Regensburg, 12. März 2025
Ein Stadtteil in der libanesischen Hauptstadt Beirut, der aus Sicherheitsgründen ebenso anonym bleiben muss wie viele der genannten Personen: Gewalt und Kriminalität sind hier an der Tagesordnung. Besonders betroffen sind Mädchen und junge Frauen, erzählt Schwester Marie Akl von der Kongregation der Schwestern vom Guten Hirten dem weltweiten katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“ (ACN): „Viele Mädchen aus benachteiligten Familien haben traumatische Erfahrungen gemacht, leiden unter Angstzuständen, Depressionen, Bindungsstörungen und haben Schwierigkeiten, anderen zu vertrauen“.
Die Schwestern vom Guten Hirten betreiben ein Schutzzentrum, das „Kirche in Not“ unterstützt. Mädchen können hier am Nachmittag nach der Schule lernen und ihre Freizeit verbringen. Es gibt Mal- und Tanzkurse – und auch Unterricht in Selbstverteidigung: „Die jungen Frauen sollen lernen, sich bei einem Angriff zu verteidigen“, erklärt Schwester Marie, denn: „Wir können ihre Umgebung nicht verändern, aber wir können ihnen helfen, ihr Selbstwertgefühl zu stärken und den Kreislauf des Traumas zu durchbrechen“. Dazu sind die Schwestern und ihre Mitarbeiterinnen psychologisch geschult, denn der Zugang zu Therapeuten und Kliniken sei oft unmöglich oder zu teuer.
Kirche springt ein, wenn staatliche Einrichtungen aufgeben müssen
Hinzu kommt, dass wegen der anhaltenden Wirtschaftskrise im Libanon viele staatliche Hilfseinrichtungen schließen mussten. „Doch die Zahl der gefährdeten jungen Menschen steigt“, stellt Schwester Marie fest. Kirchliche und private Stellen schließen deshalb die Lücke. „Uns liegt diese Aufgabe sehr am Herzen, weil wir wissen, dass auch Jesus diese Jugendlichen am Herzen liegen. Ohne Unterstützung wären sie Drogen, Kriminalität und Prostitution ausgesetzt“, betont die Ordensfrau.
Dass es auch anders geht, wird an der Geschichte eines Mädchens deutlich, die Schwester Marie ein Jahr lang intensiv begleitet hat: „Sie war damals 14 Jahre alt. Ihr Vater hatte sie schrecklich misshandelt“. Schließlich war ihre Mutter mit ihr geflüchtet. „Sie hatte sogar den Namen geändert, weil sie Angst hatte, dass der Vater sie ausfindig machen und umbringen würde“.
Ein mühsamer Weg
Das traumatisierte Mädchen war nicht in der Lage, das Haus zu verlassen. Schließlich konnte ihre Familie sie überreden, ins Schutzzentrum zu gehen. Schwester Marie hat sie psychologisch begleitet: „Sie konnte sich nicht einmal im Spiegel anschauen. Jetzt, nach einem Jahr, steht sie vor dem Spiegel, hat keine Angst mehr, geht raus und trifft Freunde. Sie fühlt sich sicher“, stellt Schwester Marie stolz fest.
Dennoch möchte die Ordensfrau nicht von Erfolgen sprechen. Denn die Begleitung der jungen Frauen sei oft mühsam, es gäbe Rückschläge und Enttäuschungen. Doch viele der hier betreuten Mädchen seien auf dem Weg zum Schulabschluss, sie hätten sich zu mutigen jungen Frauen entwickelt – nicht nur wegen der Selbstverteidigungskurse. „Wir bieten hier, was die meisten Mädchen im Stadtviertel nicht haben: einen sicheren und ruhigen Ort“, bilanziert Schwester Marie. „Wir geben ihnen Werkzeuge an die Hand, die es ihnen ermöglichen, in Zukunft ein Vorbild der Veränderung für andere zu sein“.
Text und Foto: Kirche in Not
(lg)