Regensburg, 14. Januar 2025
In der Geschichte des Papsttums, also seit den Zeiten der Spätantike, ist dies eine Premiere: Zu Lebzeiten veröffentlicht ein Papst seine Autobiographie. Indessen ist Jorge Mario Bergoglio, so sein bürgerlicher Name, ein Pontifex Maximus, der auch bislang schon für einige Überraschungen gut war. Zudem vereinigt er eine ganze Reihe von Premieren auf sich: Erster Jesuit auf dem Stuhl Petri, erster Lateinamerikaner, erster seines Namens – erstaunlich an sich, denn mit dem Heiligen Franziskus hat er ein Vorbild gewählt, das wohl anderen Päpsten vor ihm auch gut zu Gesicht gestanden hätte.
Eigentlich stand, so war zu hören, der Plan, diese Lebenserinnerungen einer mehr als hervorgehobenen Person der Zeitgeschichte, denn das ist dieser Papst, erst posthum zu veröffentlichen. Der Papst sah aber „Erfordernisse unserer Zeit“, also globale Schwierigkeiten und Probleme, die ihn bewogen haben, seinen Plan zu ändern. Auch das Heilige Jahr 2025 mag eine Rolle spielen. Der italienische Originaltitel dieser Autobiographie jedenfalls spiegelt ein Programm für eine problemgeplagte Welt: „Spera!" Das ist, auf Deutsch ungefähr umschrieben, nichts anderes als der Titel, unter dem das Buch jetzt auch hierzulande in den Buchhandlungen liegt: „Hoffe!“
Franziskus präsentiert seine Lebensgeschichte in dem ihm eigenen, ganz persönlichen Stil. Seine italienischen Wurzeln stehen am Beginn, dann folgen spannende und teils leidvolle Einzelheiten der Auswanderung seiner Vorfahren nach Lateinamerika. Wir erfahren auch, dass seine Kindheit und Jugend durchaus zuweilen turbulent waren – Berufung und kirchliche Laufbahn gewinnen aber gerade dadurch ihre Bedeutung. Und natürlich gilt das genauso für sein Pontifikat bis in die Gegenwart. Keinesfalls ausgespart werden im übrigen seine persönlichen Vorlieben.
Bemerkenswert offen benennt der Pontifex die großen Probleme unserer Zeit und bezieht Stellung – nun wird klar, warum dieses Buch jetzt auf den Markt kam, ja, kommen musste. Als „mutig, nüchtern und prophetisch“ bezeichnen erste Rezensenten bereits die Ausführungen zu Krieg und Frieden, die Franziskus formuliert. Migration, Umweltschutz, Sozialpolitik, Frauenrechte, technischer Fortschritt sowie die Zukunft der katholischen Kirche und aller Religionen sind weitere Themen. Die Lebensgeschichte des Jorge Mario Bergoglio, immer hineingewoben, ist dabei recht interessant, wirklich bedeutend aber ist das moralische und spirituelle Testament, denn weniger ist es nicht, was der Papst mit diesem Buch vorlegt. In vielen Gemeinden dürfte es vorgetragen und diskutiert werden, ein Erstleser nennt es online bereits „das Vermächtnis der Hoffnung für künftige Generationen“.
Auch wer sich im wörtlichen Sinne ein Bild von Frankziskus machen möchte, wird nicht enttäuscht. Dieses Buch enthält eine ganze Anzahl Bilder, die bisher unveröffentlicht waren. Weil auch Privataufnahmen dabei sind, ist es nicht übertrieben zu sagen, dass Papst Franziskus seine Leser an seinem Leben so teilhaben lässt wie keiner seiner Vorgänger. Wirkliche Einblicke in das Leben eines Papstes – gewiss ist das auch dem Informationszeitalter, in dem wir leben, geschuldet. In sehr begrenztem Umfang kannten wir das vom Heiligen Johannes Paul II.; eine Steigerung erfuhr das unter Benedikt XVI., wobei weltweit am meisten im Bistum Regensburg über den Letztgenannten bekannt sein dürfte, denn hier lebte und lehrte er lange Jahre als Professor Ratzinger, hier wirkte sein Bruder, hier hatte er geplant, seinen Ruhestand zu genießen.
Papst Franziskus geht den publizistischen Weg, den seine Vorgänger ihm wiesen, noch ein ganzes Stück weiter – seinen Gläubigen entgegen, ja, zusammen mit ihnen. Das ist sympathisch, das schafft Nähe. Ein wenig so, wie es in dem sehr berührenden Weihnachtslied „Zu Betlehem geboren“ über das Jesuskind heißt: „Knüpf zu, knüpf zu das Band der Liebe zwischen beiden, nimm hin mein Herz zum Pfand!“
Text: Sebastian Sigler