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Maria, die Mutter Christi und der Kirche

Die Förderung der Marienverehrung durch Papst Paul VI.

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Regensburg, 8. August 2023

Im Anschluss an die grundlegende Marienlehre des Zweiten Vatikanischen Konzils hat der im Jahr 2018 heiliggesprochene Papst Paul VI. (1897-1978) – vor bald 50 Jahren – in seinem Apostolischen Schreiben „Marialis cultus“ (vom 2. Februar 1974) wichtige theologische Grundsätze der Marienverehrung formuliert.

Die rechte Weise der Marienverehrung

In seinem Apostolischen Schreiben über die rechte Weise und Förderung der Marienverehrung „Marialis cultus“ weist Papst Paul VI. darauf hin, dass das Nachsinnen der Kirche über das Geheimnis Christi und über ihr eigenes Wesen sie zu jener Gestalt führte, die „zugleich die Wurzel des ersten und die Krone des zweiten ist: zur Jungfrau Maria, der Mutter des Herrn und Mutter der Kirche“ (Papst Paul VI., Apostolisches Schreiben „Marialis cultus“. Von den deutschen Bischöfen approbierte Übersetzung. Herausgegeben von den Liturgischen Instituten in Salzburg, Trier und Zürich, Trier 1975, 13). Dabei spricht der Papst Fragen an, die die Beziehung zwischen der heiligen Liturgie und der Marienverehrung betreffen. Darüber hinaus präsentiert Paul VI. Erwägungen und Richtlinien, die die Marienverehrung fördern. Im dritten Teil werden Überlegungen vorgetragen, die einer erneuerten und vertieften Pflege des Rosenkranzgebetes dienen. Im abschließenden Teil werden die theologische und die pastorale Bedeutung der Marienverehrung für die Erneuerung des christlichen Lebens unterstrichen.

Marienverehrung – ein Element echter Frömmigkeit

Papst Paul VI. verfolgt mit seinem Apostolischen Schreiben das Ziel, die Entfaltung der Marienverehrung einzufügen in den Rahmen des „einen christlichen Gottesdienstes“, der von Christus „seinen Ursprung und seine Wirksamkeit“ hat, in Christus „seinen vollkommenen Ausdruck“ findet und durch Christus im Heiligen Geist zum Vater führt. Die Marienverehrung ist „ein Element, das für die echte Frömmigkeit der Kirche kennzeichnend“ (Marialis cultus [MC], 11) ist. Jede echte Entfaltung des christlichen Gottesdienstes hat ein echtes Wachstum in der Verehrung der Mutter Christi zur Folge. Die Geschichte der Frömmigkeit beweist, dass sich die verschiedenen Formen der von der Kirche gebilligten Muttergottesverehrung „in harmonischer Unterordnung unter den Kult, der Christus gebührt, entwickelt haben. Auf Christus haben sie sich bezogen als ihren notwendigen und natürlichen Zielpunkt“ (ebd., 13).

Die Verehrung der Gottesmutter in der Liturgie

Die nachkonziliare Reform sieht Maria „im großen Rahmen des Christusmysteriums. Sie hat die einzigartige Stellung erkannt, die Maria als Mutter Gottes und erhabene Gehilfin des Erlösers nach der Tradition im christlichen Kult zukommt“ (MC, Nr. 15). In der Ost- und in der Westkirche sind „herrliche Zeugnisse marianischer Frömmigkeit“ (ebd.) aufgeblüht. Maria ist – so Papst Paul VI. – „nicht bloß Vorbild der ganzen Kirche in der Ausübung des Kultes, der Gott gebührt, sondern auch Vorbild für die einzelnen Christen als Lehrmeisterin der Frömmigkeit. Sie haben schon früh angefangen, auf Maria zu schauen, um wie sie aus ihrem Leben einen Gottesdienst zu machen und aus dem Gottesdienst ein Element ihres Lebens. … Maria ist vor allem Vorbild jener Hingabe, wodurch das Leben eines jeden zu einer Opfergabe für Gott wird“ (ebd., Nr. 21)

Die Erneuerung der Marienverehrung

Es ist – so Papst Paul VI. in seinem Schreiben „Marialis cultus“ – wünschenswert, dass die marianischen Andachtsformen immer mit dem dreifaltigen Gott und mit Christus verbunden sind. „In der Jungfrau Maria ist alles auf Christus bezogen und alles hängt von ihm ab; im Hinblick auf ihn wurde sie von Gott Vater seit aller Ewigkeit auserwählt als die ganz heilige Mutter und mit Gaben des Heiligen Geistes geschmückt, wie sie in solcher Fülle niemand sonst geschenkt wurden“ (ebd., Nr. 25). Mit seinem Hinweis auf die von Christus her geprägte Marienverehrung will Papst Paul VI. die Mahnung verbinden, dass im Marienkult auch der Person und dem Wirken des Heiligen Geistes „der gebührende Platz“ eingeräumt werden muss. Einige Kirchenväter haben „die ursprüngliche Heiligkeit Marias“ dem Wirken des Heiligen Geistes zugeschrieben. Der Papst hält es für notwendig, dass „die Andachtsübungen zur Verehrung der Mutter Gottes deutlich die Stellung aufzeigen, die Maria in der Kirche zukommt“ (ebd., Nr. 28). Mit Recht hat das Zweite Vatikanische Konzil festgehalten, dass Maria „in der heiligen Kirche nach Christus den höchsten Platz einnimmt und doch uns besonders nahe ist“ (Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“, Nr. 54). Die Erinnerung an „die ersten Fundamentalbegriffe“, die das Zweite Vatikanische Konzil vom Wesen der Kirche geprägt hat (wie z. B. Familie Gottes, Volk Gottes, Reich Gottes, geheimnisvoller Leib Christi), wird bewirken, dass die Gläubigen die Stellung und Aufgabe der Mutter Christi im Geheimnis der Kirche „leichter erkennen und ihren hervorragenden Platz in der Gemeinschaft der Heiligen deutlicher sehen. Sie werden auch das brüderliche Band, das die Christgläubigen verbindet, klarer sehen, denn sie sind alle Kinder der Jungfrau. … Endlich werden die Gläubigen erkennen, dass die Tätigkeit der Kirche auf dem ganzen Erdkreis gleichsam nur eine Fortsetzung der mütterlichen Sorge Mariens ist“ (MC, Nr. 28).

Maria und die Ökumene

Papst Paul VI. weist auch deutlich darauf hin, dass bei der Marienverehrung der ökumenische Auftrag der Kirche zu beachten ist. In der Marienverehrung müssen „gewisse Bemühungen der Kirche berücksichtigt werden, unter denen die Sorge um die Wiedervereinigung der getrennten Christen hervorragt. Die Liebe zur Mutter Gottes muss daher Rücksicht nehmen auf die Einrichtungen und Aufgaben der sogenannten ökumenischen Bewegung und nimmt daher selbst einen ökumenischen Charakter an“ (ebd., Nr. 32). Die Katholiken wissen sich verbunden mit den Gläubigen der orthodoxen Kirchen, bei denen die Marienverehrung „Formen von erhabener Poesie und tiefem Lehrgehalt“ (ebd.) aufweist. Bei ihnen wird Maria mit besonderer Liebe als Gottesmutter und als „Hoffnung der Christen“ gefeiert. Die Katholiken wissen sich auch den Anglikanern verbunden, „deren hervorragendste Theologen schon früher die biblischen Grundlagen der Muttergottesverehrung beleuchteten und deren Gottesgelehrte der heutigen Zeit auf den Platz hinweisen, den Maria im christlichen Leben einnimmt“ (ebd.). Die Katholiken wissen sich auch verbunden mit den Brüdern und Schwestern „der reformierten Kirchen, die sich auszeichnen durch eine große Liebe zur Heiligen Schrift und sich beim Gotteslob der Worte Mariens bedienen (vgl. Lk 1,46-55)“ (ebd.). Die Verehrung der Mutter Christi und der Mutter der Christen bietet den Katholiken „zudem eine natürliche Gelegenheit dafür zu beten, dass Maria bei ihrem Sohn eintritt, er möge alle Getauften in ein einziges Gottesvolk zusammenwachsen lassen“ (ebd.).

Maria als Fürbitterin für die Wiedergewinnung der Einheit

Die katholische Kirche will – so Papst Paul VI. – „einerseits die spezifische Eigenart der Marienverehrung nicht abschwächen, aber andererseits auch keine Übertreibungen zulassen, welche die anderen Brüder zu irrigen Auffassungen über die wahre Lehre der katholischen Kirche verleiten könnten“ (ebd.). Der Papst macht auch darauf aufmerksam, dass es im Denken und Empfinden vieler Gläubiger „der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften nicht geringe Unterschiede gibt zur katholischen Lehre über die Aufgabe Mariens im Heilswerk und infolgedessen auch über ihre Verehrung“ (ebd., Nr. 33). Freilich äußert Paul VI. auch seine Hoffnung, dass die Verehrung der demütigen Magd des Herrn, welcher der Allmächtige Gott Großes getan hat, in Zukunft ein Weg sei, um die Einheit aller Christgläubigen wiederherzustellen. Mit Freude stellt der Papst fest, dass auch die getrennten Brüder und Schwestern die Aufgabe Mariens im Geheimnis Christi und der Kirche „tiefer erfassen und so den Weg ebnen zu einer solchen Wiedervereinigung“ (ebd.). Wie Maria bei der Hochzeit zu Kana durch ihre Fürbitte erreichte, dass Jesus sein erstes Wunder wirkte, „so wird es ihr auch in unserer Zeit möglich sein, durch ihre Fürsprache die Zeit heranreifen zu lassen, in der die Jünger Christi die volle Glaubensgemeinschaft wiederfinden“ (ebd., Nr. 33). Das „höchste und letzte Ziel aller Marienverehrung“ ist – so der Papst – „die Verherrlichung Gottes und das Bemühen der Gläubigen, ihr Leben und ihr Tun in Einklang mit dem Willen Gottes zu bringen“ (ebd., Nr. 39).

Hinweise zum „Engel des Herrn“ und zum Rosenkranz

Papst Paul VI. empfiehlt es sehr, den „Engel des Herrn“ zu beten. Dieses Gebet hat „nach so langer Zeit nichts von seiner Kraft und seinem Glanz verloren, seine Struktur ist einfach und der Heiligen Schrift entlehnt“ (ebd., Nr. 41). Sein historischer Ursprung mahnt, für Frieden und Sicherheit zu beten. In seiner zeitlichen Ansetzung heiligt dieses Gebet – wie das liturgische Stundengebet – den Ablauf des Tages. Der Papst betont außerdem, dass das „gesammelte Beten des Rosenkranzes die Art und Weise widerspiegelt, wie das Wort Gottes sich voll Erbarmen um die Anliegen der Menschen kümmerte und die Erlösung vollbrachte“ (ebd., Nr. 45; vgl. auch Papst Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Rosarium Virginis Mariae über den Rosenkranz, Bonn 2002). Dieses Gebet betrachtet „die hauptsächlichsten Heilsereignisse des Lebens Christi“. Paul VI. nennt den Rosenkranz ein „evangelisches Gebet“, das ganz ausgerichtet ist „auf das Geheimnis der Menschwerdung und die Erlösung des Menschen“; das Rosenkranzgebet hat „eine ausgesprochen christologische Orientierung“ (MC, Nr. 46). Nach dem Stundengebet, in dem das Familiengebet seinen Höhepunkt erreichen kann, „ist zweifellos der Rosenkranz unter die besten und wirksamsten Formen gemeinschaftlichen Betens zu rechnen, zu der man eine christliche Familie einladen kann“ (ebd., Nr. 54).

Marienverehrung und die Erneuerung des christlichen Lebens

Die Marienverehrung der Kirche gehört – so der Papst in seinem Apostolischen Schreiben – „zum Wesen des christlichen Kultes“. Die Verehrung, die die Kirche der Mutter des Herrn zu allen Zeiten und an jedem Ort – vom Lobpreis der Elisabeth (vgl. Lk 1,42-45) bis zu den Lobliedern und Fürbitten unserer Zeit – entgegenbringt, „stellt ein überaus gültiges Zeugnis für ihre Gebetsnorm dar und ist eine Einladung, in den Herzen die Glaubensnorm zu verlebendigen und zu stärken“ (ebd., Nr. 56). Christus allein ist der Weg, der zum Vater führt (vgl. Joh 14,4-11); er ist das höchste Vorbild, nach dem die Jünger ihr Leben ausrichten müssen (vgl. Joh 13,15). Sie sollen sich die Gesinnungen Christi aneignen (vgl. Phil 2,5) und seinen Geist besitzen (vgl. Gal 2,20). „Trotzdem weiß die Kirche, erleuchtet durch den Heiligen Geist und belehrt durch jahrhundertelange Erfahrung, dass auch die Marienverehrung in Unterordnung unter die Verehrung, die wir dem göttlichen Erlöser schulden, und im Einklang mit ihr von großem pastoralen Nutzen ist und eine wirksame Hilfe in der Erneuerung des christlichen Lebens darstellt“ (ebd., Nr. 57). Die vielfache Sendung Marias gegenüber dem Volk Gottes ist „eine übernatürliche Wirklichkeit und wirkt sich segensreich aus im Organismus der Kirche“ (ebd.). Die mütterliche Sendung Marias „drängt das Volk Gottes, voll Vertrauen zu ihr Zuflucht zu nehmen“ (ebd.). Maria ist immer bereit, voll Liebe die Bitten zu erhören und Hilfe zu gewähren. Deshalb rufen die Christen Maria als Trösterin der Betrübten, als Heil der Kranken und als Zuflucht der Sünder an, „um im Kummer Trost, in Krankheit Erleichterung zu finden und Kraft, sich von der Knechtschaft der Sünde zu befreien“ (ebd.). Maria, die Sündelose, hilft ihren Kindern, die Sünde mit starkem Willen zu meiden. „Erlösung aus dem Bösen und Befreiung aus der Knechtschaft der Sünde (vgl. Mt 6,13) ist die Bedingung für eine wahre Erneuerung des christlichen Lebens“ (ebd.).

In der Gnade Gottes wachsen

Die vorbildliche Heiligkeit der allerseligsten Jungfrau „drängt die Gläubigen, ihre Augen auf Maria zu richten als ein Vorbild der Tugend“ (ebd.). Mit den Tugenden der Mutter werden die Kinder „sich schmücken, wenn sie mit starkem Willen auf ihr Beispiel schauen, um es in ihrem eigenen Leben nachzuahmen. Solcher Fortschritt in der Tugend wird als reiche Frucht aus der Marienverehrung hervorgehen“ (ebd.). Die Liebe zur Gottesmutter bietet den Gläubigen Gelegenheit, „in der göttlichen Gnade zu wachsen, und in solchem Fortschritt ist das Ziel aller seelsorglichen Tätigkeit zu sehen“ (ebd.). Es ist „undenkbar, dass jemand die Gnadenvolle verehrt, ohne die Gnade im eigenen Herzen zu schätzen, die ja nichts anderes ist als die Freundschaft mit Gott, die Gemeinschaft mit ihm, die Einwohnung des Heiligen Geistes“ (ebd.). Die katholische Kirche sieht – gestützt auf jahrhundertealte Erfahrung – in der Marienverehrung „eine mächtige Hilfe“ für den Menschen auf dem Weg zu seiner Lebensentfaltung. „Maria, die neue Frau, steht Christus, dem neuen Menschen, ganz nahe, in dessen Geheimnis allein das Geheimnis des Menschen erhellt wird; hier sind auch das Unterpfand und die Garantie gegeben, dass sich der Heilsplan Gottes bereits in einer Person des menschlichen Geschlechtes“ (ebd.), in Maria, verwirklicht hat.

Die Zerrissenheit des modernen Menschen

Der moderne Mensch ist hin- und hergerissen zwischen Angst und Hoffnung, zwischen dem Bewusstsein seiner engen Grenzen und dem Ansturm seiner unermesslichen Wünsche. „Das ungelöste Rätsel des Todes foltert seinen Geist, zermürbt ihm Herz und Gemüt, lastende Einsamkeit erfüllt ihn mit Ekel und Überdruss und verzehrender Sehnsucht nach Gemeinschaft mit anderen; diesem geprüften Menschen bietet die Jungfrau Maria in den Wechselfällen ihres irdischen Lebens und in ihrer himmlischen Vollendung ein heiteres Bild des Friedens – sie hat für ihn Worte, die aufrichten und stärken: sie bürgt dafür, dass die Hoffnung die Angst, die Gemeinschaft die Vereinsamung, der Friede die Verwirrung, die Freude den Überdruss, die Schönheit den Ekel, die Erwartung der ewigen Güter die Gier nach irdischem Reichtum, das Leben den Tod besiegt“ (ebd.). Papst Paul VI. hält es für notwendig, „ausführlich über die der Mutter Gottes geschuldete Verehrung zu sprechen, da sie zur Vollgestalt des christlichen Kultes gehört“ (ebd., Nr. 58). Er beschließt sein Apostolisches Schreiben mit dem Wunsch und der Hoffnung, dass „die Marienverehrung immer mehr gefördert werde zum Wohl der Kirche und der menschlichen Gesellschaft“ (ebd.).

Text: Domkapitular Prof. Dr. Josef Kreiml, Vorsitzender des Institutum Marianum Regensburg, Foto: PuMa

 

 



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