabrik Reinhausen auf dem Programm. Das Unternehmen, das in Regensburg ca. 2.000 Mitarbeiter beschäftigt, ist Weltmarktführer bei der Herstellung von Laststufenschaltern. Immerhin wird die Hälfte des weltweit erzeugten Stroms mit Produkten der vor 155 Jahren in Regensburg gegründeten Maschinenfabrik Reinhausen geregelt. Bei einer Werksführung durch Betriebsratsmitglied Thomas Gradl bekam die Gruppe guten Einblick sowohl in die Fertigung als auch in die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Die vielen Nachfragen unterstrichen das Interesse der Besucher an der Situation der Menschen in der Arbeitswelt.
Beim abschließenden Gespräch mit Betriebsratsvorsitzender Petra Gold informierten sich die angehenden Priester über die Aufgaben und die konkrete Arbeit des Betriebsrats. Richard Wittmann ergänzte, dass die Betriebsräte oftmals auch selbst Seelsorgerin und Seelsorger für die Beschäftigten seien. Gesprochen wurde zudem über den Fachkräftemangel und die wichtige Rolle der Gewerkschaften. Subregens Christoph Leuchtner dankte Petra Gold und Thomas Gradl, dass sie den kurz vor der Priesterweihe stehenden Diakonen diesen guten Einblick in die betriebliche Wirklichkeit ermöglicht haben.
Text: Richard Wittmann/jas, Foto: Betriebsseelsorge im Bistum Regensburg.
Unser Titelfoto zeigt: Mit den drei Priesteramtskandidaten des Pastoralkurses auf Werkbesuch bei der Maschinenfabrik Reinhausen (MR) in Regensburg. Von links: Pater Vinzenz Schlosser CP, Tobias Asbeck, Subregens Christoph Leuchtner, Betriebsratsvorsitzende Petra Gold, Chinna Dola, Betriebsseelsorger Richard Wittmann und Betriebsrat Thomas Gradl.