News Bild Krippenbauer Jack Giacaman aus Betlehem möchte durch seine Arbeit den christlichen Glauben vermitteln
Krippenbauer Jack Giacaman aus Betlehem möchte durch seine Arbeit den christlichen Glauben vermitteln

„Bei uns ist jeden Tag Weihnachten“

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Regensburg, 7. Juli 2022

 

Feiner Holzstaub wirbelt auf, wenn die automatische Säge in das Holz einschneidet und schimmert im schräg einfallenden Sonnenlicht, bevor er sich schwerfällig zu Boden setzt. Laut ratternd wie eine alte Nähmaschine fährt sie an der vorgezeichneten Linie entlang, die den heiligen Joseph abzeichnet. Nach und nach schält sich der Ziehvater Jesu aus dem Olivenholzbrett und erwacht zum Leben. Der Schnitzer Jack Giacaman sitzt gebeugt in seiner Werkstatt vor einer Natursteinmauer, die Brille tief auf der Nase, durch die er die werdende Krippenfigur fixiert. Mit geübten Handbewegungen dreht er das massive Holz immer im richtigen Moment, sodass die Säge, die kaum dicker als eine große Nadel ist, die Zeichnung zu einer Figur werden lässt. Mit jeder Bewegung setzt sich mehr Holzstaub auf seinen großen Händen, Armen und seinem blauen T-Shirt ab.

800 Jahre alte Familientradition: Lebenswirklichkeit Jesu zeigen

Hier in der Werkstatt von Jack Giacaman, rund 50 Meter von der Geburtsbasilika entfernt, entstehen jährlich tausende von Weihnachtskrippen verschiedenster Modelle. Zwischen zwei und 10.000 Euro kosten die Olivenholzkrippen – je nach Ausarbeitung und Größe. Das Geschäft „Christmas House“ gründete der gelernte Elektrotechniker vor rund 25 Jahren mit seinem Bruder und seinem Vater, er leitet das Familienunternehmen heute. Das Schnitzen ist dem 51-jährigen Familienvater in die Wiege gelegt worden: mit 15 Jahren lernte er von seinem Großvater, der ein berühmter Muschelkrippenhersteller in Betlehem war, die Handwerkskunst. Doch die Tradition reicht in der Familie noch viel weiter zurück: Vor 800 Jahren kamen die ersten Verwandten von Jack Giacaman nach Betlehem, schon sie widmeten sich als Steinhauer der Darstellung des Weihnachtsgeschehens.
Dem gläubigen Katholiken selbst ist es ein Anliegen, die Geburtsszene Jesu authentisch darzustellen: „Es geht uns nicht nur um die Herstellung der Krippen, sondern wir wollen die Bedeutung jeder einzelnen Figur in der Geburtsgeschichte Jesu durch unsere Herstellung immer besser verstehen.“ Deswegen möchte Giacaman nicht die Darstellungen, die sich im Laufe der Jahrhunderte in der Kunstszene festgesetzt haben, reproduzieren, sondern die Lebenswirklichkeit Jesu zeigen. In einem Vorzimmer zu seiner Werkstatt finden sich deswegen auf einem Plastiktisch fein säuberlich aufgereihte Holzgrotten statt Ställe.

Krippenbauer in Betlehem

Verkauf in alle Welt

Der Fokus des „Christmas House“ liegt zwar auf der Darstellung der Geburt Jesu, aber auch andere Szenen aus der Bibel wie das letzte Abendmahl oder die Arche Noah verarbeitet der Handwerker mit Olivenholz, sowie einzelne Figuren oder schlichte Wandkreuze. Auf dem Boden in seiner Werkstatt stehen einige Kisten mit den Kreuzen, die bald in alle Welt verschickt werden. In den letzten zehn Jahren ist der Verkauf ins Ausland immer wichtiger geworden. „Es kommen sehr viele Pilger nach Betlehem, aber die meisten kommen in Gruppen mit einem Reiseführer, der sie in Läden und Einkaufszentren bringt, von denen sie hohe Provisionen bekommen. Kleine und alte Familiengeschäfte wie das ‚Christmas House‘ sind dafür nicht interessant“, klagt Giacaman in seinem gebrochenen Englisch, wobei sich die Sorgenfalte zwischen seinen Augenbrauen vertieft. Die meisten Pilger und Touristen, die den kleinen Laden in Betlehem entdecken, sind allein unterwegs und bringen mit, was die meisten Reisegruppen nicht haben: Zeit. Doch das reicht nicht, der Verkauf vor Ort ist für Giacaman bereits zweitrangig geworden, 60 Prozent seiner Herstellungen verkauft er über das Internet. Um mehr Kundschaft zu erreichen, hat er eine Hauptwebseite, sowie andere Nebenwebseiten in anderen Sprachen, unter anderem auf Deutsch (LINK). Die meiste Kundschaft sitzt in den USA, in Deutschland und Frankreich. Durch die Pandemie hat sich der Trend hin zum Onlinehandel nochmal verschärft. Die ersten drei Monate des Lockdowns musste Giacaman seinen Laden komplett schließen, danach konnte er mithilfe von Freunden ein kleines Verkaufsfenster einrichten, durch das er wie ein Eisverkäufer seine Ware anbot. „Wir haben Gott um Hilfe gebeten und er hat uns geholfen.“

Schwierigkeiten durch Corona-Pandemie

Die Schließung wurde aber nicht nur für Giacaman und seine zehn Vollzeit angestellten Mitarbeiter zum Problem, denn der Katholik setzt sich in Betlehem, wo eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht, auch für den Erhalt von Arbeitsplätzen ein, indem er Krippen von anderen Händlern kauft und selbst nur die Feinarbeit macht, die die anderen Hersteller wegen mangelnden Werkzeugs oder Wissens selbst nicht machen können, auch Schulungen für die feine Schnitzerei und Hilfe bei der Vermarktung bietet er an. Doch das alle wurde während der Pandemie schwieriger, Giacaman selbst nahm einen Kredit auf, um über die Runden zu kommen. Noch immer läuft das Geschäft nicht so richtig an, immer wieder schaut der Familienvater erwartungsvoll auf, ob ein Kunde den Laden betritt – aber es kommt niemand. Die Regale wären voll mit Olivenholzkrippen verschiedenster Art.

Krippen aus Betlehem

Olivenholzschnitzerei und Muschelkrippen

Die Olivenholzschnitzerei hat in der 30.000 Einwohner Stadt Betlehem eine große Bedeutung, sie ist für den Tourismus das wichtigste Gewerbe. Giacaman arbeitet besonders gern mit dem harten Holz, weil es anders als zum Beispiel das von der Kiefer nicht splittert und immer eine andere Struktur hat, wodurch jedes Krippenmodell einzigartig ist.
Doch nicht nur Holzkrippen finden sich in dem kleinen Laden: Ein Regal ist mit filigranen Muschelkrippen gefüllt, die noch von seinem Großvater hergestellt wurden. Mit viel Liebe zum Detail sind die Gesichter der Heiligen Familie in das zarte Perlmutt eingearbeitet. Doch die Kunst des Muschelschnitzens ist mit der Generation von Jack Giacamans Großvater ausgestorben: „Die Nachfrage nach Muschelkrippen ist heute nicht mehr groß. Denn für den gleichen Preis, den man für eine Muschelkrippe zahlt, bekommt man auch eine große Krippe aus Olivenholz“, so Giacaman. Zwischen 100 und 400 Euro kosten die kleinen Modelle. Und die Herstellung ist extrem zeitintensiv: Für eine durchschnittliche Holzkrippe braucht der Schnitzer nur rund zwei Stunden, für eine Muschelkrippe den ganzen Tag.

 

Mehr als nur ein Handwerk

Doch trotz der Schwierigkeiten, die sich in seinem Berufsfeld entwickelt haben, übt Giacaman seine Tätigkeit mit Leidenschaft aus, denn es geht ihm um mehr als nur das Handwerk: „Wir wollen den Menschen, die in unser Geschäft kommen, den christlichen Glauben vermitteln.“ Zwar seien die meisten Besucher christliche Pilger, doch rund 20 Prozent seien Touristen, die nicht viel vom Christentum wüssten. Er spreche oft mit seinen Kunden über die Bibel, erkläre ihnen, warum Jesus als Sohn Gottes in einem Stall und nicht in einem Palast geboren sei. Versuche zu vermitteln, was das hier vor 2000 Jahren Geschehene noch heute bedeutet. Die Lebendigkeit Jesu heute wie damals aufzeigen, das ist das Ziel des Krippenbauers. „Bei uns ist jeden Tag Weihnachten“, fügt er mit Blick auf die Geburtsbasilika lächelnd hinzu.

Krippen

Text: Veronika Wetzel
Bilder: Christmas House



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