News Bild Mittelalterliche Pergamentfragmente aus der Bischöflichen Zentralbibliothek faszinieren Studierende der Liturgiewissenschaft
Mittelalterliche Pergamentfragmente aus der Bischöflichen Zentralbibliothek faszinieren Studierende der Liturgiewissenschaft

Von alten Handschriften und Inkunabeln

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Regensburg, 19. Dezember 2022

Seit November 2020 arbeitet Dr. Arthur Westwell aus dem englischen Cambridge als Gastwissenschaftler am Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft der Universität Regensburg. Im Rahmen eines Projekts der Deutschen Forschungsgemeinschaft untersucht er die karolingische Sakramentarüberlieferung im 9. Jahrhundert. Zugleich unterrichtet er an dem von Professor Dr. Harald Buchinger geleiteten Lehrstuhl. Eine seiner Lehrveranstaltungen führte ihn nun mit zehn Studierenden am 15. Dezember 2022 in die Bischöfliche Zentralbibliothek. Grund waren die hier aufbewahrten, bis ins 9. Jahrhundert zurückreichenden Pergamentfragmente.

Zu den verborgenen Schätzen der an alten Handschriften und Inkunabeln reichen Diözesanbibliothek zählt der inzwischen auf mehr als 350 Stück angewachsene Bestand von mittelalterlichen Buchfragmenten. Dies sind Reste einstiger Handschriften, die nach der Erfindung des Buchdrucks allmählich außer Gebrauch kamen und als sogenannte Makulatur für vielerlei praktische Zwecke, vor allem aber als Einbandmaterialien Wiederverwendung fanden. Vielfach finden sich weltweit in Bibliotheken und Archiven mit historischem Altbestand Bücher aus späterer Zeit, die in einzelne Blätter aus alten Pergamenthandschriften eingebunden worden sind. Manchmal wurden diese inzwischen als wertvoll erkannten Blätter wieder abgelöst und bilden heute eigene Sammlungen.

 

In seinem Seminar zur Paläographie erläuterte Dr. Westwell anhand von Fragmentblättern die Entwicklung der Schrift von der frühkarolingischen Minuskel bis hin zu gotischen Schriftformen. Dabei ging er auch auf den Inhalt der Blätter ein. Er wies zum Beispiel auf einen Text der Benediktsregel hin, der ursprünglich für ein Männerkloster verfasst worden war, aber in der vorliegenden Fassung für ein Frauenkloster umgeschrieben wurde, wie einzelne Wortkorrekturen erkennen ließen. So wurde aus dem Mönch (monachus) eine „Mönchin“ (monacha), indem die Schreiberin die Endung „us“ durch ein „a“ ersetzte. Das Einbandfragment stammt von späteren Akten aus dem Stift Obermünster. Möglich, dass sogar die Textänderungen im mittelalterlichen Regensburger Stift vorgenommen worden sind.

Seit vielen Jahren schon unterhält die Bischöfliche Zentralbibliothek engen Kontakt zur Universität. Lehrveranstaltungen der Musik- oder der Liturgiewissenschaft finden häufig in den Räumen der Diözesanbibliothek statt, um den Studierenden eine Kenntnis von und den Umgang mit Originalquellen zu vermitteln. Und aus so mancher dabei gewonnenen Anregung ist auch schon die eine oder andere Abschlussarbeit hervorgegangen. Eine Bibliothek ist eben mehr als ein bloßer Aufbewahrungsort verstaubter Bücher. Recht genutzt, kann sie zum Kosmos lebendiger Geschichte werden.

Text und Fotos: Dr. Raimond Dittrich, Bischöfliches Zentralarchiv/jas

 



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